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Wahlprogramm im Digitalcheck: Was will die SPD?

Mit „Zeit für mehr Gerechtigkeit“ überschreibt die SPD ihr Wahlprogramm. Doch was bedeutet das für die Digitalpolitik? Die Sozialdemokraten im t3n.de-Digitalcheck zur Bundestagswahl 2017.

Von Daniel Hüfner
7 Min. Lesezeit
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Wahlprogramm im Digitalcheck: Was will die SPD? (Grafik: dpa / t3n.de)

Gelingt der SPD um Kanzlerkandidat Martin Schulz die erhoffte Erneuerung? Wird sie ihrem selbst auferlegtem Ziel, die Union endlich als stärkste politische Kraft im Bundestag ablösen zu wollen, gerecht? Diese Fragen stehen für viele Wähler im Mittelpunkt der diesjährigen Bundestagswahl am 24. September.

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Auch wenn die Umfragewerte sowie der Wahlausgang in Nordrhein-Westfalen keinen Erfolg der SPD erwarten lassen, hat die Partei ihr Wahlprogramm selbstbewusst mit „Regierungsprogramm 2017 – 2021“ unterschrieben. Wenig überraschend steht dabei besonders ein Thema im Mittelpunkt: soziale Gerechtigkeit.

Zwar finden die Sozialdemokraten zunächst einige lobende Worte für die wirtschaftliche Lage in Deutschland. So sei beispielsweise die Arbeitslosenzahl auf dem niedrigsten Stand seit Jahrzehnten und es gebe wieder mehr sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze. Auch die Reallöhne seien wieder gestiegen. Dennoch sieht die SPD nicht alle Bürger an der starken Wirtschaft beteiligt. Wachsende Ungleichheit bei Einkommen und Vermögen gefährden demnach die Zukunftschancen. „Wachstum, solides Haushalten, soziale Gerechtigkeit und der Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen“ proklamiert die SPD deshalb als Kernelemente ihrer politischen Ziele. Doch was bedeutet dies für die Digitalpolitik?

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Auch digitale Arbeit muss sozialverträglich sein

Im Grundtenor zeigt sich die SPD in ihrem Wahlprogramm gegenüber der Digitalisierung zwar aufgeschlossen – die Chancen werden an vielen Stellen betont. Jedoch muss digitale Arbeit in den Augen der Partei immer auch auch sozialverträglich sein. Gefordert seien deshalb „gesetzliche Rahmenbedingungen, tarifvertragliche Regelungen und eine betriebliche Ausgestaltung“.

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Als eine konkrete Maßnahme schlagen die Sozialdemokraten zum Beispiel eine „Klarstellung des Rechts auf Nichterreichbarkeit“ vor – eine unter Gewerkschaften beliebte Forderung. Damit soll die zunehmende Zahl der psychischen Belastungen am Arbeitsplatz verringert werden. Das Vorbild könnte Frankreich sein, wo seit dem 1. Januar ein solches Gesetz gilt. Über die konkrete Ausgestaltung für die deutsche Wirtschaft schweigt sich die SPD aber aus.

Zuschuss für „digitale Ausrüstung“

Darüber hinaus will sich die SPD für ein „Wahlarbeitszeitgesetz“ einsetzen, das der flexibleren Arbeitszeitgestaltung durch die Digitalisierung Rechnung tragen soll. Zudem soll es bei der Wahl des Arbeitsorts künftig mehr Möglichkeiten geben als bisher. Ob damit ein wie bereits in den Niederlanden geltendes Recht auf Homeoffice gemeint ist, geht aus den Ausführungen der SPD allerdings ebenfalls nicht hervor.

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Unternehmen wollen die Sozialdemokraten beim digitalen Wandel gleichzeitig unterstützen. Für „digitale Ausrüstung“ sollen kleine und mittlere Unternehmen einen nicht näher bezifferten Zuschuss erhalten. Dieser soll aber nicht per se jedem Unternehmen zustehen, das irgendwas mit Digitalisierung macht. Zuschüsse soll nach Angaben der SPD nur erhalten, wer sich zuvor beraten lässt und ein „Digitalisierungskonzept“ vorlegt. Das klingt nach erstaunlich viel Bürokratie, wenn man bedenkt, dass die Sozialdemokraten in ihrem Programm gerade in diesem Bereich für Verbesserungen in der nächsten Legislaturperiode werben.

