Snap-IPO: Warum Evan Spiegel das Twitter-Gespenst noch lange verfolgen dürfte

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Kurzer Aufstieg, schneller Fall
Doch der Höhenflug dauerte nur genau 24 Stunden. Schon am zweiten Handelstag setzten Gewinnmitnahmen ein, die sich in der vergangenen Woche massiv ausweiteten: Zwei Handelstage später wurden Snaps Anteilsscheine bis auf 20,64 Dollar nach unten durchgereicht – ein saftiger Absturz von 30 Prozent, der in der Spitze 12 Milliarden Dollar ab Börsenwert ausradierte. ??Auch wenn sich Snap seitdem wieder leicht fangen konnte, erinnert das Muster an einen anderen Social-Media-Liebling, mit dem CEO Evan Spiegel so gar nichts zu tun haben will – Twitter. Auch der 140-Zeichen-Dienst legte bei seinem Börsengang im November 2013 zunächst furios zu. Vom Ausgabekurs bei 26 Dollar zog der Kurznachrichtendienst binnen weniger Wochen sogar bis auf 70 Dollar ab und war zu diesen Höchstkursen ebenfalls kurzzeitig über 40 Milliarden Dollar wert.
Mit hohen Verlusten an die Börsen: Snap ist auf den Spuren von Twitter
Wie Snap startete auch Twitter hoch defizitär an der Wall Street. Der 140 Zeichen-Dienst setzte im Geschäftsjahr 2013 665 Millionen Dollar um, verlor dabei aber happige 645 Millionen Dollar; der Messenger-App-Anbieter mit dem Geisterlogo erlöste im vergangenen Geschäftsjahr 373 Millionen Dollar, verlor allerdings ebenfalls saftige 514 Millionen Dollar. In anderen Worten: Snaps Verluste waren 2016 sogar noch deutlich höher als die Umsätze!
Nun wettet die Wall Street bei Snap aggressiv auf eine Umsatzexplosion: Die Erlöse sollen sich in diesem Jahr auf rund 1,1 Milliarden Dollar verdreifachen und sich 2018 nochmals fast auf 2,15 Milliarden Dollar verdoppeln, sagen die aktuellen Konsensschätzungen der Analysten voraus. Das wäre eine dynamischere Entwicklung als bei Twitter, das seine Umsätze 2014 um 110 Prozent und im Folgejahr um 58 Prozent steigern konnte. 2016 legten die Erlöse dann nur noch um 14 Prozent zu. ??Twitter als mahnendes Beispiel??: Geld verdient hat der 140 Zeichen-Dienst bis heute nicht.
Das Minus wurde in den vergangenen drei Jahren zwar von 645 auf 456 Millionen Dollar verkleinert, doch weil CEO Jack Dorsey bislang nicht annähernd an die Breakeven-Schwelle herangerückt ist, während das Umsatzwachstum zuletzt sogar zum Erliegen gekommen ist, hat die Wall Street längst die Reißleine gezogen und die Twitter-Aktie wie eine heiße Kartoffel fallen lassen – aus einst 70 Dollar sind bis heute ganze 15 Dollar geworden.
Ob Snap Twitters Negativbeispiel folgt oder eine ganz eigene Erfolgsgeschichte schreibt, die am Ende vielleicht doch an Facebook erinnert, erscheint aktuell noch völlig offen. Was Snap jedoch in den kommenden Jahren wie Twitter belasten dürfte, ist die nicht vorhandene und auch nicht einmal absehbare Profitabilität.
Erst in vier Jahren profitabel? ??„Wenn unsere Umsätze nicht schneller wachsen als unsere Ausgaben, werden wir die Profitabilität nicht erreichen oder halten können“, warnte Snap selbst in seinem Börsenprospekt. Der Wagnisfinanzierer Goodwater Capital rechnet etwa damit, dass Snap erst in vier Jahren schwarze Zahlen schreiben dürfte.

Snapchat-CEO Evan Spiegel (Foto: dpa)
Das mahnende Beispiel von Twitter beweist allerdings, dass die launische Wall Street schlagartig die Geduld verlieren kann, wenn die eingepreisten Erwartungen nicht erfüllt werden. Und die sind bei Snap nach den ersten Börsentagen weiter turmhoch: Mit einer Marktkapitalisierung von 32 Milliarden Dollar ist Snap aktuell knapp dreimal so wertvoll wie Twitter oder fast fünfmal so wertvoll wie der Dax-Konzern Deutsche Lufthansa.
Snap darf sich keine Fehler erlauben
In anderen Worten: Snap ist auch nach dem zweistelligen Kursrutsch auf gegenwärtigem Niveau weiter priced for perfection. Bei derart luftigen Bewertungen darf in den kommenden Quartalsbilanzen nicht ein Haar in der Suppe zu finden sein, das Erinnerungen an Twitter aufkommen lassen könnte.
Um sich vom 140 Zeichen-Dienst zu distanzieren, hatte Snapchat-Chef Evan Spiegel einst sämtliche Tweets gelöscht und seine Pressesprecherin neckisch kommentieren lassen: „Evan zieht es vor, in der Gegenwart zu leben, nicht in der Vergangenheit.“ An der Wall Street jedoch könnte Spiegel das Twitter-Gespenst umso länger verfolgen …