Tobin Richardson ist Chef der CSA, einer Hersteller-Vereinigung, die aus der Zigbee-Allianz hervorgegangen und seither weiter gewachsen ist. Inzwischen gehören 200 Unternehmen und 2.000 Einzelpersonen zu der Allianz, die erkannt hat, dass der Smarthome-Markt nicht viele Walled Gardens, sondern einen interoperablen und offenen Standard braucht, der es jedem Hersteller ermöglicht, seine Produkte hinzuzufügen. Noch im Mai hatte Richardson prognostiziert, dass dieser offene Standard, der seither Matter heißt, Ende 2021 seine ersten Produkte am Markt sehen würde.
Die Software braucht noch
In einem aktuellen Blogbeitrag zieht der CSA-Chef diese Prognose zurück. Jetzt geht er von ersten Produkten etwa Mitte 2022 aus. Die Verzögerungen lägen im in Arbeit befindlichen Werkzeugkasten begründet, so Richardson. Vor allem das Software-Development-Kit (SDK), das die Hersteller benötigen würden, um ihre Geräte auf der Software-Seite sicher standardkompatibel zu machen, benötige noch Zeit. Auch andere Software-Tools seien demnach länger als geplant in Arbeit.
Dabei handele es sich indes nicht um Verzögerungen im eigentlichen Sinne, sondern eher um das Commitment zu einer Qualität, die den hohen Erwartungen des Marktes auf jeden Fall gerecht werden soll. Mit anderen Worten: die CSA will ganz besonders sorgfältig arbeiten. So kommuniziert es die CSA.
Andere Quellen machen durchaus die Corona-Pandemie für einige der Verzögerungen verantwortlich. Nachdem das SDK dann voraussichtlich in der ersten Hälfte 2022 erschienen sein wird, werde das Zertifizierungsprogramm für die Matter-Devices der Hardware-Hersteller gestartet.
Schnelle Produktentwicklung auf Basis des SDK möglich
Anders als bei einer rein theoretischen Standard-Definition wird es Matter tatsächlich ermöglichen, Herstellern eine Art Autobahn zum Markteintritt zu sein. Immerhin erhalten sie mit dem SDK und weiteren Tools eine komplette Programmierumgebung für die Einbindung ihrer Hardware. Dadurch, dass Matter quelloffen ist und breit unterstützt wird, sollte die Umsetzung des neuen Standards zu einem Geräteangebot führen, dass maximal interoperabel ist.
Für Käuferinnen und Käufer bedeutet das, dass sie bei ihren Kaufentscheidungen nur mehr auf Matter-Kompatibilität achten müssen. So ausgezeichnete Geräte werden untereinander kommunizieren können. Google hat bereits angekündigt, alle Nest– und Android-Produkte Matter-kompatibel zu machen. Auch die beliebten Philips-Hue-Produkte von Signify sollen den Standard nutzen. Zu der schnellen Verbreitung des IP-basierten Smarthome-Protokolls soll neben seinen technischen Vorzügen auch der Umstand beitragen, dass für die Nutzung keine Lizenzgebühren anfallen.
Das ist Matter
Matter stellt eine deutliche Erweiterung des bisherigen Zigbee-Standards dar, der eher als Standard auf kleiner Flamme, vornehmlich für Beleuchtungssysteme, bekannt und beliebt geworden war. Allerdings hatte Zigbee das „Problem“, dass sein Standardisierungsgrad ebenfalls auf kleiner Flamme stand, sodass Gerätehersteller ihn proprietär erweitert oder teils umgebogen hatten. Echte Interoperabilität war so nicht gegeben.
Da sich das Kundenverhalten nicht – wie gewünscht – den Vorstellungen der Hersteller, alles aus einer Hand zu kaufen, anpassen ließ, war schnell klar, dass es eines übergreifenden Standards bedarf, der die Smarthome-Vernetzung aus Sicht des Kunden und nicht aus Sicht des Herstellers denkt. So soll Matter im Grunde andere, eigentlich tatsächlich alle anderen Smarthome-Protokolle überflüssig machen – vielleicht noch KNX und Enocean ausgenommen.