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Wie du Fehlentscheidungen verhinderst

„Der hat ja gar nichts an!“ Im Märchen „Des Kaisers neue Kleider“ rettet ein Kind den Kaiser und sein Volk vor einer Riesenblamage. Warum Unternehmen genau solche Stimmen brauchen, um die richtigen Entscheidungen zu treffen.

Von Alexandra Vollmer
3 Min. Lesezeit
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Keine Gegenstimme? Unternehmen mit einer geistigen Monokultur, riskieren gefährliche Fehlentscheidungen. (Foto: Akarawut/Shutterstock)

Da steht diese Idee im Raum. Auch bei näherem Hinsehen wird sie nicht besser. Eigentlich müsste jetzt jemand aufstehen und sie vom Tisch fegen. Und doch herrscht betretenes Schweigen in der Runde. Niemand möchte derjenige sein, der die Kritik laut ausspricht. „Man wirft einen vorsichtigen Blick nach rechts und nach links und merkt, dass die anderen still sind“, beschreibt Autorin und gefragte Vortragsrednerin Anja Förster die Situation in ihrem Blogbeitrag. „Und langsam beginnen die Anwesenden, an ihrer eigenen Einschätzung zu zweifeln.“

Gefährliches Gruppendenken

Die schlechte Idee wird durchgewunken. „Nachdem die Entscheidung gefallen ist, steigt der Druck auf jeden Einzelnen, der Gruppenmeinung zuzustimmen“, so Förster. „Und irgendwann kommt dann der Punkt, wo es kein Zurück mehr gibt.“ Eine schlechte Idee kommt zum Einsatz. Wie kann das passieren? Der Grund liegt im sogenannten Gruppendenken: Die Menschen im Unternehmen denken und handeln immer ähnlicher. Die seltenen Abweichler haben es zunehmend schwerer. „Dieser Prozess geschieht unabsichtlich, unbemerkt und schleichend“, stellt Förster fest. „Über die Jahre hinweg ist ein Unternehmen erfolgreich geworden, die Mitarbeiter entwickeln eine starke Verbundenheit mit der Organisation und teilen gemeinsame Werte und Ziele.“ Diese Werte und Ziele würden verteidigt und in vielen Gesprächen und Meetings verbreitet. Irgendwann würden auf dem Arbeitsmarkt nur noch Menschen angesprochen, die so ticken wie das Gros der vorhandenen Mitarbeiter. „Und wer noch nicht ganz passt, der wird eben passend gemacht.“ So werde im Unternehmen die Vielfalt des Denkens langsam, aber stetig zurückgedrängt. Die vorherrschende Unternehmenskultur schnüre das so wichtige unabhängige und konträre Denken ab und erzeuge eine geistige Monokultur.

Dynamik braucht Dissens

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„Wer in komplexen Situationen – also heutzutage praktisch immer – gute Entscheidungen treffen will, der muss abweichende Meinungen nicht nur dulden, sondern er braucht sie dringend“, ist Förster überzeugt. „Er muss Andersdenker, Mitarbeiter mit schrägen Ideen, nicht nahe liegenden Meinungen und unkonventionellen Vorschlägen geradezu einladen.“ Diese Rebellen seien wichtig – nicht, weil sie sich tendenziell immer durchsetzen, sondern weil sie eingefahrene Routinen stören und das Denken stimulieren. Ein Unternehmen, das auf solche Impulse verzichtet, verharre in tradierten Denkschleifen, riskiere Fehlentscheidungen am laufenden Meter und setze damit die eigene Zukunft aufs Spiel. „Spätestens, wenn sich das Marktumfeld stark ändert, ist genau das Gegenteil von Gruppendenken gefragt“, so Förster. „Abweichende Meinungen liefern Ideen zu neuen Lösungen.“ Deswegen seien Non-Konformisten so wertvoll und sollten unter Artenschutz gestellt werden. Wirtschaftspsychologische Studien bescheinigen Unternehmen jedoch das Gegenteil. Demnach würden sich Führungskräfte ausgerechnet in Zeiten starker Veränderungen oder Krisen verstärkt auf den Rat der Kollegen stützen, die genau ihren Standpunkt teilen. Sie ziehen gerade dann, wenn es darauf ankommt, den bequemen Konsens dem unbequemen Dissens vor.

„Der hat ja gar nichts an!“

Viele werden es kennen, das Märchen „Des Kaisers neue Kleider“. Ein cleveres Bürschchen suggeriert dem Kaiser und seinen Untertanen, dass es Kleider fertigen könne, deren ausgesuchte Schönheit nur kluge Menschen sehen könnten. Als der Kaiser nun nackt vor sein Volk tritt, schauen alle betreten vor sich hin. Niemand wollte zugeben, dass er die Kleider nicht sieht. Bis endlich ein Kind dem Spuk ein Ende macht. Es schert sich einen Teufel um die Mehrheit und spricht die Sache aus. Genau solche Warnsysteme bräuchten Unternehmen, um Gefahren zu erkennen und neue Wege einschlagen zu können.

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Google hat dafür ein eigenes System gebaut. Der ehemalige Personalchef Laszlo Bock führte für den HR-Bereich sogenannte Kanarienvogelgruppen ein. Die Kanarienvögel sind Mitarbeiter aus ganz unterschiedlichen Hierarchieebenen und Unternehmensbereichen. Sie verfügen über eine strategische Weitsicht und haben kein Problem damit, ihre Haltung deutlich und auch gegen vorherrschende Überzeugungen zu äußern – und damit notfalls auch anzuecken. Eine Idee aus dem Bergbau: Die Kumpels nahmen sich früher einen Kanarienvogel in einem tragbaren Käfig mit unter Tage. Solange der zwitscherte, war alles in Ordnung. Aber sobald der Kanarienvogel verstummte, drohte der Einbruch von Grubengas und damit die Gefahr zu ersticken oder vergiftet zu werden. Dann wurde es höchste Zeit, die Grube zu verlassen. „Diese Kanarienvogelgruppen bei Google sind Fokusgruppe und Frühwarnsystem in einem“, erklärt Förster. „Sie bieten Andersdenkern Raum und sorgen für das kritische Hinterfragen im Vorfeld von wichtigen Entscheidungen.“ Dabei gehe es nicht darum, die Kanarienvögel bei jeder klitzekleinen Entscheidung, um ihren Input zu bitten – jedoch bei solchen, die weitreichende Folgen haben.

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Mehr zum Thema: Managementforscher: „Für gute Entscheidungen braucht es kein Talent“

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