Wie das Startup Memoresa deinen digitalen Nachlass regeln will
Alles begann mit einem Fahrradunfall. Der Wirtschaftsinformatiker Steffen Stundzig stürzte schwer und musste reanimiert werden. Ein Wake-up-Call für den Leipziger Gründer und Familienvater, der sich zum ersten Mal mit seiner eigenen Sterblichkeit konfrontiert sah. „Was passiert eigentlich mit meinen digitalen Daten, meinen Passwörtern, meinen Vermögenswerten, wenn ich mal nicht mehr bin?“, fragte er sich und begann zu recherchieren.
Doch gute Lösungen fand er nicht. So beschloss er, selbst eine zu kreieren, und gründete im September 2019 mit Co-Founder Jörg Schädlich das Startup Memoresa. Inzwischen beschäftigt das Unternehmen 22 Mitarbeiter:innen. An den Start ging Memoresa mit einem Angebot für die Verwaltung des digitalen Nachlasses. Doch die eigene Sterblichkeit sei nach wie vor ein heikles Thema. Im Videocall sagt Stundzig: „Es gibt leider nur krass wenige Menschen, die sich mit den Themen Unfall oder Tod beschäftigen.“
Stundzig zufolge macht man das erst, wenn man 70 Plus sei, selbst einen Todesfall im Freundes- oder Familienkreis erlebt habe oder mit einer Krankheit oder einem Unfall konfrontiert werde. „Man denkt sich: Ich sterbe ja eh erst in 30, 40 oder 50 Jahren, wenn überhaupt, und Unfälle haben immer nur die anderen. Dabei stirbt alle 39 Minuten ein Mensch in Deutschland durch einen Unfall im Haushalt“, sagt er.
Auch digitale Abos werden vererbt
Dabei kann mit einem Unfall schnell alles vorbei sein. Und dann muss im Zweifel der oder die Partner:in das Tinder-Plus-Abo kündigen. „Digitale Abonnements gehen nach dem Tod an die Erb:innen über“, erklärt Stundzig. „Bei mir wäre das meine Tochter. Und dann müsste meine Tochter mein Tinder-Abo kündigen, stell dir das mal vor.“
Bei Memoresa kann man genau so etwas regeln: Im Todesfall wird das Startup durch ein ausgestelltes „Info-Testament“ vom Nachlassgericht benachrichtigt, genau wie ein:e Notar:in, und kümmert sich dann um die diskrete Löschung der gewünschten Accounts. So bleibt der Ruf des oder der Verstorbenen nach dem Tod intakt. Ein anderer Weg wäre, seine:n Partner:in oder einen anderen Menschen als Vertrauensperson zu benennen, die Memoresa dann im Todesfall informiert.
Von digitalem Nachlass zur digitalen Ordnung
Finanziert wurde Memoresa durch einen Business-Angel und die Sächsische Aufbaubank (SAB / MBG), der investierte Betrag lag bei insgesamt 1,3 Millionen Euro. Durch das Kapital konnte das Digitalunternehmen seine Services erweitern und bietet inzwischen auch Lösungen für die digitale Ordnung, einen digitalen Notfallkoffer sowie digitale Impfzertifikate an, die auch um physische Notfall- oder Impfzertifikats-Karten für den Geldbeutel ergänzt werden können.
Der Preis für Memoresas „Digitale Ordnung“ startet bei 1,99 Euro im Monat und endet beim einmaligen, lebenslänglichen Paket für 999 Euro. Die Nutzer:innenzahl liege derzeit „im fünfstelligen Bereich“.
Von B2C zu B2B
Bislang richtete sich das Angebot von Memoresa in erster Linie an Endkonsument:innen. Doch zunehmend setzt das Leipziger Startup auf ein B2B2C-Modell und die Zusammenarbeit mit Versicherungsunternehmen. Inzwischen kooperiert das Unternehmen beispielsweise mit der Wiener Städtischen oder Signal Iduna. „Wenn du darüber nachdenkst, eine Risikolebensversicherung abzuschließen, dann hast du ja bereits diesen Vorsorgedanken“, sagt Stundzig.
Ein weiterer Vorteil sei der Vertrauensvorschuss gegenüber Banken und Versicherungsunternehmen. „Die Themen, die man bei uns regelt, sind ja sehr sensibel. Viele haben Angst, sich einem Internetportal anzuvertrauen, auch wenn wir natürlich vertrauenswürdig und TÜV-zertifiziert sind“, sagt der Gründer.
Künftig will sich Stundzig eher auf Unternehmen als Zielgruppe fokussieren. Und auf die Themen Vorsorge und Unfall. Er sagt: „Generell möchte ich aus dem Nachlassfokus und Tod raus.“