Spottster-Aus: „Alle sagten: Wenn ihr was Neues macht, sind wir dabei“
Von außen gesehen deutete bei Spottster in den vergangenen Jahren wenig auf ein Aus hin. Durch den Auftritt in der „Höhle der Löwen“ sicherte sich das Hamburger Startup 2015 nicht nur mediale Aufmerksamkeit, sondern auch Jochen Schweizer als Investor. Es folgten die Teilnahme am prestigeträchtigen SXSW-Festival, der Sieg beim Startup-Pitch auf der Bits and Pretzels, eine Reise zu Virgin-Gründer Richard Branson in die USA.
Jetzt ist Schluss mit dem Preisportal: Am Montag hat das Unternehmen überraschend sein Ende bekanntgegeben. Die Gründer Freya Oehle und Tobias Kempkensteffen müssen aber keine Insolvenz anmelden, sondern wickeln das Startup ab. Warum sie diese Entscheidung getroffen haben und wieso sie mit der Reaktion der Investoren nie gerechnet hätten, erklärt die Gründerin im Interview mit t3n.
t3n.de: Freya, ihr habt am Montag bekanntgegeben, dass ihr Spottster einstellt. Wie ist es zu dieser Entscheidung gekommen?
Freya Oehle: Das war kein einfacher Prozess. Wir haben lange mit der Entscheidung gehadert, in unserem B2B-Geschäft verschiedene Ansätze ausprobiert, aber irgendwann sind wir an einen Punkt gekommen, an dem wir gemerkt haben: Wenn wir unsere Situation von außen bewerten würden, würden wir rational gesehen sagen, dass es nicht funktioniert. Also haben wir das Gespräch mit unseren Gesellschaftern gesucht.
t3n.de: Wo lagen die Probleme? Habt ihr nicht genug verdient?
Wir hatten im Januar und Februar richtig gute Monate. Durch die Nachweihnachtszeit und eine TV-Ausstrahlung lief es konsumentenseitig mit Nutzern und Umsätzen sehr gut. In dieser Zeit schrieben wir sogar schwarze Zahlen. Aber das, was wir eigentlich wollten, dass Spottster in die Onlineshops integriert wird und dadurch in einen Bereich wächst, der im Transaktionsvolumen auch den an uns gesetzten Erwartungen entspricht, hat letztlich nicht funktioniert.
Spottster: „Geld zu verbrennen, ist nicht unsere Art“
t3n.de: Warum nicht?
Die Integration in die Shops hat zu lange gedauert und technisch zu viele Einzelherausforderungen aufgeworfen. Wir dachten, dass wir in wesentlich schnellerer Zeit Integrationen, auch ins Pricing hinein, generieren könnten. Aber allein die Erwägung seitens der Shops hat teilweise acht Monate gedauert, ohne das die technischen Einzelheiten überhaupt thematisiert wurden. Das hat zu lange gedauert und hätte nicht skaliert. Daher kam irgendwann die Entscheidung, den Betrieb einzustellen, um keine Ausgaben zu produzieren, die wir nicht für absolut gerechtfertigt im Hinblick auf die möglichen Ergebnisse halten. Das war und ist nicht unsere Art.
t3n.de: Hätte euch eine neue Finanzierung geholfen?
Wir haben darüber nachgedacht. Aber das Hauptproblem lag dabei letztlich nicht am Geld oder hätte sich durch mehr Geld nur bedingt lösen lassen. Deswegen haben wir uns dagegen entschieden.
t3n.de: Euer Geschäftsmodell beruhte ja darauf, dass der Nutzer sein favorisiertes Produkt bei Spottster speichert und darüber informiert wird, wenn es günstiger wird. Dauert das nicht zu lange? Wenn ich sofort ein Produkt kaufen will, dann warte ich ja nicht noch vier Wochen auf einen Preisnachlass.
Genau das war das Problem, warum wir die Shops direkt integrieren wollten. Sobald ein Nutzer etwas über uns gekauft hat, war er für uns direkt profitabel. Wenn der Kauf aber ausbleibt, da der Nutzer zu lange auf eine Preissenkung wartet, geht riesiges Potenzial verloren, bleibt also Umsatz auf der Strecke. Das Gleiche gilt für die Reanimierung, wenn er einmal gekauft hat und ein weiteres Produkt im Auge hat. Wenn ein Nutzer vier bis sechs Wochen lang nichts mit uns zu tun hat, wird er inaktiv. Daher war das Ziel, durch eine direkte Integration in den Shop automatisiert auf die Interessen und Preiswünsche der Nutzer zu reagieren, um die Interaktion auf Spottster maximal hoch zu halten. Aber genau das eben hat uns vor massive Herausforderungen gestellt.
t3n.de: Wie haben eure Investoren auf eure Entscheidung reagiert?
