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Kolumne

Wir brauchen globale Phasen für Stillarbeit

Das „Nicht stören“-Schild hat nicht funktioniert, DND im Chat-Status auch nicht. Wollen wir unsere Arbeit schaffen, dann brauchen wir Zeiten der Stillarbeit. Und zwar für alle.

Von Isabell Prophet
3 Min.
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Konsequente Stillarbeit wird nicht mehr in jedem Büro praktiziert. (Foto: Shutterstock / Gorodenkoff)

Es gab einmal eine Zeit, da ließ man Menschen beim Denken in Ruhe. Schaute jemand konzentriert auf seinen Bildschirm, dann schlichen alle anderen auf Zehenspitzen durch den Raum – und zwar rückwärts zur Tür raus. Es war, als hätte der Fokus eine undurchdringliche Aura geschaffen: Du kommst hier nicht rein.

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Heute gibt es für dieses Problem eine ganz simple technische Lösung: Schaut jemand angestrengt auf seine Arbeit, dann schickt man einfach eine Chat-Nachricht. Logisch.

Hi, kann ich kurz mal stören?
Nein, verdammt!
Oh, sorry. Aber wo ich gerade deine Aufmerksamkeit habe …

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Und damit erleben wir, dass eine der Grundfesten unseres Zusammenlebens bröckelt: das grundsätzliche Menschenrecht darauf, in Ruhe gelassen zu werden. Das Recht darauf, einen Gedanken zu Ende zu denken.

Ablenkung ist der Untergang aller Kulturen. Wirklich!

Die Lage ist ziemlich ernst. Menschen müssen nachdenken, sie müssen in Ruhe ihre Arbeit machen. Wer immer wieder unterbrochen wird, macht mehr Fehler, muss entweder schneller arbeiten oder wird später fertig – oder beides –, und verliert die Fähigkeit, kreative Lösungen zu entwickeln. Das ist nicht unbedingt ideal. Was hätte Diogenes uns hinterlassen, wäre Alexander nicht aus der Sonne gegangen? Wie viel hätte Virginia Woolf gedacht und geschrieben, hätte sie kein Zimmer für sich allein gehabt?

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Wir blicken auf viele Generationen des Fortschritts zurück, der Ideen, der Liebe zur Sache und der Lösungen. Menschen sind gut darin, Probleme zu lösen. Hätte der Ingenieur Percy Spencer nicht einen Augenblick Ruhe gehabt, um über den geschmolzenen Schokoladenriegel in seiner Tasche nachzudenken, würde heute vielleicht niemand mit militärischer Radartechnologie (aka Mikrowelle) Maronen erwärmen.

Wir können rund um die Welt schauen und müssen dabei feststellen: Geben wir einander nicht den Raum, konzentriert zu denken, dann war es das mit unserer Kultur. Brainstormings funktionieren, wenn die Beteiligten wissen, worum es geht. Jamsessions machen Spaß, wenn die Musiker:innen ihre Instrumente beherrschen.

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„Es geht auch ganz schnell!“

Wenn wir überhaupt noch irgendetwas retten wollen, dann müssen wir uns einigen. Alle miteinander. Es muss Zeiten geben, zu denen jene Menschen, die Stillarbeit brauchen, den Raum dafür bekommen – und die Ruhe natürlich. Wenn dies nicht alle gleichzeitig machen, dann siegt immer das egoistische Interesse: Ich brauche mal kurz eine Information von dir, bitte entschuldige die Störung – es geht auch ganz schnell!

Äh nein, ich entschuldige nicht. Ich brauche ständig Informationen von Menschen, das ist in vielen Jobs inzwischen normal. Es ist auch ganz schön, schließlich verbindet es uns, Wissen auszutauschen. Aber wenn wir einander im Ergebnis alle ständig stören, dann müssen wir an diesem System etwas ändern, zumindest für jene Menschen, die so nicht wirklich arbeiten können. Wenn du Zeit hast, diesen Text zu lesen, gehörst du wahrscheinlich dazu.

„Verschwinde, aber flott“

Stellt euch vor, die ganze Welt schwiege jeden Tag zwischen 8 und 10 Uhr und zwischen 14 und 15 Uhr. Wie viel wäre gewonnen! Und komm mir nicht mit Zeitzonen, das ist gar kein Problem. Wenn ich weiß, dass ich vor 14 Uhr kein Interview mit Menschen an der US-amerikanischen Ostküste bekomme, dann kann ich mir auch merken, dass es erst ab 16 Uhr geht. Oder fragen, ob wir eine Ausnahme machen. Wir müssen die Regel ja nicht gleich ins Strafgesetzbuch schreiben. Eine kleine Einigung reicht.

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Wir können viel gewinnen, wenn wir Ruhe finden. Die Zusammenarbeit profitiert, der Fortschritt, die Kultur aller Menschen. Gemeinsame Zeiten der Stillarbeit trennen uns nicht, sie werden uns verbinden: Was ich mache, machen alle anderen gerade auch. Denken. Arbeiten. Oder einfach mal das Gehirn ausruhen. Ein Traum vom Tagträumen.

Diese Räume einzufordern, wird immer schwieriger, weil alle in ihrer Hibbeligkeit kleine Ausnahmen wollen. Diese Ausnahmen ruinieren uns. Fragen kann man ja mal, Nein sagen ist unhöflich und egoistisch? Das Gegenteil ist wahr. Halten wir es mit dem chinesischen Philosophen Zhuangzi. Der war so schlau, dass man ihn bat, doch mal im Team des Herrschers zu arbeiten. Zhuangzi so: „Verschwinde, aber flott.“ Dann klappt’s auch mit dem Denken.

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