Stechmücken-Taktik: Die Rolle der Infrarotstrahlung bei der Blutsuche
Es beginnt oft an einem lauen Sommerabend und einem zunächst leisen Summen, das schnell immer lauter wird. Herrscht plötzlich Stille, ist die Mücke auf der Haut gelandet. Sie hat ihr Ziel erreicht. Das Ganze ist in der Regel kein Zufall, denn Mücken verfügen über ein ausgetüfteltes Navigationssystem, um eine Blutquelle zu finden und gezielt anzusteuern. Eine bisher wenig beachtete Komponente dabei wollen Forschende aus Kalifornien nun entdeckt haben, wie sie kürzlich im Fachblatt Nature berichteten.
Offenbar detektieren Mücken die Wärmestrahlung ihres Opfers, ähnliche wie eine Wärmebildkamera. Sie haben dafür einen Sensor, der diese sogenannte Infrarotstrahlung laut Studie aus Entfernungen bis zu 70 Zentimetern detektieren kann. Der Sensor besteht aus einem Protein und Pigmenten und sitzt in den Fühlern der Insekten.
Mücken sind nicht nur lästig, manche übertragen auch gefährliche Krankheiten, wie Zika, Denguefieber oder Malaria. Hunderttausende Menschen sterben jedes Jahr daran. Wegen des Klimawandels ist zudem damit zu rechnen, dass sich die Insekten immer weiter ausbreiten. Schon lange untersuchen Forschende daher, wie genau Mücken ihre Opfer ausfindig machen. Die Erkenntnisse sollen helfen, die Tiere mit schlauen Gegenmitteln vom Blutsaugen abzuhalten.
Dass die Insekten den Kohlendioxidausstoß von Menschen registrierten, deren Duftemissionen, Feuchtigkeit und auch auf optische Reize reagieren, auf dunklere Farben zum Beispiel, ist schon länger bekannt. „Jeder dieser Anhaltspunkte hat jedoch seine Grenzen“, sagt Avinash Chandel von der University California (UC) Santa Barbara. Die Insekten hätten ein schlechtes Sehvermögen und ein starker Wind oder eine schnelle Bewegung eines Menschen könnten dessen Umgebungsgase durcheinanderbringen und damit auch das Ortungssystem der Mücken. Die Infrarotstrahlung, die eben nicht von Luftbewegungen abhänge, könne die Ortungsfähigkeiten nun verbessern, glauben die Forschenden.
Für ihr Experiment arbeiten die Forschenden überwiegend mit der Ägyptischen Tigermücke Aedes aegypti, die unter anderem das Dengue-, Gelbfieber und Zika-Virus überträgt – und ausschließlich mit Weibchen. Schließlich fliegen nur weibliche Mücken aus, um Blut zu saugen. Sie brauchen das Eiweiß aus dem Blut, damit ihre Eier gut reifen und die Nachkommenschaft gesichert ist. Für den gewöhnlichen Hunger sind sie – wie auch die Mückenmännchen – mit süßem Pflanzensaft zufrieden.
80 Testmücken, Wärmeplatten und der Geruch eines benutzten Handschuhs
Das Team setzte 80 weiblich Mücken in einen netzumspannten Käfig mit zwei Abteilen, füllten diese mit menschlichen Gerüchen aus einem benutzten Laborhandschuh und erhöhten die Kohlendioxidkonzentration aus einer Gaskartusche. Vor den beiden Abteilen platzierten die Forschenden je eine Wärmeplatte. Eine hatte Umgebungstemperatur, die andere war mit 34 Grad Celsius ungefähr so warm wie unsere Haut. In Folgeversuchen stellten sie bei dieser Platte auch niedrigere und höhere Temperaturen ein.
Für jeweils fünf Minuten filmte das Team die Aktivitäten der Mücken. Krabbelten diese an den Käfigmaschen umher, um einen Ort zum Saugen zu suchen, wurde dies als Aktivität gezählt. Sie fanden heraus, dass die Aktivitäten bei der wärmeren Platte höher war und am stärksten ausgeprägt, wenn diese Hauttemperatur hatte. Der Effekt war auch noch bei einer Entfernung des Käfigs von bis zu 70 cm von der Wärmequelle feststellbar. Das sei weiter als die Wärmedetektion über Konvektion, wenn sich die am Körper erwärmte Luft verteilt, aber kürzer als jene für CO2, Duftstoffe und Farben, die Mücken aus Entfernungen zwischen fünf und 15 Metern noch erkennen können, berichtet die Forschungsgruppe.
Eine weitere Erkenntnis der Studie: Infrarotstrahlung alleine – ohne Duftstoffe und Kohlendioxid – genügte nicht, um die Tiere zur Futtersuche zu animieren. „Nur im Zusammenhang mit anderen Reizen, wie erhöhtem CO2 und menschlichem Geruch, macht die Infrarotstrahlung einen Unterschied“, betont Hauptautor Craig Montell, ebenfalls von der UC Santa Barbara.
Unklar ist, wie genau die Mücken die Infrarotstrahlung menschlicher Haut detektieren, die eine Wellenlänge um 9300 Nanometer hat. Die Strahlung sei so energiearm, dass die gängigen Lichtrezeptoren der Augen nicht darauf reagieren könnten, heißt es in der Studie. Die Forschenden haben daher ein Protein namens TRPA1 im Verdacht, das in den Fühlerspitzen der Insekten steckt und dessen Rolle für das Temperaturempfinden schon bekannt ist.
Zwar zeigten Experimente, dass das Protein nur bei sehr kleinen Entfernungen auf Wärmestrahlung reagiert. Doch das Team hat einen Mechanismus entdeckt, wie die Mücke dieses Reichweitenproblem womöglich überwindet. Offenbar spielen zwei Pigmente eine Rolle, die zu den Rhodopsinen zählen. Sie heißen „Op1″ und „Op2 und sind ebenfalls in den Fühlern der Mücken zu finden. Diese Pigmente sammeln Infrarotstrahlung auch aus größeren Entfernungen ein und könnten dann das Protein TRPA1 aktivieren, berichten die Forschenden.
Erkenntnisse nicht auf andere Mückenarten übertragbar
Die neuen Erkenntnisse sollen nun beim Kampf gegen Mückenstiche helfen und etwa in das Design einer neuen Mückenfalle einfließen. Allerdings sind sie wohl nicht eins zu eines auf andere Mückenarten übertragbar. Bei Tests mit Anopheles-Mücken, die Malaria übertragen, flogen in der Kammer mit der Wärmequelle mit Hauttemperatur zwar besonders viele Insekten das Netz am Käfig an. Sie zeigten aber kein suchendes Verhalten, sondern entfernten sich auch schnell wieder.