Simulierte Schiffsunglücke sind der neueste Tiktok-Trend
Fast jede Nacht sitzt der 27-jährige Alex Reifsnyder vor seinem Computer und lässt stundenlang Schiffe sinken. Er lässt mächtige Schlachtschiffe in bester Titanic-Manier gegen Eisberge fahren, sie von Flutwellen erfassen und auf den Meeresboden drücken oder schickt sie mit einem Inferno aus Blitzen auf den Grund.
Wer jetzt denkt, dass Reifsnyders Hobby was für einsame alleinstehende Nerds ist, liegt falsch. Mit seinen Simulationen begeistert „an_angry_flyy“ fast 170.000 Follower bei Tiktok. Für die Nutzer scheint es ein großer Spaß zu sein, Schiffen beim Sinken zuzusehen. Ein Blick in die Kommentarspalte unter den Videos genügt, um zu dieser Annahme zu gelangen.
Immer wieder fordern Zuschauer den Hobby-Schiffeversenker auf, weitere Zerstörungsszenarien zu simulieren. Manche wünschen sich Feuer an Bord oder eine Explosion, die das Schiff zum Sinken bringt, andere fragen nach der physikalisch unrealistischen Option, bei der das Schiff aus dem Himmel fällt und auf der harten Wasseroberfläche zerschellt.
Keine reine Spaßveranstaltung, sondern auch Physiklehre
„Ich habe mich schon immer für die Titanic, die Britannic und die Lusitania interessiert. Ich habe mir viele Geschichtsvideos zu diesen Schiffen angesehen“, sagte Reifsnyder gegenüber The Guardian. „Viele Leute finden es wirklich befriedigend“, erklärte er. „Es ist eigentlich ziemlich therapeutisch, Boote sinken zu sehen. In meinen Streams schaffe ich eine sehr entspannende und integrative Umgebung für alle und jeden.“ Mehr als 1,7 Millionen Menschen sahen Anfang Oktober zu, wie das virtuelle Abbild des deutschen Weltkriegsschlachtschiffs Bismarck sank. Das beliebteste Video kommt sogar auf 21 Millionen Aufrufe. Zu sehen ist dort abermals die Bismarck, offenbar ein gern gesehenes Versenkungsopfer. Während im Hintergrund Hans Zimmer den Interstellar-Soundtrack spielt, wird das Schiff von einer unnatürlich hohen Welle in die Luft gehoben und in zwei Teile gerissen.
Reifsnyder fand mit den sinkenden Schiffen seine Nische, nachdem er zuvor den Egoshooter „Call of Duty“ streamte, sich aber keine Fanbase aufbauen konnte. Neben dem Entspannungseffekt für seine Zuschauer betrachtet der Streamer seine Inhalte auch als lehrreich. „Hier dreht sich alles um Geschichte, und wir lernen hier Physik“, so Reifsnyder. „Hydrodynamische Physik wird im Spiel berücksichtigt, Thermodynamik wird berücksichtigt, Schwerkraft wird berücksichtigt.“