Sabbatical: Startup-Team schenkt sich selbst einen Monat pro Jahr – voll bezahlt

Vor wenigen Wochen hat Waldemar Zeiler auf Linkedin angekündigt, sich ein Sabbatical zu gönnen. Der Einhorn-Mitgründer berichtet dort, dass er zuletzt häufig nicht ganz bei der Sache war: „Zu oft war ich in den letzten Monaten und vielleicht sogar Jahren abwesend, obwohl ich von außen betrachtet mit Sicherheit ziemlich anwesend und tüchtig wirkte“, schreibt der Unternehmer. Er habe zwar viele Dinge gemacht und war oft sehr beschäftigt, aber richtig anwesend im Hier und Jetzt sei er „eher selten“ gewesen, so Zeiler. Sechs Monate möchte er sich nun rausziehen. „Diese Vorstellung gibt mir viel Kraft und Hoffnung.“
Sabbatical für alle – egal ob Teil- oder Vollzeitkraft
Mit dem 28. Juni fange diese Auszeit an, verkündet er nun auch auf Instagram und verrät in einer Story, dass auch Kolleginnen und Kollegen dieses Privileg erhalten. Dort veröffentlicht er jetzt eine Guideline, die dem ganzen Team ein Sabbatical ermöglichen solle. Darin steht unter anderem: „Mit dem Einhorn-Sabbatical wollen wir eine persönliche Auszeit ermöglichen, die für verschiedene Themen genutzt werden kann.“ Zeiler nennt unter anderem Chancen zur Selbstfindung und zur Erholung. Lediglich eine Ausnahme gebe es: Zeit, um anderweitig finanzielles Einkommen zu erzielen, sei der Benefit nicht.
Für jedes Jahr der Betriebszugehörigkeit gebe es einen Anspruchsmonat – unabhängig davon, ob jemand in Teil- oder Vollzeit arbeite und neben dem Urlaubsanspruch. Jedes Team-Mitglied bekomme die Auszeit voll bezahlt. Das Sabbatical könne frei geplant werden, egal ob beispielsweise alle Monate am Stück oder gestaffelt. Solange sich Guthaben auf dem Konto befinde, könne es flexibel genutzt werden, heißt es im Dokument. Es sei lediglich frühzeitig anzukündigen und müsse im Team besprochen werden. Es sei tendenziell auch möglich, dass Kolleginnen und Kollegen gleichzeitig eine Auszeit nähmen.
Außergewöhnlich ist zudem, dass das Team selbst darüber entscheiden durfte, ob es diesen Benefit künftig geben wird oder nicht. Im Gespräch mit t3n erklärt Mitgründer Philip Siefer, dass in dem Betrieb ein sogenannter People-Rat über sämtliche interne Belange abstimmt. „Waldemar hat zuvor das Team darum gebeten, ein Sabbatical machen zu dürfen, damit er sich länger erholen kann ohne aus dem Unternehmen ausscheiden zu müssen.“ Der Rat willigte ein und habe daraufhin beschlossen, dass auch andere Mitarbeitende diese Möglichkeit haben sollen. Die Entscheidung sei im Konsent gefallen.
Bei Einhorn sei man der festen Überzeugung, dass ein Sabbatical keine Kosten verursache, sondern durch den damit entstehenden Fokus und der neu gewonnenen Klarheit einzelne Personen sowie am Ende auch das ganze Unternehmen profitieren. Mit dem Vorstoß ebnen Waldemar Zeiler und sein Kompagnon Philip Siefer einen weiteren Schritt in Richtung sinnstiftende Unternehmenskultur. Als purpose-driven Company ist das Berliner Startup bereits in der Vergangenheit mit derartigen Benefits aufgefallen. So konnten Mitarbeitende schon 2016 über die Anzahl ihrer Urlaubstage frei entscheiden.
Als Autor des Sachbuchs „Unfuck the Economy“ hat Waldemar Zeiler sich zudem publizistisch mit einer nachhaltigeren Wirtschaft beschäftigt. Er plädiert darin für „für neue Werte, eine neue Wirtschaft und ein besseres Leben für uns alle“. Prinzipien wie „Eigentum verpflichtet“ müssten seiner Auffassung nach wieder stärker in den Fokus rücken. Dazu zähle auch, die Arbeitswelt für Mitarbeiter:innen sinnvoller und schlussendlich auch für die Gesellschaft nachhaltiger zu gestalten. Sein Plädoyer unterstützt Maja Göpel, eine deutsche Politökonomin und Nachhaltigkeitsexpertin, in ihrem Vorwort.
Auf Nachfrage von t3n erklärt er, was er in seinem Sabbatical nun konkret anstellen will. Neben mehr gemeinsamer Zeit mit dem Sohn möchte er die Auszeit mit Meditation, Sport und dem Erlernen neuer Dinge verbringen. Angesprochen darauf, warum er sechs Monate als ideal empfindet, gibt er im Gespräch zu verstehen: „Während meiner letzten Auszeit vor Einhorn habe ich gelernt, dass ich erst nach drei Monaten abschalten konnte. Sechs Monate sind aber auch nicht so lang, dass mich alle vergessen.“ Sein Anliegen sei es, in den kommenden Monaten neue Erkenntnisse über sich und die Welt zu erlangen.