Recup-Gründer im Changerider: „Wir haben den Kampf gegen den Verpackungsmüll ausgeweitet“
2,8 Milliarden Coffee-to-go-Becher werden in Deutschland jährlich verbraucht – zumindest war das bis zum Ausbruch der Coronakrise so. Sie werden verbrannt oder landen auf der Mülldeponie. Aufgrund der Beschichtung im Becher können sie jedenfalls nicht recycelt werden. „Du musst immer Bäume fällen, um einen Kaffeebecher zu nutzen – und das für fünf Minuten Kaffeekonsum“, erzählt Florian Pachaly im Changerider. 2016 entstand daher, während der Unizeit und aus dem Ärger über die Müllberge von Pappbechern heraus, die Idee für das mittlerweile deutschlandweite Pfandsystem für Coffee-to-go-Mehrwegbecher. „Unsere Idee hinter Recup: Wir vernetzen alle Coffeeshops, alle Bäckereien, die Tankstellen oder wo halt Kaffee ausgeschenkt wird, in einem großen Netz, sodass ich überall meinen Becher ausleihen kann und überall auch wieder abgeben kann.“
Disclaimer: Das Video wurde bereits 2019, weit vor der Coronakrise, aufgezeichnet. Wir haben mit Gründer und Geschäftsführer Florian Pachaly ganz aktuell gesprochen, um mit ihm auch über die Auswirkungen der aktuellen Krise zu sprechen.
Gerade, wenn man so eng mit der Gastronomie verbunden ist, hatten natürlich auch die Coronapandemie und die Maßnahmen zur Eindämmung erhebliche Auswirkungen auf Recup. „Natürlich sind wir davon abhängig, wie es dieser Branche geht. Bisher sind wir glimpflich davongekommen, sind aber noch gespannt, wie viele Gastronomen die Winterzeit überstehen werden.“ Gleichzeitig haben sich Pachaly und sein Team neuen Herausforderungen gestellt, da der generelle Verbrauch von To-go-Verpackungen bei Speisen und Getränken enorm gestiegen ist: „Im Lockdown haben wir uns daher verstärkt auf den durch die Coronakrise gestiegenen Take-away-Bedarf im Food-Bereich konzentriert. Wir haben richtig Gas gegeben und Rebowl auf die Straße gebracht und so den Kampf gegen den Verpackungsmüll ausgeweitet. In den ersten Wochen haben sich bereits über 120 Partner unserem Pfandsystem für Mehrwegschalen angeschlossen.“
„Der Einwegbecher ist zum Sinnbild der Wegwerfgesellschaft geworden“
2017 gründete Florian Pachaly gemeinsam mit Fabian Eckart das Startup Recup. Das Geschäftsmodell ist letztendlich so aufgebaut, dass Recup eine Lizenzgebühr, eine Art Mitgliedschaftsbeitrag, von seinen Partnerunternehmen erhebt. „Auf diesen Mitgliedschaften bauen wir das Ganze auf, um unabhängig vom Becher zu sein. Wenn wir uns vom Becher abhängig machen, dann würden wir irgendwelche Sondereditionen, Weihnachtseditionen oder andere Specials machen, damit möglichst viele Becher gesammelt werden. Aber wenn wir sagen, wir wollen ökologisch nachhaltig sein, wo wir eigentlich ja auch herkommen, weil wir den Einwegbecher ersetzen wollen, macht es überhaupt keinen Sinn, das System so auszurichten, dass wir möglichst viele Becher verkaufen.“ Daher zahlen auch die Partner zusätzlich zu den Lizenzgebühren die Pfandgebühr für den Becher. „Es verdient niemand etwas an dem Becher, auch die Cafés nicht“, so Pachaly.
Die Kennzahl überhaupt für Recup ist, wie viele Einwegbecher eingespart wurden: Stand 2019 waren es 20 Millionen Becher. „2,8 Milliarden, das ist die Zahl, die in der Luft schwebt. Das Ziel für uns ist jetzt erstmal, dass wir in fünf Jahren eine Milliarde pro Jahr und in zehn Jahren die 2,8 Milliarden einsparen. Unser großes Ziel ist es, den Einwegbecher abzuschaffen.“
„Jetzt ist es an der Zeit, neu zu denken und die eigene (Arbeits-)Zeit wertvoll einzusetzen“
Dass das kein Selbstläufer wird, weiß Pachaly. Der Gründer fragt sich auch vor dem Hintergrund der Coronakrise, ob die Gesellschaft wirklich dazugelernt hat. „Viele Prozesse unserer Gesellschaft sind einfach viel zu schnell wieder aufgenommen worden, einfach in Ermangelung besserer Ideen. Konsumrausch wird durch drei Prozent Mehrwertsteuersenkung wieder angekurbelt, wir retten eine Airline, obwohl wir wissen, dass in Zukunft weniger und bewusster gereist werden sollte.“ Es scheint einfach zu leicht zu sein, den alten Mustern weiter zu folgen, glaubt Pachaly.
Im Changerider spricht Pachaly außerdem darüber, wie er mit seinem Mitgründer das Pfandsystem zunächst getestet und dann weiter aufgebaut hat, über die Erfahrungen als Gründer („Key-Learning ist Transparenz. Typisch deutsch ist es ja, du machst das Produkt fertig, bevor du mit jemandem sprichst. Das haben wir von Anfang an genau andersherum gemacht.“), sie sprechen über Gehältertransparenz im eigenen Unternehmen („Eine ganz schöne Herausforderung.“), über die Fridays-for-Future-Bewegung („Die Politik kommt durch die Bewegung in Zugzwang und es prägt eine ganze Generation.“) und das große Thema Purpose („Letztendlich gründest du ein Unternehmen, nicht um reich zu werden, sondern um ein Problem zu lösen.“).
Für eine weitere Changerider-Fahrt nominiert Pachaly übrigens Katharina Mayer von Kuchentratsch zum Thema Social Entrepreneurship. Sein Appell zum Ende der Fahrt lautete damals: „Leute geht in den ‚Driver-Seat‘. Wir haben vor allem im Umweltschutz richtig viel zu tun. Wir haben nur noch ungefähr fünf bis zehn Jahre und da können wir nicht nur auf die Politik warten. Es gibt unendlich viele Ideen auf der Welt und Firmen, die schon etwas tun, und wenn wir unsere Zeit da rein investieren, dann haben wir ein Purpose für uns und wir werden auch noch richtig was reißen.“ Das ist aus heutiger Sicht nur noch drängender geworden: „Wir können viele Chancen nutzen, Dinge jetzt anders anzugehen. Jetzt ist an der Zeit, neu zu denken und die eigene (Arbeits-)Zeit wertvoll einzusetzen.“
Diese und alle weiteren Folgen, sind als Video und ausführliche Gespräche im Podcast bei Apple Podcast, Soundcloud und Spotify verfügbar oder nachzulesen im Changerider-Buch: „Changerider: Pioniergeister statt Bedenkenträger: Wie mutige Macher aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft unsere Zukunft gestalten“ – überall, wo es Bücher gibt und auf changerider.com.