SPD will sich für „Gründersabbatical“ einsetzen

Besonders Unternehmen sieht die Partei nämlich von Behördenschranken behindert. „Unnötige Bürokratie“ soll deshalb abgeschafft werden und „das Ausfüllen von Formularen“ der Vergangenheit angehören. Bedeutet: Kleine und mittlere Unternehmen sowie Selbstständige sollen von Statistik-, Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten befreit werden. Welche das im Detail sind, verrät die SPD nicht. Allerdings verweist man auf die bereits durchgesetzte Erhöhung der steuerlichen Sofortabschreibung geringwertiger Wirtschaftsgüter.

Ob das reicht? Wünschenswert aus Sicht vieler Gründer wäre beispielsweise ein deutlich vereinfachtes Verfahren für die Unternehmensgründung. Vor allem Notare, die Vertragstexte noch einmal stundenlang vorlesen, gelten als Sinnbild für den Nachholbedarf der Bundesregierung. Zwar positioniert sich die SPD in ihrem Programm nicht konkret zu dem Notarproblem.

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Trotzdem wollen die Sozialdemokraten „mehr Bereitschaft für Innovationen und einen noch stärkeren Gründergeist“. So sollen „E-Government-Lösungen“ Gründern den Zugang zu staatlichen Förderprogrammen erleichtern. Zudem will die SPD die „Rahmenbedingungen für Wagniskapital“ in Deutschland „weiter verbessern“ – darüber lässt sich insofern streiten, als die SPD maßgeblich an den in der Gründerszene umstrittenen Vorhaben zum „Anti-Exit-Gesetz“ beteiligt war.

Ein Highlight dürfte indes das „Gründersabbatical“ sein, das die SPD in ihrem Programm als Antwort auf die zuletzt rückläufigen Unternehmensgründungen präsentiert. Beschäftigte an Hochschulen sollen demnach ein Recht auf eine Auszeit bekommen, in der sie ein Unternehmen gründen können. Auch Studenten und Wissenschaftler sollen durch Gründungsfreisemester sowie eine stärkere Verankerung von Unternehmensgründungen in der Lehre zu mehr Risikobereitschaft sensibilisiert werden. Die Idee ist gut, keine Frage. Leider lässt die SPD auch hier wichtige Fragen zu Finanzierung und Ausgestaltung offen. Immerhin: Auf die chronisch unterrepräsentierten Frauen in der Gründerszene geht die SPD in ihrem Programm gezielt ein. Es soll einen besseren Zugang zu Gründungskapital und eine auf die Bedürfnisse von Frauen angepasste Beratung und Unterstützung geben.

Weniger Bürokratie, mehr freie Software

Einen großen Hemmschuh stellt überdies die noch rückständige Digitalisierung deutscher Verwaltungen dar. Termine nur Monate im Voraus und lange Schlangen an den Schaltern gehören gerade in Großstädten zum Alltag. Dies will die SPD ändern. „Die meisten Behördengänge sollen sich in Zukunft auch online erledigen lassen“ heißt es im Programm. Nutzer sollen sich beispielsweise „einfach und sicher mit einer Zugangsberechtigung für alle Verwaltungsdienstleistungen identifizieren“ können. Auf diese Weise wollen die Sozialdemokraten die mehrfache Übermittlung von Personendaten verhindern und unterm Strich Kosten sparen.

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Zu diesem Zweck sollen Verwaltungen in den nächsten Jahren übrigens mit freier Software ausgestattet werden. „Das schnelle Wachstum des Internets ist auch der Verfügbarkeit von freier Software zu verdanken, die heute noch einen großen Teil der Infrastruktur betreibt“, so die SPD. „Diese Idee wollen wir übertragen und den Anteil freier Software in Verwaltung und Bildungseinrichtungen erhöhen, um innovative Unternehmensgründungen im regionalen Markt zu unterstützen.“ Diese Forderung ist zu begrüßen – und überrascht doch: Erst im Frühjahr hatte die schwarz-rote Regierung von München ein langjähriges Open-Source-Projekt in der Verwaltung beerdigt.

SPD verspricht Antwort auf Amazon

Der deutsche Einzelhandel wird in den kommenden Jahren mehr denn je von der Digitalisierung betroffen sein. Die in dieser Hinsicht klar pessimistische Haltung der SPD zwischen den Zeilen verwundert deshalb nicht. Da vor allem Amazon zunehmend das Geschäft von Supermärkten und stationären Händlern bedroht, stehen viele Arbeitsplätze auf dem Spiel – Gewerkschaften sind alarmiert. Auf diese Entwicklung will die SPD  daher eine Antwort finden. „Wir wollen die Ergebnisse aus der Dialogplattform Einzelhandel auswerten, um Strategien für lebendige Innenstädte und für die Nahversorgung im ländlichen Raum zu erarbeiten“, heißt es im Programm.

