Wie Startups 1.200 Kaffee-Aromen digitalisieren wollen
Das kolumbianisch-israelische Startup Demetria hat sich die Digitalisierung von Kaffee auf die Fahnen geschrieben. Ein eigens entwickelter Sensor und eine zugehörige App sollen das Aroma eines Kaffees aus noch nicht gerösteten, grünen Kaffeebohnen vorhersagen. Der Sensor liefert einen „spektralen Fingerabdruck“ der grünen Bohnen. Die Software wiederum wurde mit Beispieldaten darauf trainiert, zu lernen, welches Geschmacksprofil diesem Spektrum entspricht.
Die Entwicklung gilt als eine kleine Revolution im Kaffee-Business. Denn seit sich in den 1980er-Jahren ausgehend von Kalifornien die „dritte Welle“ kleiner Kaffeeröster weltweit ausbreitet, ist Kaffee – zumindest in einer hippen, urbanen Szene – vom bitteren schwarzen Wachmacher zu einem komplexen Genussmittel wie Whisky oder Wein aufgestiegen. Inklusive der entsprechenden Preise: Das Kilo Spezialitätenkaffee geht gerne mal für 30 bis 40 Euro über den Ladentisch. Doch die eigentlichen Erzeuger sehen nur wenig von diesem Geld – auch weil sie oft nicht wissen, welche Qualität ihre Ware hat.
- Dieser Artikel erschien zuerst unter dem Titel „Mehr Daten für besseren Kaffee“ in der Ausgabe 6/2021 von MIT Technology Review (im heise shop bestellbar).
Allem hippen Flair zum Trotz funktioniert Kaffeehandel „noch immer wie vor 200 Jahren“, klagt Felipe Ayerbe, Mitbegründer und CEO von Demetria. Startups wie Demetria wollen das ändern und den Kaffee „digitalisieren“. „Wir machen genau das Gleiche, was bei der Ausbildung eines Cuppers gemacht wird“, erklärt Ayerbe die Technologie. „Cupper“ sind zertifizierte Fachleute, die Kaffee verkosten. „Nur dass der Sensor jetzt die Zunge des Cuppers ersetzt. Wir korrelieren das Spektrum mit einem Geschmacksprofil von einem erfahrenen Cupper und machen sehr viele Cupping-Tests. Nach einer Weile versteht das System, wie der Kaffee schmecken wird, dessen spektralen Fingerabdruck wir sehen.“
Kaffee ist ein komplexes Naturprodukt
Kaffee-Nerds schwärmen vom „God-Shot“
Das Kochrezept klingt eigentlich idiotensicher, ist es aber nicht: Der optimale „Bezug“ funktioniert nur, wenn das Kaffeemehl die richtige Konsistenz hat: Ist der Kaffee zu grob, zu trocken oder zu alt oder liegt er zu ungleichmäßig im Siebträger, bilden sich Risse im „Puck“, durch die das Wasser zu schnell strömt. Ist der Kaffee dagegen zu fein gemahlen, zu dicht gepresst oder zu feucht – schon ein Wetterwechsel kann einen entscheidenden Unterschied machen –, steigen Druck und damit Temperatur zu sehr und der Kaffee „verbrennt“. So gesehen bleibt die Kaffeezubereitung selbst mit wissenschaftlichem Hintergrund noch immer genügend Kunst. Kaffee-Nerds schwärmen deshalb auch vom „God Shot“ – dem optimal gelungenen Kaffee, der auch dem erfahrensten Barista nur ab und an gelingt.
Die Beschreibung, die ein Tässchen dieses Getränks dem Kenner entlockt, ähnelt in ihrer Blumigkeit mittlerweile tatsächlich der Beschreibung von Wein – im Vordergrund Noten nach Nougat, dunkler Schokolade und Nuss, im Hintergrund zarte fruchtige Akzente wie von Orangenzeste – sie ist aber keineswegs nur lyrischer Freitext. Die einzelnen Bestandteile des Aromas liegen in einem vorgegebenen systematischen Aroma-Raster, dem sogenannten Aroma-Rad (Grafik: siehe oben). Das von der Specialty Coffee Association of America (SCAA), ein Zusammenschluss von Röstern, Baristas und Kaffeehändlern, entwickelte Schema funktioniert ein bisschen wie ein Farbkreis: Im Inneren des Kreises liegen die Grundkomponenten, außen die feineren Abstufungen.