Arbeitszeiterfassung und Co.: So setzt ihr neue Gesetze effektiv um
Nachdem sich das Homeoffice, die wohl tiefgreifendste und wahrscheinlich nachhaltigste Folge von Corona in der Arbeitswelt, fest etabliert hat, hat im September dieses Jahres eine Gesetzesänderung in Bezug auf die „Arbeit der Zukunft“ viele Unternehmen verunsichert. Das Bundesarbeitsgericht stellte klar: Arbeitgeber sind gemäß Arbeitsschutzgesetz „verpflichtet, ein System einzuführen, mit dem die von den Arbeitnehmenden geleistete Arbeitszeit erfasst werden kann“. Dieses Urteil soll in Zukunft für mehr Arbeitsschutz sorgen sowie außergewöhnlich lange Arbeitszeiten eindämmen.
Statt diese Entwicklung zu begrüßen, befürchten Arbeitnehmende und Arbeitgeber allerdings, dass ihre gerade erst errungenen flexibleren und selbstbestimmteren Arbeitsbedingungen gefährdet sind.
Aber bevor Panik ausbricht oder womöglich schon ausgebrochen ist und auf einmal alle Kolleg:innen vom Homeoffice zurück ins Büro gebeten werden, gilt es erstmal, Ruhe zu bewahren. Denn es sind noch zwei weitere Gesetze zu beachten, die wie das Arbeitszeiterfassungsgesetz ebenfalls umfassende Änderungen nach sich ziehen können.
Welcome to the Jungle: Nachweispflicht und Nachhaltigkeitsberichterstattung
Neu ist nämlich ebenfalls das überarbeitete Nachweisgesetz, das seit August Arbeitgeber dazu verpflichtet, die Liste ihrer Arbeitsbedingungen zu erweitern. Sofern zutreffend und vereinbart, zählen dazu unter anderem die Möglichkeit zur freien Wahl des Arbeitsortes, die Dauer der Probezeit und Ruhepausen. Das Dokument mit den Arbeitsbedingungen ist zwar kein Vertrag, muss aber zwingend in schriftlicher Form („wet ink“) übergeben werden.
Andernfalls droht ein Bußgeld in Höhe von 2.000 Euro. Bedeutet das nun, dass HR-Teams die Arbeitsverträge im Zeitalter der papierlosen Digitalisierung wieder ausdrucken müssen? Nein. Auch, wenn viele Unternehmen die Arbeitsbedingungen einfachheitshalber in die Verträge integrieren: Letztlich muss nur das Dokument mit den Bedingungen in „Papierform“ zur Verfügung gestellt werden.
Und auch im Bereich Nachhaltigkeit tut sich Einiges: Die im Juni überarbeitete Berichtspflicht für Corporate-Social-Responsibility betrifft ab spätestens 2026 auch kleinere und mittlere kapitalmarktorientierte Unternehmen. Ab dann müssen auch sie detaillierte Informationen rund um die Achtung von Umwelt- und Menschenrechten bereitstellen und veröffentlichen. Und obwohl die Frist etwas verschoben wurde, sollten Unternehmen die gewonnene Zeit bewusst dazu nutzen, um für die kommende Pflicht an den richtigen Stellen nachzuarbeiten.
Schockstarre oder blinder Aktionismus sind keine Lösung
Bei all diesen Szenarien zeigt sich leider, wie unbedarft viele Unternehmen auch heute noch wichtige rechtliche Vorgaben, die eng mit Compliance verknüpft sind, angehen. Und dass es immer noch Unternehmen gibt, die bei wichtigen Änderungen oder neuen Richtlinien wie diesen entweder in eine Schockstarre oder in blinden Aktionismus verfallen.
Es besteht jedoch kein Anlass für diese Art von Panik. An der Tagesordnung sollten vielmehr Aufmerksamkeit und Pragmatismus stehen. Für die effiziente Umsetzung von neuen Gesetzen gibt es daher einige Empfehlungen, die davor, währenddessen und danach zu beachten sind.
1. Mitarbeitende als „Frühwarnsysteme“ bestärken
Eine regelmäßige und transparente interne Kommunikation kann das Einhalten von Regularien unterstützen. Unternehmen, die ihre Mitarbeitenden regelmäßig auf dem Laufenden halten, was und vor allem warum sie etwas tun beziehungsweise unterlassen sollen, profitieren von einer Compliance-Kultur, die kein Buzzword ist, sondern aktiv von den Teams gelebt wird. Die Kommunikation sollte aber vor allem nicht nur top-down, sondern auch bottom-up genutzt werden.
