Content Marketing: Welche Herausforderungen Marketer beim Storytelling zu meistern haben
Storytelling: Genug Fragen sind noch offen
Vorsicht, hier kommt eine Binsenweisheit: Werbung muss mehr tun als Slogans raushauen. Verrückt, oder? Gut, wir alle haben das schon häufiger gehört. Werbung muss Geschichten erzählen, Marketing muss sich ums Storytelling kümmern. Doch so oft uns das auch schon gepredigt worden ist – es gibt immer noch genug offene Fragen.
Denn wie zum Beispiel kann es gelingen, noch gute Geschichten zu erzählen, wenn die Geschwindigkeit in den sozialen Netzwerken nicht gerade geringer wird? Wie können Marken mit Nutzern in Kontakt treten, nachdem die in die Geschichte eingestiegen sind. Und: Wie können diese Geschichten wirksam platziert werden, ohne dass der Nutzer sich wieder nur als Teil einer Ziegruppe vorkommt?
Buzzwords wie „Transmedia“ oder „Visual Storytelling“ etablieren sich
Diverse Seminare und Vorträge auf der diesjährigen dmexco haben sich genau diesen Fragen gewidmet. Sie haben versucht, die Debatte zu führen, wie die Veränderungen im Markt auch die Marken verändern, die nicht mehr nur Botschaften vermitteln, sondern lernen müssen, „Helden, Katastrophen und Happy Ends“ zu erfinden – eine Herausforderung, die beim Management ansetzt und bis hinunter in die Abteilungen umgesetzt werden muss.
Sie haben aber auch die Frage gestellt, wie diese Umwälzungen auswirken. In dem Maße, in dem Produkte wie Sponsored Posts oder Native Advertising und Buzzwords wie „Transmedia“ oder „Visual Storytelling“ sich etablieren, verändern sie eine ganze Branche.
Eine der großen Herausforderung für Marken, so Dee Salomon, CMO von MediaLink, sei es, überhaupt ausreichend Content zu produzieren. Deshalb müssten Unternehmen ihre Zielgruppen segmentieren, um die einzelnen Gruppen dann gezielter ansprechen zu können. „Das heißt aber auch, sich von dieser Kampagnen-Mentalität zu verabschieden, die von einem Launch-Termin für ein Produkt ausgeht und das gesamte Marketing danach ausrichtet. „Content-Marketing“, ergänzt Mark Addis, Business-Developer bei NewsCred, „ist ein Always-on-Projekt, das einen langen Atem erfordert – und eine dokumentierte Strategie. Die aber haben nur 50 bis 60 Prozent der Unternehmen, die Content-Marketing betreiben.“
„Um authentischen Content zu produzieren, muss eine Marke an ihn glauben“
Für diese Strategie und die Ausrichtung des Storytellings sei es aber vor allem wichtig, seine Zielgruppen überhaupt zu kennen. „Content zu veröffentlichen ist toll, aber viel wichtiger ist es, zu wissen wer die Nutzer sind, was sie gerne lesen beziehungsweise konsumieren“, so Addis. Und dafür, sagt Adam Weinroth, CMO von OneSpot, sei es wichtig, die Signale zu verstehen, um dann den Content anpassen und verfeinern zu können.
