Perfekter Kreis im All: Astrophysiker entdecken außergewöhnlichen Supernova-Rest

Forscher finden nahezu kreisrunden Supernova-Rest. (Bild: Shutterstock/pixelparticle)
Tief in unserer Milchstraße, verborgen vor dem bloßen Auge, haben Astrophysiker:innen eine Struktur von bemerkenswerter geometrischer Perfektion entdeckt. Es handelt sich um einen Supernova-Überrest (SNR), die expandierende Hülle aus Gas und Staub, die nach der gewaltigen Explosion eines Sterns zurückbleibt. Dieser spezielle SNR, offiziell G305.4–2.2 getauft, erhielt von seinen Entdecker:innen den passenden Namen „Teleios“ – das griechische Wort für „vollendet“ oder „perfekt“.
Die Entdeckung gelang einem Team um den Astrophysiker Miroslav Filipović von der Western Sydney University im australischen New South Wales eher zufällig. Beim Durchmustern neuer Daten des Radioteleskops ASKAP (Australian Square Kilometre Array Pathfinder), das sich im Murchison Radio-Astronomy Observatory im australischen Outback befindet, stieß Filipović auf die ungewöhnliche Formation. „Seine perfekt kreisförmige Gestalt war ungewöhnlich, und so untersuchte ich es weiter“, erklärt Filipović gegenüber Space.com.
Teleios: Geometrie, die Staunen hervorruft
Was Teleios so außergewöhnlich macht, ist seine nahezu makellose Kugelform. Die Forscher:innen quantifizierten seine Symmetrie mit einem Zirkularitätswert von beeindruckenden 95,4 Prozent. Damit zählt Teleios zu den rundesten bekannten Supernova-Überresten. Die meisten dieser kosmischen Relikte weisen deutliche Unregelmäßigkeiten auf, bedingt durch Asymmetrien in der ursprünglichen Explosion oder durch Wechselwirkungen mit der umgebenden interstellaren Materie während ihrer Expansion.
Teleios hingegen scheint sich nahezu ungestört ausgedehnt zu haben. Als möglichen Grund dafür sehen die Wissenschaftler:innen seine Position: Der SNR befindet sich etwa 2,2 Grad unterhalb der galaktischen Ebene unserer Milchstraße. In dieser Region ist das interstellare Medium, also die Verteilung von Gas und Staub, deutlich dünner und gleichmäßiger, was eine fast ideale Expansion über möglicherweise Tausende Jahre erlaubt haben könnte.
Die genauen Abmessungen und die Entfernung sind noch Gegenstand von Untersuchungen, wobei zwei Hauptszenarien diskutiert werden: Entweder misst Teleios rund 46 Lichtjahre im Durchmesser und ist etwa 7.175 Lichtjahre von uns entfernt, oder er ist mit 157 Lichtjahren Durchmesser deutlich größer und rund 25.114 Lichtjahre weit weg.
Wer sich jetzt über dieses stark divergierenden Szenarien wundert, stelle sich bitte einen Ballon am Himmel vor, der eine bestimmte scheinbare Größe hat. Ohne genau zu wissen, wie weit dieser Ballon entfernt ist, also ob er klein und nah oder riesig und sehr fern ist, können wir seine wahre physische Größe nicht bestimmen.
Ähnlich ergeht es den Astronom:innen: Sie messen die scheinbare Ausdehnung von Teleios am Himmel. Da aber die Methoden zur Entfernungsbestimmung in der Milchstraße ihre Tücken haben und manchmal unterschiedliche plausible Ergebnisse liefern, ergeben sich daraus eben auch verschiedene Szenarien für die tatsächliche Größe und Leuchtkraft des Objekts.
Mehr als nur ein schöner Kreis: Ein kosmisches Rätsel
Doch die perfekte Form ist nicht das einzige Mysterium, das Teleios umgibt. Wie die Forscher:innen in ihrer auf Arxiv veröffentlichten Studie darlegen, sendet der Supernova-Überrest fast ausschließlich im Radiofrequenzbereich, mit nur einem schwachen Anzeichen von Wasserstoff-Alpha-Emissionen. „Die meisten SNRs sind auch in anderen Frequenzen sichtbar. Sie emittieren entweder auch im optischen, infraroten oder Röntgenbereich“, so Filipović laut Space.com. Das Fehlen dieser sonst typischen Strahlung gibt den Astrophysiker:innen Rätsel auf.
Diese Eigenart erschwert auch die Bestimmung des genauen Typs der Supernova, die Teleios einst hervorbrachte. Als wahrscheinlichster Kandidat gilt eine Typ-Ia-Supernova. Diese entstehen in Doppelsternsystemen, wenn ein Weißer Zwerg, also der ausgebrannte Kern eines sonnenähnlichen Sterns, Materie von seinem Begleitstern ansammelt, bis er eine kritische Masse erreicht und explodiert.
Eine andere, seltenere Möglichkeit wäre eine Typ-Iax-Supernova, die dem Typ Ia ähnelt, aber den Weißen Zwerg nicht vollständig zerstört, sondern eine Art „Zombie-Stern“ zurücklässt. Die bisherigen Beobachtungsdaten passen jedoch nicht eindeutig zu einem dieser Modelle.
Ein Glücksfall für die „goldene Ära“ der Radioastronomie
Die Entdeckung von Teleios fällt in eine spannende Zeit für die Radioastronomie. Neue Instrumente wie ASKAP in Australien oder auch MeerKAT in Südafrika eröffnen den Astronom:innen bisher ungeahnte Einblicke in das Universum und ermöglichen Funde, die etablierte Theorien auf die Probe stellen. Miroslav Filipović bezeichnet es als „goldene Tage“ für die Radioastronomie.
Die weiteren Untersuchungen von Teleios werden hoffentlich mehr Licht ins Dunkel bringen und klären, welche Prozesse zu dieser außergewöhnlichen Form und den ungewöhnlichen Emissionscharakteristika geführt haben. Für die Wissenschaftsgemeinde bedeutet jeder dieser seltenen Funde eine Chance, die komplexen Vorgänge bei Sternentoden und die Entwicklung des Universums besser zu verstehen. Bis dahin bleibt Teleios ein faszinierendes Beispiel dafür, welche Überraschungen der Kosmos noch für uns bereithält.