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Renaturierung am Oder-Delta: Wie Naturschutz ohne Zäune gelingen kann

Von Jo Schilling
Seite 2 / 5
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Die Renaturierung des Baches auf dem Truppenübungsplatz Jägerbrück ist ein kleiner Baustein im großen Biodiversitäts-Puzzle, das ROD zusammensetzt. Und sie ist ein Traumtaler-Fall. Heute geht es darum, sich die Situation vor Ort gemeinsam mit dem Planer anzusehen. Er soll ein Angebot erstellen und dann die Maßnahme umsetzen, sprich: das Rohr aus dem Waldboden ausgraben lassen, eine naturnahe Böschung modellieren, den Bach im Idealfall wieder zum Fließen bringen. Wasserlilien sollen wieder wachsen, Wildtiere trinken und das Bachbett sanft die Umgebung vernässen und so eine neue Lebensader im Wald bilden.

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Aber erst müssen die vier den Verlauf des Rohres finden. Nur ein paar vermooste, verwitterte Betonschächte sind oberirdische Hinweise auf den Bach. Nachdem sie den ersten gefunden haben, wird es leichter, die Hinweise zu lesen: Die Bäume im Rohrbereich sind jünger und kleiner als der umliegende Wald und nach gut 200 Metern ist sogar ein Wall auf dem Rohrverlauf zu sehen. „Hier haben sie damals einfach den Erdaushub wieder drauf geworfen“, vermutet der Planer. Glücklich ist er mit den Fundstellen aber trotzdem nicht. Kein Netz. Zumindest nicht ausreichend, um die Positionsdaten des GPS-Geräts zu korrigieren. Er wird noch einmal wiederkommen müssen und ganz traditionell auf Sicht vermessen.

Das Oder-Delta habe bereits fast alles, was es brauche, sagt Torkler, und man habe sich bewusst gegen Zäune wie in den Niederlanden oder in Sibirien entschieden. Im Zusammenhang mit Rewilding wird häufig von den Big Seven gesprochen, sieben Schlüsselarten, die in einer Region vertreten sein sollten und die ganz unterschiedlich zusammengesetzt sein können. „Wir haben im Oder-Delta die Kegelrobbe, den Wolf, den Seeadler. Elche sind in der Region. Wisente sind noch nicht im Gebiet, aber direkt an den östlichen Grenzen, und der Biber macht schon einen der besten Jobs, die man sich vorstellen kann.“ Außerdem sei das Stettiner Haff ein Anziehungspunkt für wandernde Vogelarten und Gänse und Kraniche stünden säugenden Grasfressern in nichts nach, wenn es um die Grasmenge gehe, die sie vertilgen.

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Torkler ist Naturschützer, Stratege und Netzwerker und so sieht er auch die Aufgabe des ROD. Der Verein ist noch jung – 2019 gegründet – und hat derzeit zehn Mitarbeitende für ein Gebiet von 4.500 Quadratkilometern. Das Rewilding-Gebiet erstreckt sich über mehr als 60 Kilometer von der Ostsee bis nach Stettin im Süden und ebenso weit in Ost-West-Richtung über die deutsch-polnische Grenze. Im Zentrum liegt das Stettiner Haff.

Die Strategie von ROD ist, nicht an allen Schrauben gleichzeitig zu drehen und mit politischer Gewalt Naturschutz über die Bevölkerung zu stülpen. Rewilding im Oder-Delta bedeutet, punktuelle Veränderungen in der Landschaft einzuführen und langfristig ein Landschaftsmosaik zu formen, das Tiere ungehindert wandern und leben lässt. Wildnis zulassen, ist das Motto. Vorzeigegebiet des ROD ist die Flusslandschaft Peenetal, in der der Fluss Peene in das Stettiner Haff mündet. Die Region um die Stadt Anklam hat seit 2011 den Status eines Naturparks und ist das größte Niedermoorgebiet Mitteleuropas. Hier begannen die NABU Stiftung und das Transnationale Netzwerk Odermündung, erste Rewilding Ansätze zu testen. Daraus entstand eine langjährige deutsch-polnische Kooperation mit den „Freunden der Ina und Gowienica Flüsse“ und der „Stepnica Tourismus Organisation“. Sie konzentrierte sich vor allem auf die polnische Seite. Aus ihr ging dann 2019 letztlich der Verein Rewilding Oder Delta hervor.

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Luftaufnahme - Kraniche ziehen über Anklamer Stadtbruch

Bei einer Sturmflut im November 1995 brachen die Deiche des Anklamer Stadtbruchs und das Gelände im Peenetal verwandelte sich in eine wilde Landschaft, über die heute Kraniche ziehen. (Bild: Florian Möllers / Rewilding Europe)

Verwildern im Sinne von Renaturieren ist jedoch nur ein Aspekt von Rewilding als Wildnis- und Prozessentwicklung. An dieser Stelle offenbart sich die fundamentale Neuerung, die hinter dem Begriff steckt: Naturschutzgebiete, Natura-2000-Zonen, Biosphärenreservate – hinter all diesen traditionellen Naturschutzkonzepten steht heute noch eine Idee aus den 1970er-Jahren: Natur, wo sie noch funktioniert, soll bewahrt werden. Tier- und Pflanzenarten, die auf der Roten Liste stehen, sollen durch die Schutzkonzepte genau dort bleiben, wo sie sich zum Zeitpunkt X ihre Nische eingerichtet haben. Der Fokus dieses protektionistischen Naturschutzansatzes liegt auf Stillstand. „Nehmen wir das Beispiel Natura-2000-Flächen“, sagt Josiane Segar, Wissenschaftlerin am Deutschen Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) Halle-Jena-Leipzig. „Die sind meistens so stark beschützt, dass sie sich nicht natürlich verändern können. Aber es ist Teil der Natur, dass Dinge sich verändern, dass Arten kommen und gehen. Vielleicht gibt es diese besondere Rote-Liste-Art dann irgendwann in der Zone nicht mehr, aber dafür in einem benachbarten Gebiet.“

Rewilding ermögliche nun, diese benachbarten Gebiete mit in das Natur-Konzept einzubeziehen. Es bedeutet ein Stück loszulassen, zu akzeptieren, dass Natur sich verändert, und sie in großen Gebieten zu beobachten. Im besten Fall stellt man dann fest, dass der Zustand der Natur, der Biodiversität, sich in der Fläche positiv entwickelt hat – auch wenn die geschützte Art vielleicht aus ihrer Schutzzone ausgewandert ist.

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