Nicht nur in den Kanälen, auch auf Seiten des Marketings beschleunigen sich dabei die Workflows radikal, wie Eileen Party von Popsugar sagt: „Heutzutage können wir Echtzeit-Content aufgrund von Trends produzieren. Schneidet sich ein Promi die Haare, produzieren wir passenden Content beispielsweise für L’Oreal und spielen ihn den passenden Zielgruppen aus.“ Doch je stärker der Traffic vom Desktop zu Mobile wandert, desto schwieriger sei es, die Aufmerksamkeit der Nutzer auf sich zu lenken. „Nutzer verbringen heute im Schnitt 3:40 Stunden pro Tag auf ihren mobilen Geräten, davon 90 Prozent in Apps“, so Lisa Utzschneider von Yahoo. „Deshalb“, so Carty, „müssen wir rauskriegen, warum ein Nutzer sich beispielsweise ein Video anschaut. Wir analysieren deshalb ständig die Trending Topics auf den verschiedensten Social-Media-Plattformen, und diese Daten helfen uns dabei, passenden Content zu produzieren, der genau in diesem Moment relevant für die Leser ist.“ Damit verändern sich auch die Unternehmen. „Früher haben wir für eine Marke einen Brand-Manager eingestellt“, sagt Ralf Rau von SCA. „Heute brauchen wir plötzlich SEO-Spezialisten, wir brauchen E-Commerce-Spezialisten, Daten-Analysten.“ Doch etliche Positionen seien nicht inhouse besetzbar, deshalb sei die Kollaboration zwischen Marken, Agenturen und Publisher so enorm wichtig.„Wir nehmen nicht unser Smartphone in die Hand, um Werbung zu sehen. Wir wollen unterhalten werden.“
Doch auch für die Formate haben diese Entwicklungen Folgen, vor allem die stärkere Mobile-Nutzung verändert hier einiges, so Addis: „Wir nehmen ja nicht unser Smartphone in die Hand, um Werbung zu sehen. Wir wollen unterhalten werden. Aber ich bin überzeugt davon, dass Content-Marketing richtigen hervorbringen kann, wenn Unternehmen aufhören, Mist zu produzieren. Irgendjemandem 100 Dollar in die Hand zu drücken, um einen Artikel zu schreiben, kann nicht funktionieren. Wenn Du Scheiße investierst, kriegst du auch Scheiße raus.“ Doch immer mehr Unternehmen verstünden das und stellten Redakteure ein, viele davon ehemalige Journalisten. „Immer mehr Unternehmen denken wie Publisher, aber ihnen fehlen noch die Tools, die Publisher haben.“ Ein großer Unterschied sei, so Weinroth, dass Publisher von den Klicks leben und Journalisten dafür bezahlt werden. „Für Marken geht diese Rechnung zwar nicht auf, aber diese Denkweise hilft ihnen, erfolgreichen Content zu produzieren.“ Deshalb gehe es auch eigentlich nicht um Storytelling, so Alexander Schill von Serviceplan, sondern um Storyliving. „Um authentischen Content zu produzieren, muss eine Marke an ihn glauben. Heute ist es nicht mehr möglich, irgendwas zu erfinden, Inhalte müssen echt sein.“
Gekauft wird nach wie vor über den Desktop
Das sei vor allem wichtig, da Marken mit ihrem Content in Konkurrenz zu anderen treten, wie Stephanie Naegeli von Nestlé betont, zu Publishern, aber auch zu Menschen, „zu unseren Freunden“. Deshalb sei es so wichtig, dass die Geschichten, die Marken erzählen echt sind und dass sich die Leser damit identifizieren können. Und um das zu erreichen, sind manchmal gewagte Schritte nötig. So werde Nestlé sämtliche Nescafé-Webseiten zu Tumblr umziehen, um das Thema Storytelling für diese Marke voranzutreiben.
Vor allem aber, so Miha Mikek, Grüder und CEO von Celtra, müssten Inhalte dem Nutzer das Gefühl vermitteln, sie seien für ihn gemacht, persönlich auf ihn zugeschnitten – vor allem mobile sei das wichtig. „Diese Erwartungshaltung unterscheidet sich radikal von unserer Desktop-Erfahrung. Eine andere Herausforderung ist, dass die Nutzer zwar immer häufiger mobile lesen und surfen, aber kaufen tun sie nach wie vor über den Desktop.“
Der Mobile-Trend hat jedoch auch seine guten Seiten, wie AOL-Chef Bob Lord anmerkt: „Das großartige an mobilen Devices ist, dass wir dadurch nicht nur wissen, was die Menschen konsumieren, sondern auch, in welchem Kontext. Wir wissen, wo sie sind, in welchem Umfeld sie sich bewegen. Und das eröffnet völlig neue Möglichkeiten.“