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MIT Technology Review Interview

Quantencomputer 2025: Europas Streben nach der Technikrevolution

Die UN hat 2025 zum „Quantenjahr“ erklärt. Denn die 100 Jahre alte Quantentheorie soll mit der „zweiten Quantenrevolution“ mächtige, neue Technologien wie den Quantencomputer liefern. Kann Europa davon profitieren?

Von Wolfgang Stieler
6 Min.
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Hypothesen der Quantenmechanik überprüfen Wissenschaftler:innen mithilfe von Quantencomputern. Einer der größten stammt von IBM. (Bild: metamorworks/ Shutterstock.com)

Willkommen in der schönen neuen Quantenwelt. Einer Welt, in der Quantenchips hunderttausendmal schneller sind, in der Kommunikationsnetze auch von den fähigsten Angreifern nicht angezapft werden können, und Quantensensoren mit bislang ungeahnter Empfindlichkeit völlig neue Anwendungen wie etwa Hirnscanner für die Hosentasche ermöglichen.

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Noch ist das eine Zukunftsvision, aber sie soll schon bald Realität werden. Weil die zugrunde liegende physikalische Theorie, die Quantenmechanik, in diesem Jahr 100 wird, haben die Vereinten Nationen das internationale Jahr der Quantenwissenschaft und -Technologie ausgerufen. Doch die großen, kapitalstarken Unternehmen wie IBM und Google, die massiv in die Entwicklung von Quantencomputern investieren, sitzen – mal wieder – in den USA. Kann Europa von dieser Technologie profitieren? Ja, sagt Tommaso Calarco vom Forschungszentrum Jülich, der das EU-Flagship-Projekt zu Quantentechnologie wesentlich mit angeschoben hat, in dem die EU 2018 beschloss, die Quantentechnologie mit einer Milliarde Euro zu fördern. Die Chancen, meint Calarco, stünden gar nicht so schlecht.

MIT Technology Review (TR): Herr Calarco, wie ist der aktuelle Stand im Quantencompting? Wir haben auf der einen Seite Jensen Huang von Nvidia, der sagt, es dauert noch zehn bis 20 Jahre, bis wir überhaupt irgendwie brauchbare universelle Quantencomputer haben. Aber Jensen Huang ist natürlich kein neutraler Experte auf diesem Gebiet – er vertritt ja die Interessen seines Unternehmens. Auf der anderen Seite haben wir Player wie Google oder IBM, die große Fortschritte machen in Sachen Fehlerkorrektur und sagen, wir sind kurz davor, dass Quantencomputer klassische Computer übertrumpfen.

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Tommaso Calarco: Beides ist richtig. Wir stehen dicht vor dem Erfolg. Und das heißt, in nur zehn bis 20 Jahren schaffen wir das. Das ist kein Witz. Also es gab 2024 wirklich bemerkenswerte Fortschritte, insbesondere was die Fehlerkorrektur bei Quantencomputer angeht. Das ist natürlich das entscheidende Element, um eine Skalierbarkeit zu erzeugen. Und nach den Fortschritten im vergangenen Jahr sehen wir, dass die Fehlerkorrektur kein fundamentaler Roadblocker ist. In dieser Hinsicht ist die Lösung sozusagen in Sicht.

Die Herausforderung bei Quantencomputern

TR: Das klingt so, als wollten Sie ein Aber hinzufügen.

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Calarco: Ja, aber das bedeutet, jetzt müssen wir nur – in Anführungszeichen – von einigen Dutzend Qubits auf einige Millionen Qubits skalieren. Und das ist alles andere als trivial. Und es dauert.

Zum Beispiel bei Google und IBM gilt, wir müssen nicht nur hunderttausende Qubits fabrizieren und miteinander verbinden. Wir müssen sie auch alle zusammen auf extrem tiefe Temperaturen bringen. Heutzutage existiert aber noch gar kein Kryostat, also kein Kühlschrank, der so viel so stark kühlen kann. Das muss noch entwickelt werden.