Unsere Gesellschafter haben in dem gesamten Prozess überragend gehandelt und reagiert. Natürlich hat niemand Freudensprünge gemacht, denn ein Misserfolg bleibt ein Misserfolg. Die Reaktion unserer Gesellschafter war aber zu jedem Zeitpunkt unfassbar professionell, zumal wir zunächst gefragt wurden, wie es uns dabei geht – eine Frage, mit der wir in keiner Form gerechnet hatten. Dazu muss man allerdings auch sagen, dass wir zu jedem Zeitpunkt maximal transparent gehandelt und alle Entwicklungen und Vorgänge in unserem Reporting immer vollständig offen gelegt haben, was das Verhältnis zu unseren Gesellschaftern von Anfang an sehr offen gemacht hat.
t3n.de: Wie war das für euch, die Entscheidung gegen das Weitermachen zu treffen?
„Es hat nicht alles funktioniert, aber wir haben auch nicht alles falsch gemacht.“
Ein ganz komisches Gefühl. Die Überlegungen beziehungsweise in dem Fall Befürchtungen rumoren einem als Gründer natürlich immer im Kopf. Und wenn diese dann absehbar werden, ist und bleibt ein solch finaler Schritt eine unfassbar unangenehme Entscheidung. Ehrlicherweise hat das Gespräch mit unseren Gesellschaftern extrem geholfen, da wir unseren Erfolg immer auch als Pflicht ihnen gegenüber empfunden haben. Wenn man dann selbst in solch einer Situation professionellen Support erhält, anstatt böses Blut oder dergleichen hilft das enorm. In Summe haben wir extrem viel gelernt, auch jetzt auf den letzten Metern nochmal, und trotz des Ausgangs sind wir doch stolz, dass wir als Team immer ordentlich und transparent zusammengearbeitet haben. Es hat nicht alles funktioniert, aber wir haben auch nicht alles falsch gemacht. Es fällt zwar derzeit schwer, von dem „Erreichten“ zu sprechen, aber wir hatten dreieinhalb sehr intensive Jahre, in denen wir letztlich zusammen mit unseren Gesellschaftern doch einiges geleistet haben. Die Traurigkeit, dass eigene „Baby“ aufzugeben, bleibt aber trotz allem nicht aus, so viel Sinn es auch machen mag.
t3n.de: Ihr hattet zuletzt elf feste und freie Mitarbeiter. Wie haben sie die Nachricht aufgenommen?
Unser Team war die größte und unfassbarste Stütze, die man sich vorstellen kann. Als wir dem Team mitgeteilt haben, dass es in den kommenden Wochen vermutlich nicht weitergeht, stand das Team komplett hinter uns. Alle haben gesagt: Wenn ihr was Neues macht, sind wir dabei. Das war nicht nur unerwartet, sondern für uns Gründer absolut überwältigend.
t3n.de: Wie geht es jetzt für euch weiter?
Erst einmal müssen wir Spottster abwickeln. Das wird bis Ende des Monats und etwas darüber hinaus dauern, der offizielle Liquidationsprozess ist qua Gesetz für zwölf Monate angesetzt. In dieser Zeit müssen wir alle Assets verkaufen – Tische, Stühle, Technologien. Die Verträge werden aufgelöst, Rechnungen beglichen und Forderungen eingetrieben. Letztlich wird das am Ende im Unternehmen befindliche Vermögen dann auf die Gesellschafter aufgeteilt.
t3n.de: Und danach? Macht ihr was Neues?
Wir wollen auf jeden Fall im Team weiterarbeiten, da man eine derart gut funktionierende Konstellation selten findet. Ob wir nochmal gründen oder aber anderweitig als Team tätig werden, wird man sehen. Bisher hatten wir ehrlicherweise noch nicht die Zeit oder den Kopf, uns damit en detail auseinanderzusetzen und wir wollen die Entscheidung auch nicht überstürzen. Wir müssen nicht um des Gründen willens nochmal gründen – wenn sich aber die Möglichkeit ergibt, würde ich die Gründung sicherlich immer vorziehen.
t3n.de: Freya, danke für das Gespräch!
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