Passt der Neue? Diese Software erkennt die richtigen Mitarbeiter

Da hat der Personaler nach bestem Wissen und Gewissen das Kandidaten-Interview geführt. Er hat den Lebenslauf abgeklopft, Referenzen hinterfragt, persönliche Ziele gecheckt und sogar eine Test-Aufgabe erfüllen lassen. Zwei Stunden später ist die Sache klar: Der Kandidat ist dufte. Kann losgehen.
Vier Monate später sieht die Situation nicht mehr ganz so rosig aus. Der neue Mitarbeiter prescht vor, wo in den Augen des Teams Zurückhaltung angesagt ist. Er trifft im Kundengespräch Einzelentscheidungen. Das Team tickt jedoch hoch demokratisch und nimmt ihm dieses Verhalten übel. Es hakt an allen Ecken und Enden. Nach sechs Monaten entscheiden beide Seiten, sich in gegenseitigem Einvernehmen zu trennen. Was läuft hier schief? Wieso konnte man nicht vorher klären, ob es passt?
Passung Glückssache?
Die Einstellung eines neuen Mitarbeiters hat nicht selten Glücksspiel-Charakter. Die fachliche Eignung abzuklopfen, ist noch verhältnismäßig einfach. Doch passt der oder die Neue denn auch ins Team? Dass diese Frage entscheidend ist, ist allen klar. Schließlich ist es ein offenes Geheimnis, dass Teams, die miteinander arbeiten statt gegeneinander, zufriedener und leistungsfähiger sind. Also kommt sie auf den Tisch. Doch dann wird es vage. Ab jetzt bewegen sich alle Beteiligten in der Regel im Nebel. Denn weder der Kandidat noch der Personaler können auf diese Frage eindeutig antworten. Der Grund: Es fehlen die Fakten.
Das Unternehmen weiß oft gar nicht genau, worauf es bei der Passung achten soll. Selbst wenn ein Teammitglied mit am Tisch sitzen würde, könnte es maximal die Sympathiewerte abklopfen. Klar, Sympathie hilft. Es ist schön, sich zu mögen, wenn man gemeinsam in einem Büro sitzt. Doch Sympathie reicht nicht aus, um eine gute und vor allem im Unternehmenssinne wirksame Zusammenarbeit zu gewährleisten. Und wenn die fehlt, geht die Motivation auf lange Sicht in den Keller. So verlassen 89 Prozent aller Angestellten, die innerhalb des ersten Jahres kündigen, das Unternehmen nicht, weil sie mit einem Kunden nicht zurechtkamen, der Arbeitsweg auf Dauer zu aufwendig war oder das Essen in der Kantine unterirdisch schmeckte. Nein, sie tun dies, weil sie andere Werte, Ziele und Motivationen haben als ihre Kollegen.
Für eine dauerhaft gute Zusammenarbeit braucht es kulturelle Gemeinsamkeiten. Haben beide Seiten ein gleiches Kundenverständnis? Gehen beide Seiten von ähnlichen Verhaltensweisen am Markt aus? Haben beide Seiten die gleiche Ansicht darüber, was Erfolg für das Unternehmen bedeutet? „Solche Fragen lassen sich nicht via Bauchgefühl klären. Dafür braucht es Fakten“, ist Darja Gutnick, Gründerin und CEO des in Berlin ansässigen Softwareentwicklers Bunch, überzeugt.
Kulturabgleich per Knopfdruck
Bunch hat eine Software-Lösung entwickelt, die die Werte und Normen von Mitarbeitern eines Unternehmens und dessen Bewerbern misst und miteinander vergleicht. „Unternehmen können dadurch bereits im Einstellungsprozess herausfinden, ob ein Bewerber die gleichen Werte und Motivationen teilt wie ein bestehendes Team“, so Gutnick. „Die Mitglieder eines Teams füllen ein 30-Fragen-Online-Assessment aus. Damit stellen sie den Werterahmen des Teams dar“, erklärt Gutnick. „Das gleiche Assessment geht an den Kandidaten, fallweise vor dem ersten oder dem zweiten Interview.“ Indem Bewerber und Team die Fragen gleichermaßen beantworten, lägen fundierte Fakten zu den jeweiligen Werten und Zielen auf dem Tisch. „Auf Basis eines Algorithmus, der auf dem Modell der Stanford-Researcher beruht, berechnen wir sogenannte Matching-Scores.“ Ergebnisse im zweistelligen Plus-Bereich seien ein sehr gutes Zeichen. Und wenn nicht mehr als zwei Prozent negativer Einfluss festzustellen sei, lohne es sich, mit dem Kandidaten ins Gespräch zu kommen, so Gutnick. Auf diese Weise könne man jeden Kandidaten zu jedem Team matchen.
