Silicon Valley-Trend „Data Refineries“: Jobs werden durch Tools ersetzt, Startups profitieren
Silicon Valley-Tipp: „Wendet euch zuerst an B-Investoren, die nicht ganz oben mitspielen“
In einer Interview-Reihe befragen wir Menschen, die einen vertieften Einblick in die Silicon Valley Startup-Szene haben, nach ihrer Einschätzung zu aktuellen Trends und den Besonderheiten des kalifornischen Tech-Hotspots. Heute antwortet Bjoern Herrmann (28), der mit seinem aktuellen Projekt Startup Genome Unternehmertum wissenschaftlich erhebbar machen will und Gründern mit dem Startup Compass ein Tool an die Hand gibt, mit dem sie bessere Produkt- und Geschäftsentscheidungen treffen können.
Welche Web- und Startup Trends zeichnen sich aus deiner Sicht gerade ab?
Ein grosser aktuellen Trend ist das Thema „Data Refinery“, also das Verarbeiten von großen Mengen von minderwertigen Daten zu hochwertigen Daten. Das war vor zwei bis drei Jahren so noch nicht möglich. Durch die Data Refineries werden viele der Jobs, die heute von gut ausgebildeten Menschen wie Doktoren, Anwälten, Lehrern, Beratern und Analysten ausgeführt werden, ersetzt. Es wird Diagnose-Tools geben für Krankheiten, jeder hat Zugriff auf kostengünstige Gesundheits-Tracking-Instrumente.
Im Bereich Bildung wird es Lösungen geben, die sich an den eigenen Wissensstand anpassen und somit die Eigenschaften eines Lehrers suggerieren. Und für Unternehmen kommen Werkzeuge auf den Markt, mit denen sich Unternehmensprozesse automatisieren lassen. Das kommt vor allem Startups und KMUs zugute, die sich McKinsey oder Ernst & Young nicht leisten können. Allerdings wird diese Gesamtentwicklung auch schmerzhaft werden: Ein Großteil der Serviceindustrie wird durch “Data Refineries” ersetzt werden und Leute müssen in andere Berufe wechseln.
Was ist aus deiner Sicht der Grund dafür, dass so viele Startups aus dem Valley zum Global Player werden?
Zunächst einmal ist die Masse an Unternehmen im Valley viel größer als anderswo. Das Ökosystem hier beinhaltet etwa so viele Tech-Startups wie alle anderen US-Ökosysteme zusammen. Dadurch ist die Chance, Global Player hervorzubringen, natürlich größer. Auch gibt es dadurch mehr lokalen Wettbewerb, was den Druck auf Unternehmen gerade in der Anfangsphase erhöht und sie antreibt.
Darüber hinaus ist das Ökosystem im Silicon Valley einfach schon weiter entwickelt als andere Ökosysteme. Es gibt sowohl Early Stage Capital als auch Late Stage Capital. Alle wichtigen Ressourcen sind in unmittelbarer Reichweite, zum Beispiel auf globale Verträge und geistiges Eigentum spezialisierte Anwälte und Investoren. Dadurch sind die Transaktionskosten für Unternehmen viel geringer als in Berlin und alles geht schneller.
Der größte Faktor ist jedoch die hohe Konzentration an guten Leuten hier. Die Hälfte der Unternehmen wurde von Immigranten gegründet. Das zeigt auf, dass das Silicon Valley ein massives Gravitationszentrum ist für Talente im Technologie- und Gründerbereich aus aller Welt. Sobald es genügend erfolgreiche Menschen in einem Ökosystem gibt, sind diese wiederum die stärksten Indikatoren für neue erfolgreiche Unternehmen. Sie ziehen selbst wieder Talente an, bilden sie aus und geben ein Beispiel, wie man hochskalierbare Unternehmen aufbaut. Ein Großteil der Leute, die nicht im Silicon Valley bleiben, haben übrigens wiederum signifikanten Einfluss auf das Wachstum in anderen Ökosystemen.
Welchen Tipp kannst du Gründern und Neuankömmlingen im Valley mit auf den Weg geben?
Für Neulinge: Baut so schnell wie möglich einen Prototypen! Hier im Valley könnt ihr von einem unglaublichen Erfahrungsschatz profitieren und bekommt einen konstanten Feedback-Zyklus für euer Produkt. Die Qualität des Feedbacks unterscheidet sich massiv von anderen Ökosystemen wie Berlin und London.
Und wenn der Prototyp gebaut und Feedback eingeholt wurde?
Sprecht auf jeden Fall noch nicht gleich die Top-Investoren an sondern pitcht erst einmal vor anderen Gründern, am besten vor Gründern aus euerm Bereich. Dann wendet euch an B-Investoren, die nicht ganz oben mitspielen: So könnt ihr üben und schauen, ob und wie ihr Finanzierungsrunden abschließen könnt. Am besten kommt ihr an Investoren heran über andere Gründer, die bereits finanziert werden und euch bei ihren Investoren vorstellen können. Dies sind die stärksten und qualitativ besten Introductions, die man bekommen kann.
Was rätst du Gründern, die mit ihrem Startup schon einen Schritt weiter sind?
Wenn ihr mit eurem Unternehmen schon weiter seid, gibt es andere Herausforderungen. Im Valley haftet internationalen Startups oft das Stigma an, dass sie Copycats sind und nicht dieselbe Qualität haben wie hier gegründete Unternehmen. Deshalb braucht ihr so viel „Social Validation“ wie nur möglich, zum Beispiel indem US-Medien über euch schreiben oder einflussreiche Gründer und Investoren sich für euch aussprechen. Dieses System ist natürlich eine Hürde, weil dadurch der schönste Businessplan und die beste Präsentation nicht ausreichen, um entdeckt zu werden. Andererseits funktioniert auf diese Weise vieles schneller als in anderen Ökosystemen.
Was sind deine Lieblings-Anwendungen?
Ich bin da recht minimalistisch. Was ich gerne nutze ist:
- Github: Ein Dienst, mit dem verschiedene Menschen gemeinsam an Codes arbeiten können
- Sublime Text: Texteditor zum programmieren
- Darüber hinaus: Chrome, Terminal, Excel
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