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Interview

Startup-Investorin Vera Knauer im Interview: „Jeder rennt ja gerade KI hinterher”

Welche Health-Themen interessieren Investoren? Im Interview mit Investorin Vera Knauer werfen wir einen Blick auf die aktuelle Lage deutscher Startups im Health-Bereich und gibt einen Ausblick, wie wir in Zukunft mit Robotern leben werden.

9 Min.
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Startups im Health-Tech-Bereich entwickeln neue Techniken – was wird sich durchsetzen? (Foto: Gorodenkoff / Shutterstock)

Sie tätigt unter anderem die Investments vom „Die Höhle der Löwen“-Juror Nils Glagau: Vera Knauer. Die Investorin kommt aus dem Bereich der Familienunternehmen und hat laut eigener Aussage schon Millionenvermögen verwaltet. Als Selbstständige arbeitet sie für den Venture-Capital- und Private-Equity-Auftraggeber Ortho Innovations. Sie ist eine Expertin für Investitionen und Startups im Health-Bereich.

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t3n: Frau Knauer, wie definieren Sie Health-Tech-Startups?

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Vera Knauer: Schon länger, als es DiGa gibt, gibt es Health-Startups, Digital-Health-Startups und Health-Tech-Startups. Für mich sind Digital-Health-Startups die übergeordnete Kategorie. Es sind Startups, die maßgeblich Geschäft im digitalen Bereich machen, die Leistungen, medizinische Leistungen oder unterstützende Leistungen in der Medizinbranche digitalisieren.

t3n: Gibt es denn einen Bereich in Deutschland, in dem besonders viele Startups neu gegründet werden?

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Als die Regulierungen im deutschen Markt aufgegangen sind zu dem Thema DiGa, haben sich viele Investoren im Health-Bereich oder sehr viele, die Rang und Namen haben, auf die DiGa gestürzt. Es gab viele Gründungen, ganz besonders in Bereichen, die vermeintlich „leichter“ zu digitalisieren sind als die Hardcore-Medizinanwendungen, also zum Beispiel in dem Bereich Mental Health, Prävention oder Adipositas. Das heißt, auf die Themen, die vermeintlich leicht zu digitalisieren waren, sind viele aufgesprungen. Dass DiGa im Kern ein Vertriebsspiel ist, trotzdem man einen DiGa Status bekommen hat, haben viele viel zu spät erkannt, und da ist jetzt, sehr publik, eine Ernüchterung eingekehrt.

t3n: Was heißt das?

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Nur wer sich wirklich auskennt mit den Digital-Health-Geschäftsmodellen und besonders in Deutschland im DiGa-Bereich, steckt dort jetzt Geld rein. Dazu müssen die Geschäftsmodelle andere werden, ein kurzfristiges Investment mit einem kurzfristigen Return wird es in der Form, den sich alle erhofft haben, nicht geben. Besonders der Bereich DiGa ist ein Vertriebs-Game geworden. Die Investoren, die dort einen langen Atem haben werden auf die lange Sicht sehr profitieren. Das muss man sich aber erst mal erlauben können.

t3n: Ein Vertriebs-Game? Warum?

Bei DiGa musst du dein Geschäftsmodell an den Mediziner bringen, du musst da hinterher sein, du musst erklären und Verhalten im Denken und in der (Arzt-)Praxis muss sich verändern, das ist eine Fleißarbeit. Übersetzt auf den Startup-Bereich bedeutet das, dass du mehr Leute brauchst, die daran glauben, die einen extrem langen Atem haben. Im Gesundheitsbereich, gerade beim Thema Digital Health, war es vor circa sieben Jahren noch etwas anderes: Da waren die First Mover, die haben verkauft und damit sind tolle Vermögen entstanden. Das ist vorbei, jetzt kommt die zweite Welle: Da musst du einfach beweisen, dass du gut bist, richtig gut, du musst zeigen, dass du dabei sein kannst und den deutschen Markt erschließen kannst, als einen der härtesten Märkte. Er ist leider oft gelähmt durch Bürokratie.