Und weiter: „Wir wollen an Modellstandorten die Strategien gemeinsam mit Akteuren vor Ort erproben und durch die Ergebnisse einen Roll-Out für andere Kommunen ermöglichen.“ Wie diese Strategien allerdings im Detail aussehen sollen? Das weiß die SPD offenbar selbst noch nicht so genau. Außer mit einer umständlichen Formulierung positioniert sich die Partei hier leider nicht. Schade.

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Breitbandausbau: Ja, nur wie?

Konkreter wird es dagegen beim Breitbandausbau: Wie fast alle anderen Parteien will sich auch die SPD in der kommenden Legislaturperiode stärker dafür einsetzen. Im Jahr 2025 soll Deutschland demnach über „eine der modernsten digitalen Infrastrukturen“ verfügen. Die Versorgung mit einer Datengeschwindigkeit von mindestens 50 Megabit pro Sekunde proklamiert die SPD dabei nur als einen ersten Zwischenschritt bis 2018. Das Ziel seien Gigabit-Netze. „Bis 2025 sollen mehr als 90 Prozent aller Gebäude daran angeschlossen sein. Die hierfür notwendigen Investitionen werden wir fördern“, verspricht die Partei in ihrem Wahlprogramm.

Wie dies finanziert werden soll? Darüber gibt es im Wahlprogramm keine Auskunft. Gleiches gilt für den von der SPD beschriebenen Ausbau der 5G-Technologie. Hier sind zumindest die Grünen konkreter, die den Breitbandausbau durch den Verkauf von Telekom-Aktien finanzieren wollen. Ansonsten will sich die SPD weiter dafür einsetzen, dass öffentliche Einrichtungen offene und kostenlose WLAN-Hotspots bereitstellen. Die entsprechende Grundlage hat die schwarz-rote Bundesregierung mit der Abschaffung der Störerhaftung immerhin schon geschaffen.

Erwähnenswert ist abschließend noch das Vorhaben der SPD ein „Urheberrecht für das Digitalzeitalter“ mitgestalten zu wollen. Hier sind Fortschritte dringend nötig, denn seit Jahren tut sich auf dem Gebiet so gut wie nichts. Die Sozialdemokraten wollen sich für die Urheber und einen „gerechten Interessensausgleich“ mit Rechteverwertern einsetzen. „Wir wollen Vergütung, keine Verbote“, schreibt die SPD. Unter anderem soll das Prinzip der pauschalen Vergütung bei denjenigen greifen, die mit der Vermarktung von kreativen Inhalten im Netz Geld verdienen – etwa Online-Plattformen wie Youtube.

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Fazit

Die SPD bemüht sich in ihrem Wahlprogramms um eine optimistische Grundhaltung zur Digitalisierung. Eine sozialdemokratisch gefärbte und gewerkschaftsnahe Skepsis gegenüber den Auswirkungen der Digitalisierung auf die Arbeitswelt wird allerdings deutlich – besonders an den geplanten Strategien zum Erhalt des stationären Einzelhandels. Auch die Forderung nach mehr Ruhezeiten zeigt, dass die SPD die Digitalisierung auch als Bedrohung empfindet. Als traditionelle Arbeiterpartei ist dies aber auch nicht verwunderlich. Zumal die SPD mehrfach betont hat, sich vor allem für Familien, Pflege, Ausbildung und bessere Arbeit einsetzen zu wollen.

Trotzdem haben die Sozialdemokraten  auch einige vielversprechende Vorschläge zur Digitalisierung erarbeitet. Das Gründersabbatical könnte – eine solide finanzielle Ausgestaltung vorausgesetzt – ein wirksamer Hebel für die Gründungsverdrossenheit in Deutschland sein. Auch weil so vor allem hochqualifizierte Gründungen gefördert werden sollen. Nicht nur die oft aus der Not heraus geborenen Existenzgründungen.

Ebenfalls zu begrüßen ist das klare Bekenntnis der SPD zur Elektromobilität („Die Zukunft des Automobils ist elektrisch. Deshalb ist der Aufbau einer Batteriezellenfertigung in Deutschland von zentraler strategischer Bedeutung“) sowie zum Urheberrecht. Auch die geplanten Anstrengungen, Behördengänge endlich online abwickeln zu können, gehören sicher dazu. Da die SPD bereits seit einigen Jahren in der Regierungsverantwortung ist, stellt sich aber auch die Frage, warum diese Vorhaben nicht schon längst umgesetzt sind. Hier muss sich jeder Wähler fragen, ob er den Sozialdemokraten noch mal eine Chance gibt.

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