Indem Mitarbeitende proaktiv relevante Neuigkeiten rund um neue Regularien in das Unternehmen tragen und dafür Aufmerksamkeit schaffen, erhalten Verantwortliche einen Überblick über die Lage und können reflektiert handeln. Sollte es konkretere Informationen zum Arbeitszeiterfassungsgesetz geben, erfährt das möglicherweise eine besonders interessierte Person aus dem Unternehmen schneller als die Führungsebene. Hier lohnt sich dann eine bereits bestehende rege Kommunikationskultur in den Teams und im gesamten Betrieb.
2. Eine smarte und ganzheitliche Strategie entwickeln
Neue Gesetze betreffen häufig viele Abteilungen in einem Unternehmen. Führungskräfte aus wichtigen Abteilungen wie HR, IT, Finance und Office-Management sollten daher vor der Umsetzung von Maßnahmen eine gemeinsame Strategie erarbeiten, die die entsprechende Vorgabe erfüllt und gleichzeitig mit den bestehenden Ressourcen umsetzbar ist.
Noch besser wäre jedoch schon hier ein dezidiertes Team, das sich ausschließlich um Compliance-Belange kümmert und sowohl strategische als auch operative Aufgaben aus der Vogelperspektive betrachtet.
3. Bei der Umsetzung nicht übertreiben
Natürlich, eine 100-prozentige Implementierung eines Gesetzes sollte immer das Ziel sein. Die Realität sieht jedoch generell anders aus, besonders jetzt in Zeiten des Fachkräftemangels. Deshalb sollten Unternehmen im ersten Schritt eine Risikominimierung und im zweiten Schritt die Feinjustierung anstreben.
Konkret könnte das bedeuten: Unternehmen, die jetzt noch kein System zur Zeiterfassung ihrer Mitarbeitenden haben, sollten ein solches bereitstellen – auch wenn es sich dabei nur um eine Excel-Vorlage handelt.
Nur im Zuge einer ganzheitlichen Strategie und nicht aufgrund von panischem Aktionismus sollten die Expert:innen aus den jeweiligen Abteilungen anschließend erarbeiten, ob ein neues Tool implementiert werden muss, damit eventuelle neue Vorgaben eingehalten werden können.
Bei großen Projekten, wie der anstehenden Nachhaltigkeitsberichterstattung oder einem großen Wandel in der Arbeitswelt wie beim Corona-Ausbruch, lohnt sich außerdem die Absicherung bei einer Rechtsberatung, um auf Nummer sicher zu gehen.
4. Die Umsetzung clever vorantreiben
Das Wissen muss nun in die Abteilungen verteilt und entsprechend umgesetzt werden. Essenziell ist bei diesem Schritt, dass sich die Teams selbst organisieren können. Dies gewährleistet einerseits, dass wichtige oder dringende Aufgaben auch wirklich angegangen werden, und andererseits, dass Teams zu stark in ihre abteilungsspezifischen Themen abtauchen.
Auch hier sollte die Führungsebene in Erwägung ziehen, eine Person oder ein ganzes Team zu etablieren, das sich zumindest vorübergehend als Task-Force um die reibungslose Realisierung der Richtlinien kümmert – und dabei vor allem das richtige Maß nicht aus den Augen verliert.
Fazit: Einen kühlen Kopf bewahren und handeln lohnt sich
Neue Gesetze werfen immer viele Fragen auf. Unternehmen mussten bereits beim Ausbruch der Coronapandemie schnell und natürlich trotzdem korrekt bestehende Datenschutz-, Arbeitsrecht- und Arbeitsschutzvorgaben umsetzen sowie sich und ihre Angestellten über wichtige Änderungen auf dem Laufenden halten.
Ähnlich sieht es jetzt bei allen Neuigkeiten rund um die Arbeitszeiterfassung, aber auch anderen Gesetzen wie einer EU-Richtlinie zur schriftlichen Verkündigung von Arbeitsbedingungen oder zu Homeoffice-Regelungen aus: Unternehmen müssen handeln, um weiterhin gesetzeskonform zu agieren und gegebenenfalls auch einer entsprechenden Prüfung standhalten zu können. Aber sie sollten es mit kühlem Kopf tun und auf keinen Fall in Hektik verfallen.