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t3n: Schauen wir noch einmal auf die DiGa: Startups, die digitale Gesundheits­anwendungen bereitstellen, waren also sehr beliebt. Aber das Geschäft zeigt sich jetzt langfristig doch nicht als lukrativ?

Na ja, wenn eine Gesetzgebung rauskommt, dann sind die ersten, die dieses neue Gebiet betreten, die First Mover. So ist dann auch die Stimmung: Hauptsache, du schaffst die Regulatorik, wenn du dann als DiGa verschrieben werden kannst, bist du ein Teil der Versorgung in Deutschland. Scheinbar sollte es doch dann laufen, oder? Es ist aber so: Um überhaupt einen DiGa-Status zu bekommen oder anders in die Regelversorgung zu kommen, brauchst du sehr viel mehr Zeit und Ausdauer, d.h. schließlich endlich Geld, als sich das jeder gedacht hatte. Warum? Weil Behörden langsamer sind als gedacht, weil Studien umfassender geworden sind um zugelassen zu werden. Dazu musst du ein Team aufbauen, das das ganze System beherrscht. Dann bist du im Katalog aufgenommen, denkst, dass die Ärzte deine Anwendung verschreiben – das passiert aber nicht. Die Ärzte kennen dein Angebot nämlich gar nicht oder nur vereinzelt, es ist nicht in ihren Prozess integriert. Es kommt dann zum Phänomen: „zum Sterben zu viel, zum Leben zu wenig“. Die guten Teams bauen dann eine Salesforce auf. Gleichzeitig musst du herausfinden, was eigentlich gerade am Markt gefragt ist. Für Startups in dem Bereich ist die Luft gerade dünn, die Frage der Stunde ist, wie sie sich über Wasser halten können. Es ist eine extrem heiße Phase, spannend und herausfordernd.

Investorin Vera Knauer beschäftigt sich aktuell viel mit der Forschung um Longevity. (Foto: Orthomol)

t3n: Wie entscheiden sie denn als Investorin, welche Startups sie in der Situation noch unterstützen?

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Was ich immer gelernt habe über die Jahre, ist, dass sagt ihnen jeder Investor: das Team. Das Team kann etwas herausreißen, auch in einem schwierigen Markt. Wenn ich mir jetzt gerade im Moment DiGa-Geschäftsmodelle anschaue, schaue ich mir ganz genau an: Ist in diesem Team a) jemand, der immer noch an die Vision glaubt, und da ist die Frage: Was ist die Vision? Und b) jemand, der das Team und den Vertrieb quasi in die Gänge bringen und die PS auf die Straße bringen kann, das sind die Kernsachen. Und natürlich ist für jeden Investor wichtig – auch für mich mit meinem Hintergrund mit Familienunternehmen– auch wieder etwas herauszubekommen, wenn man etwas hineingesteckt hat. Es muss eine Perspektive da sein, dass das Geld wieder zurückkommt, idealerweise ein Mehrfaches, damit ich das wieder anderen Unternehmen geben und weiter investieren kann. Sonst funktioniert meine ganze Logik als Investorin ja nicht.

t3n: Dann ist das Gründen im DiGa-Bereich eigentlich nicht mehr attraktiv?

Das würde ich so nicht sagen. Wenn ich eine DiGa machen will, muss ich genau wissen, worauf ich mich einlasse. In solchen Zeiten werden meist die besten Unternehmen gegründet, eben weil es schwieriger ist. Ich würde sagen, es kann interessant sein, in dem Bereich jetzt zu gründen, aber mir muss bewusst sein, dass ich einen Partner brauche, der das langfristig finanziert. Da ist jemand, der das Geld reinsteckt und sagt, er möchte es in fünf Jahren wiederhaben, nicht geeignet, das geht dann schief. Wichtig ist außerdem zu verstehen, dass das Ganze, sobald ich die Regulatorik hinter mir habe, ein Vertriebs-Game ist. Habe ich das verstanden, kann ich vielleicht in zehn bis fünfzehn Jahren ein fester Bestandteil der Versorgung in Deutschland werden – einfach, weil es logisch ist, da wir in Deutschland nicht die Mediziner haben, die zukünftig alles abdecken können. Wir haben ja bereits Löcher in der Versorgung, Leute, die ewig warten. Das wird in Zukunft nicht besser – es muss eine Lösung geben, auch unabhängig von DiGa, auch im Bereich Digital Health.

