Stift und Papier: 5 Gründe, warum agile Spitzenunternehmen darauf setzen
1. Besserer Fokus
Die Rückbesinnung, auf Stift und Papier statt auf elaborierte Software-Lösungen zu setzen, hilft, sich auf das Wesentliche zu fokussieren. Dabei bietet jede Software natürlich Vorteile. Doch eine freie Gestaltung der eigenen Ideen ist mit digitalen Tools frühestens nach einer intensiven Einarbeitungszeit möglich. Beispielhaft hierfür steht für die meisten Mitarbeiter die Nutzung von Powerpoint. So ist es in manchen Top-Management-Beratungen üblich, dass Berater ihre Präsentationen zuerst auf Papier skizzieren, sie dann einscannen und von einem professionellen DTP-Dienstleister digital übertragen lassen.
Natürlich ist es wichtig, Präsentationen auch selbst digital erstellen zu können. Die Arbeit auf einem leeren Blatt Papier zu starten, bringt allerdings die Chance, sich Gedanken über eine klare Botschaft machen zu können. Die lässt sich so ganz frei von technischen Einschränkungen gestalten. Das Problem? Häufig ist die Versuchung zu groß, aus Zeitdruck oder Bequemlichkeit heraus bereits bestehende Folien unhinterfragt zu übernehmen und die eigenen Inhalte auf das vorgegebene Design zu übertragen. Das ist zwar zeitsparend, führt letztlich aber selten zu einer Folie, die zu 100 Prozent stimmig ist und das gegebene Problem löst.
2. Mehr Kreativität
Computerprogramme bieten zweifellos eine Bandbreite an nützlichen Funktionen. Dennoch wird kein Designer, Architekt oder Produktentwickler je vollständig auf den Einsatz von Stift und Papier verzichten wollen. Die obligatorischen bunten Klebezettel stehen mittlerweile schon symbolisch für den Ansatz Design-Thinking. Diese analogen Tools bieten auch im Prozess des Rapid Prototypings weitreichende Vorteile: Dabei werden Prototypen sehr schnell entwickelt, sodass Nutzer sie real testen und direkt Feedback geben können. Auf diese Weise lassen sich Schwachstellen schneller erkennen als es beim bloßen Lesen eines abstrakten Lastenheftes möglich wäre.
Ein weiterer Vorteil: Mit Papier und Karton kann auch dreidimensional gearbeitet werden. Wer sich noch an Pappmaché erinnert, kann zunächst auch auf die teure Anschaffung eines 3D-Drucker verzichten. Während der Erstellung einer Website vermitteln sogenannte Wire-Frames auf Papier beispielsweise den Eindruck von möglichen Designs und Funktionsweisen der Seite. Die Filmbranche wiederum setzt regelmäßig auf Storybooks. Diese visualisieren alle wesentlichen Einstellungen eines Films Szene für Szene. Dadurch kann man sich das Endprodukt besser vorstellen und einen besseren Überblick über den Prozess der Herstellung bekommen.
3. Erhöhte Schnelligkeit
Stift und Papier sind darüber hinaus sehr schnell und einfach einsetzbar – vor allem in Situationen, die nicht standardisierbar sind. Ein gutes Beispiel hierfür sind Protokolle und Dokumentationen von Meetings. Oftmals investieren Mitarbeiter viel Zeit und Mühe in eine aufwendige Dokumentation, die meistens nur einen Teil der Adressaten erreicht. Viel leichter ist es dagegen, mit der Handykamera ein Fotoprotokoll zu machen. Dafür wird die Mitschrift auf dem Flipchart oder Whiteboard abfotografiert und anschließend per E-Mail an die Teilnehmenden gesendet. Eine übersichtliche und gut lesbare Mitschrift sorgt nicht nur dafür, dass das resultierende Fotoprotokoll schnell erstellt und verschickt werden kann. Es lassen sich auch Grafiken und Illustrationen – im Gegensatz zum Einsatz von Textverarbeitungsprogrammen – ohne jeden Mehraufwand in das Protokoll einbinden. Es hat sich außerdem gezeigt, dass sich die meisten Mitarbeiter Fotoprotokolle häufiger ansehen als entsprechende Textprotokolle. Für ein gutes Fotoprotokoll ist eine saubere Handschrift allerdings unabdingbar. So lohnt es sich unter Umständen, ein wenig Zeit in eine gut lesbare Handschrift und vielleicht sogar die eigenen Zeichenkünste zu investieren.