„Wir haben das Verfahren für unser Produktmanagement-Team getestet“, berichtet Markus Müller, Head of Product Management“ bei N26. „Der Test hat allen Beteiligten geholfen, den fehlenden Culture Fit früher zu erkennen. Ohne die Fakten hätten wir womöglich noch zwei bis drei Runden miteinander gedreht und wertvolle Zeit verschwendet“, so Müller.
Die Frage „Daumen hoch oder runter“ sei im Recruiting-Prozess gar nicht unbedingt entscheidend, ergänzt Gutnick. „Wichtig ist den Unternehmen, dass beide Seiten, sowohl Kandidat als auch Unternehmen, genau wissen, worüber sie am Tisch miteinander reden“, so die Bunch-Gründerin. Beide Seiten hätten eine gute Gesprächsbasis, meint auch Müller. „Man muss nicht bei Adam und Eva anfangen, sondern kann ganz gezielt Informationslücken füllen.“ Der Product Manager nutzt das Tool nicht nur für den Recruiting-Prozess, sondern auch, um intern passgenaue Teams zu bauen. „Wenn ich weiß, wie die verschiedenen Teammitglieder im Unternehmen ticken, kann ich gezielt Projektteams bilden, die gut miteinander arbeiten“, so Müller.
Und was ist, wenn einer schummelt? „Bei der Befragung gibt es kein Gut oder Schlecht. Wir messen keine Skills oder Fähigkeiten, sondern Präferenzen im Arbeitsstil, im Umgang miteinander oder mit Kunden“, so Gutnick. „In unserem ‚Forced Choice Assessment‘ muss der Nutzer immer zwischen zwei attraktiven Aussagen wählen, beispielsweise: ‚Ich lege Wert darauf, mit Kollegen harmonisch zusammen zu arbeiten‘ versus: ‚Ich arbeite gerne auf klare Ziele hin‘. Auch wenn beide Aussagen erstrebenswert sind, ist nur ein Kreuz zulässig.“
Kultur prägen
Wenn Unternehmen den kulturellen Rahmen für potenzielle neue Mitarbeiter abstecken, dann setzt dieser Prozess auch bei dem Unternehmen selbst etwas in Gang. „Indem sich das Team Fragen zu den eigenen Werten stellt, entwickeln die Teammitglieder ein Bewusstsein für die eigene Kultur: Wofür steht die Firma? Was ist uns wichtig? Was geht gar nicht“, so die Bunch-Gründerin. Dabei werde möglicherweise dem Team auch eine kulturelle Leere bewusst. Dann sei es jetzt höchste Zeit, diese Leere zu füllen. „Unternehmen, die Kultur dem Zufall überlassen, lassen eine der wichtigsten Ressourcen im Unternehmen ungemanaged“, ist Gutnick überzeugt.
Müller schlägt in die gleiche Kerbe: „Wenn ich mir vornehme, als Unternehmen auf lange Sicht flexibler zu agieren, dann kann ich mit Hilfe des Assessments an konkreten Stellschrauben drehen – sowohl bei den bestehenden Teams als auch bei Neueinstellungen“, so Müller.
Frühwarnsystem nutzen
Machen wir jetzt vor jeder Begegnung einen Profilabgleich? Arbeiten wir nur noch mit dem zusammen, bei dem das Matching grünes Licht zeigt? „Das digitale Matching ist keine Alternative zum echten Leben, sondern eine Ergänzung“, betont Gutnick. „Unternehmen haben so die Möglichkeit, bereits sehr früh im Prozess Erkenntnisse zu gewinnen, die das Team sonst später ereilen und ein Vielfaches an Kosten verursachen“, so Gutnick. Die Alternative sei, dass man ohne fundierte Daten eine Entscheidung für einen Probetag trifft und damit möglicherweise wertvolle Zeit verschwendet, und das für alle Beteiligte. „Wenn sich konkrete Fallen schon auf dem Weg abzeichnen, dann sollte man das wissen und sie umgehen“, so Gutnick.
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