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Und die Physiker, zu denen ich natürlich auch gehöre, sagen dann gerne, ah naja, das ist ja nur noch ein Problem des Engineerings. Aber das ist falsch. Es ist in Wirklichkeit ein Forschungsproblem in der Ingenieurwissenschaft, das extrem schwierig ist, das wirklich Kompetenz und Zusammenarbeit der besten Köpfe der Welt erfordert.

Und zweitens, ist es eine falsche Aussage, weil „nur Engineering“ suggeriert, das Problem sei im Prinzip gelöst. Aber um das Problem zu lösen, brauchen wir noch Breakthroughs. Es braucht mehrere technische Durchbrüche, um überhaupt da anzukommen.

Wenn wir optimistisch sind, dauert es nur zehn Jahre. Wenn wir ein bisschen weniger optimistisch sind, dann rechnen wir damit, dass es noch um die 20 Jahre dauert.

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Das heißt, es braucht Ausdauer, es braucht wirklich Strategie, einen langen Atem, aber auch Zusammenarbeit. Und da ist es ein bisschen eine Herausforderung, weil gerade in der jetzigen geopolitischen Situation ist multilaterale Zusammenarbeit nicht das angesagteste.

TR: Wie steht Europa denn da, im internationalen Vergleich?

Calarco: Die geballte Kompetenz ist sehr stark in Europa. Und auch die öffentliche Finanzierung ist hoch. Also von China hört man oft, dass die 15 Milliarden US-Dollar in Quanten investieren. Wenn man aber ein bisschen im Detail recherchiert und wenn man mit Leuten vor Ort redet, dann findet man schnell heraus, dass die echten Zahlen eigentlich 30 bis 40 Prozent kleiner sind.

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Und Europa ist jetzt insgesamt mit den Geldern der EU-Kommission und von den einzelnen Staaten jenseits der neun Milliarden-Marke für Investitionen in die Quantentechnologie.

Das heißt, wenn wir die öffentlichen Investitionen anschauen, sind wir konkurrenzfähig, wenn wir die Kompetenz anschauen, sind wir bestimmt konkurrenzfähig und in einigen Gebieten sogar bereits führend. Wenn wir die private Investitionsseite anschauen, da ist unsere schmerzhafte Schwäche, würde ich sagen. In dem Sinne, dass wir in Europa leider nicht ein vergleichbares Commitment von Privatinvestoren sehen, wie zum Beispiel in Silicon Valley.

Eine Frage des Kapitals für Quantencomputer

TR: Und wie kann Privatkapital da stärker involviert werden? Es ist ja nicht so, dass in Europa kein Kapital da wäre. Klar, die wertvollsten Firmen sitzen in den USA, Apple, Nvidia etc. Aber auch hier in Europa gibt es eine Menge Kapital, das aber schlicht und einfach nicht in solche Hochrisikounternehmen investiert wird.

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Calarco: Ja, so ist es. Man muss Risikominimierung und Risikomanagement für unsere Investoren betreiben. Und das erfolgt in zwei Richtungen. Einmal braucht es wirklich Kompetenz für Due Diligence. Wenn Investoren eine Entscheidung treffen, dann müssen sie verstehen, worum es geht. Bei Quanten ist das besonders schwierig.

Wir müssen also wissenschaftliche Kompetenz zur Verfügung stellen in einer möglichst neutralen Art und Weise, um die sinnvollen und belastbaren Aussagen von den meisten Quantenunternehmen von den, sagen wir mal, manchmal nicht so zu verlässlichen Aussagen von einigen wenigen Unternehmen ohne wirkliche Substanz unterscheiden zu können.

Und dann kann eine andere Dimension von Risikoeinschränkungen auch von der öffentlichen Hand kommen, im Sinne von zum Beispiel der European Investment Bank. Die könnte einen Investment Fund betreiben und als Lead Investor beim Scale Up von Quanten-Startups auftreten, um das Risiko für private Investoren zu verringern. Damit da eine positive Dynamik in Gang kommt. Dazu gibt es auch bereits informelle Gespräche.