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t3n: Sie haben ja gerade indirekt den Fachkräftemangel angesprochen, der etwa in der Pflege ein immer größeres Thema wird. In Japan sind in dem Bereich seit Jahren Pflegeroboter im Einsatz, in Deutschland nicht. Sehen Sie da einen spannenden Bereich für Startups, ist die Nachfrage seitens der Investoren da?

Ja, absolut. Wobei auf dieses Thema andere Investorenkollegen spezialisiert sind. Manche sind auf den Bereich Robotik fokussiert, andere auf den Bereich Pflege; wenige auf die Kombination. Dazu muss man sagen, dass Pflegeroboter in Deutschland noch nicht in der Realität angekommen sind.

t3n: Kommen wir noch einmal zu den Investoren: Gibt es da hinter vorgehaltener Hand ein Topthema, das für viele gerade besonders spannend ist?

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Jeder rennt ja gerade KI hinterher. Auch auf fast jedem Deck, das ich bekomme, steht KI drauf, obwohl KI gar nicht drin ist, weil alle sagen: „Super, wenn KI draufsteht, dann springen die Investoren drauf.“ Ich sage: Es ist offensichtlich, dass künstliche Intelligenz ein Bestandteil von Prozessen werden wird. Die Frage ist nur, in welcher Form sich das Ganze auswirken wird. Wir haben beispielsweise tolle Teams, die damit Arbeiten abnehmen, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Personal wird damit entlastet. Zu den Anwendungen die im Kern einer KI sind, gehört auch der Bereich Diagnostik, der in den USA oder Israel viel weiter ist als in Deutschland und Europa – wegen der DSGVO, generell dem Datenschutz et cetera. Hinter vorgehaltener Hand ist gerade attraktiv, was die Schnittmenge zwischen Lifestyle-Markt und reguliertem Markt ist, also die Kombination von Diagnostik und Prävention. Was wir da merken: Viele Geeks und Investoren rennen mit Blood-Sugar-Patches rum, tracken sich zum Beispiel mit dem Oura-Ring, das Thema „Verantwortung für meinen Körper übernehmen“ nimmt an Bedeutung zu. Aber das ist noch Nische und nicht in der Bevölkerung angekommen. Das ist dann immer ein Indiaktor für mich und spannend, um zu prüfen, ob ich kurz vor der großen Welle bin, die über die ganze Bevölkerung schwappt, oder ob es ein Spezialtrend bleiben wird.

t3n: Sehen sie denn aktuell beim Gesundheits-Tracking als Lifestyle-Thema einen zukünftigen Markt in der breiten Masse?

Ja, absolut. Die Frage wird für Startups sein, wie viel von ihrem Umsatz in Deutschland gemacht wird, wie viel in Europa oder vielleicht in den USA oder Indien. Ich habe zum Beispiel gerade ein Health-Startup, das sich um Augentraining kümmert – da glaube ich dran. Die Frage wird sein: Ist das Startup besser aufgehoben in den USA, wo die Leute bereit sind, eigenes Geld für ihre Gesundheit in der Prävention auszugeben, weil es sonst noch teurer wird, weil sie vergleichsweise schlechter über eine Krankenkasse versorgt sind? Oder bekommen sie es in Deutschland hin? Ich glaube an den Standort Deutschland, an den Standort Europa, aber gleichzeitig muss jeder Gründer im Digital-Health-Bereich aus meiner Sicht möglichst schnell zusätzliche Märkte erschließen, in denen Eigenzahler relevant sind.