4. Aktivere Kollaboration
Hand aufs Herz: Selbst die perfekteste Powerpoint-Präsentation läuft Gefahr, die Zuschauer zu langweilen. Gleichzeitig ist der Anspruch an Präsentationen immens gestiegen. Kleinste Formfehler fallen auf und lenken vom eigentlichen Inhalt ab. Folglich fließen kaum zu rechtfertigende Ressourcen in den Feinschliff von Präsentationsunterlagen, die in der Konzeption oder der Umsetzung weit besser investiert wären. Auch hier bieten Stift und Papier wieder einen Ausweg aus dem Hamsterrad.
Ein Beispiel aus der Praxis: Für ein regelmäßig stattfindendes Seminar ist die Präsentation nach mehreren abgehaltenen Terminen formal und inhaltlich fertig. Jedoch will man irgendwann nicht einfach nur noch das Standardprozedere abspulen. Stattdessen bleibt der Projektor ausgeschaltet und die Präsentation wird komplett am Whiteboard entworfen. Die vorgefertigten Folien dienen hierbei dann nur noch als Gedächtnisstütze. Der Vorteil liegt auf der Hand: Man kann ganz flexibel auf Rückfragen der Teilnehmer reagieren. Die sind außerdem oft wesentlich konzentrierter und aktiver, da sie an der Entwicklung der Inhalte beteiligt werden.
5. Bessere Übersichtlichkeit
Ein weiterer Grund für die Nutzung von Stift und Papier ist die bessere Übersichtlichkeit. Unnötig komplexe Inhalte können auf ihre wesentlichen Elemente reduziert und folglich übersichtlich dargestellt werden. Viele Programme des agilen (Projekt-)Managements machen sich diese Eigenschaft zunutze. Teams können am Whiteboard zusammenkommen und dabei alle nötigen Informationen kompakt und übersichtlich aufbereiten, um ihre Arbeit effizient zu koordinieren. Dabei sind diese Programme keine Neuerfindung des aktuellen Agilitäts-Hypes, sondern eher eine Rückbesinnung auf Methoden, ohne die auch in der Vergangenheit kein hochqualifiziertes Team auskam. Beispielhaft sind hier der Kartenraum eines militärischen Generalstabs oder die Zentrale einer polizeilichen Sonderkommission genannt, in der alle wesentlichen Informationen an den Wänden visualisiert werden.
Fazit
Die Digitalisierung der Arbeitswelt schreitet mit wahnsinnigem Tempo voran. Gute digitale Kollaborations- und Projektmanagement-Tools sind dabei ein enormer Gewinn. Es gibt jedoch gute Gründe für einen punktuellen Einsatz von Stift und Papier. Eine agile Zusammenarbeit und damit verbundene steigende Produktivität sind ohne oftmals nicht zu realisieren.
Das ist ziemlich einfach: die analogen Fähigkeiten werden auch bei zunehmender Digitalisierung nach wie vor parallel wichtig bleiben. Nicht alles lässt sich ausschließlich digital lösen, im Gegenteil. Und ökonomisch schon gleich gar nicht.
Im Kreativ- und Projektprozess ist nach wie vor die Kladde oder das simple Skizzenbuch das Mittel der Wahl. Selbst nach Jahren lassen sich Informationen mühelos rekonstruieren, wo vor allem Digitalmessies so ihre Schwierigkeiten haben.
Schon aus diesem Grund ist es wichtig, analoge Fähigkeiten zu pflegen.
Guter zusätzlicher Punkt, an den ich in meinem Artikel gar nicht gedacht habe: Manches sicher geglaubte digitale Dokument ist über die Jahre in der großen Anzahl an Dokumenten, aufgrund wechselnder Endgeräten oder nicht mehr miteinander kompatiblen Programmen verloren gegangen.
Käpitän Bleackbeards Schatzkarte, kann noch heute nach 300 Jahren problemlos von jeden gelesen werden ;)