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Zum Stand des Quanten-Flagship-Projekts

TR: Ich würde gerne nochmal kurz zurückkommen zu der öffentlichen Förderung, also sprich zu dem Quanten-Flagship-Projekt, das ja jetzt seit einiger Zeit schon läuft. Wie ist jetzt der Stand der Dinge? Wie gut ist das vorangekommen, eigene europäische Quantencomputer zu entwickeln?

Calarco: Das Flagship hat in einigen Bereichen die Ambitionen sogar übertroffen. In dem Sinne, dass wir am Anfang ein bisschen kühn versprochen haben, wir werden wirklich die Produktion von Quantencomputer in Europa starten. Und tatsächlich haben wir jetzt mehrere Startups, die Quantencomputer anbieten. Und wir haben sieben Super Computing Centers in Europa, die wir die sieben Quanten-Schwestern nennen, wo wir in den nächsten Jahren Quantencomputer installieren.

Eines bei uns in Jülich. Das ist jetzt eine Realität, die vor dem Flagship gar nicht da war. Ohne Flagship wären wir jetzt an dem Punkt, wo wir einfach unsere Quantencomputer von den Amerikanern oder Chinesen kaufen müssten, wie es jetzt mit der normalen Elektronik schon der Fall ist.

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Bei den supralatenden Qubits haben wir, ich würde sagen, anderthalb Jahre Verzögerung im Vergleich mit den USA.

Einerseits, weil Google und IBM hunderte Millionen in das Geschäft investieren. Und andererseits weil wir einige Komponenten, parametrische Verstärker zunächst nur beim MIT in Boston kaufen konnten. Damals hatten wir aber eine andere geopolitische Lage. Da war das wirklich unbedenklich.

Dann hatte Trump in seiner ersten Amtszeit Ausfuhrkontrollen eingeführt, sodass es für eine Zeit für uns nicht mehr möglich war, diese Teile zu beziehen. Das wurde damals sogar eskaliert auf das Niveau des Europaparlaments, es gab eine offizielle Beschwerde. Mit Biden hatte sich die Lage wieder entspannt und inzwischen sind wir auch in der Lage, mit anderen Labors in Europa solche Verstärker selber zu produzieren, sodass wir nicht mehr abhängig sind. Aber natürlich hat das ein bisschen gedauert.

Das heißt, bei Supraleiter-Qubits haben wir diese Verzögerung. Da hängt Europa hinterher. Bei anderen Hardware-Plattformen, etwa Ionen oder Atome, gibt es die nicht. Also das heißt, der Zug ist noch nicht abgefahren. Das Rennen hat erst angefangen und wir sind weiterhin stark konkurrenzfähig.

Aber in der nächsten Phase wird das nur dann so bleiben, wenn ausreichende Investitionen für Scale-ups da sind. Scale-up nicht nur im Sinne von: wie viele Qubits können wir bauen, sondern auch im Sinne von vielen Mitarbeiter, die das realisieren können. Und das bedarf eben dieser Investitionen, die extrem wichtig sind.

TR: Eine letzte technische Frage: Haben Sie denn einen persönlichen Favoriten, was die unterschiedlichen Hardware-Plattformen angeht? Mit was für Hardware werden die ersten wirklich brauchbaren Quantenrechner gebaut? Mit Supraleitern, oder mit Ionen oder Silizium-Qubits?

Calarco: Wenn Sie mich persönlich fragen, würde ich aus sentimentalen Gründen sagen, ich habe vor 25 Jahren mit der Forschung zu Quantencomputern angefangen. Und mein erstes Paper in diesem Gebiet war zu Systemen mit Neutral-Atomen. Also im Sinne einer gewissen Nostalgie, würde ich sagen, da wäre ich besonders stolz und es würde mein Herz erwärmen, wenn das die Gewinner-Plattformen wäre. Aber eigentlich ist das egal. Also was funktioniert, funktioniert. Hauptsache es skaliert.

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