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t3n: Worauf schauen Sie gerade international, wo gibt es spannende Startups im Health-Tech- und Digital-Health-Bereich?

In Israel sind sie im Vergleich zu Deutschland und Europa schon sehr viel weiter bei der Digitalisierung des Gesundheitswesens. Da muss ich immer an diesen Spruch denken: „Die Zukunft ist schon passiert, sie ist nur noch nicht gleichmäßig auf der Welt verteilt“ – das ist vom Ökonomen Gary Hamel. In Bezug auf Israel sehen wir, dass die dortigen Krankenhäuser auch im Bereich Diagnostik viel digitaler sind. Während Deutschland sich mit dem E‑Rezept und der digitalen Gesundheitsakte schwertut, wird dies dort gelebt und ist kein großes Ding. Wer sich anschauen möchte, wie die Zukunft aussehen könnte und welche Geschäftsmodelle entstehen könnten, sieht es da.

t3n: Am Beispiel Israel: Wie sieht denn da die Zukunft möglicherweise aus?

Wir sehen, wie beispielsweise AI eine Rolle bei der Überwachung von Vitalwerten spielen kann. Dort kommt keine Krankenschwester alle paar Stunden rein und guckt, ob etwas piept, sondern es gibt andere Wege, Vitalwerte aufzunehmen und dem entsprechend zu reagieren. Daher brauchst du weniger Leute auf der Station, weil die Technologie unterstützt. Ich habe die Vermutung, sie hätten gern das große Ding, das ich ihnen sage, aber ich glaube, es sind verschiedene Elemente, die wir bereits haben, die wir gerade in die Zukunft weiterentwickeln. KI ist relevant, aber diese Thematik sind ja nichts Neues, Trendforscher sprechen darüber seit Jahren. Sie haben sich in der Timeline geirrt, die „Zukunft gleichmäßig auf der Welt zu verteilen“.

t3n: Okay, aber verraten Sie mir einen Trend, der kommt?

Aktuell beschäftige ich mich sehr stark mit der Forschung rund um Longevity. Ich befinde mich da in liebevollem Streitgespräch mit anderen Investoren und glaube, dass es in Europa, noch einige Zeit dauert, bis es hier ankommt und Umsatz relevant ist. Wenn, dann kommt es jedoch mit voller Wucht. In den USA ist es eine andere Kiste, ich habe jetzt zum Beispiel ein Startup auf dem Tisch, da geht es um das Thema Kryo, also um Senkung der Körpertemperatur, was für Zellen gut sein soll. Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass ein solches Franchise-System sich in Deutschland aktuell lohnt. Die Frage ist wieder: Zu welchem Zeitpunkt stecke ich wo Geld rein. Ich selbst bin zu bodenständig, als das ich in Marsmissionen investieren würde. Trends im Health-Bereich will ich mit realistischen Umsatzchancen greifen können. Im Medizinbereich gibt es phantastische Innovationen im Medtech-Bereich oder auch könnte ich mir die Unterstützung von Robotern beim Verteilen von Medikamenten bei der Pflege vorstellen.

t3n: Also könnte ich Sie darauf festnageln, dass in Deutschland der nächste Schritt die Roboterunterstützung von Pflegepersonal ist, damit sich die Bürger an das Leben mit Technik gewöhnen?

Sie können mich gern auf die Kombination Mensch/Maschine festnageln. Ich glaube an unterstützende Roboter, die beispielsweise auch im OP unterstützen, aber das hat nichts mit einem Roboter zu tun, der aussieht wie ein Mensch. Dass nur noch Roboter durch Krankenhäuser fahren und Leute pflegen, glaube ich nicht. Medizin hat ja auch viel mit Heilung über den Geist zu tun. Die Technik wird eine große Rolle spielen, aber die Herausforderung wird aus meiner Sicht sein, die Menschlichkeit dabei nicht zu verlieren.

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