Tandemploy-Gründerinnen im Changerider: „Nach der Krise wird vor der Krise sein, aber Unternehmen können sich vorbereiten“

(Foto: Changerider)
Disclosure: Das Video wurde bereits 2019, weit vor der Coronakrise, aufgezeichnet. Wir haben mit Anna Kaiser und Jana Tepe ganz aktuell gesprochen, um mit ihnen auch über die Auswirkungen der Krise zu sprechen.
Anna Kaiser und Jana Tepe haben Tandemploy 2013 gegründet. Der ursprüngliche Fokus war damals Jobsharing, also zwei Arbeitssuchende auf eine freie Stelle zu vermitteln. Die Idee dahinter: durch einen geteilten Job mehr Zeit für andere Projekte oder die Familie zu haben – und sich auf die eigenen Stärken konzentrieren zu können. Die beiden Gründerinnen merkten aber schnell, dass Jobsharing eigentlich nur ein Mini-Baustein der ganzen New Work-Palette neuer Arbeits- und Organisationsformen ist und sie mit ihrer Software Unternehmen auch intern helfen können, zu einer vernetzten Organisation zu werden.
„Die Akzeptanz für digitale Vernetzungstools ist rasant gewachsen“
„Corona hatte und hat immer noch einen recht großen Einfluss auf unser Business“, sagt Anna Kaiser heute. „Viele unserer Kunden und potenziellen Kunden arbeiten in Branchen, die von der Krise stark getroffen wurden, das merken wir natürlich auch. Andererseits nimmt die Nachfrage für unsere Software insgesamt zu, da die Akzeptanz für digitale Vernetzungstools quasi über Nacht rasant gewachsen ist. Firmen sehen durch Corona noch viel stärker die Notwendigkeit, ihre vorhandenen Ressourcen zu nutzen. Sie haben oft Recruiting-Stopps, stellen nicht mehr ein, haben aber trotzdem aktuell so große Herausforderungen und Themen, für die sie dringend die passenden internen Expertinnen und Experten brauchen, die anpacken können und wollen. Da passt unsere Software natürlich sehr gut.“ Mit ihrer Software schafft Tandemploy ganz konkrete Anlässe, für die Vernetzung von Mitarbeitern, ihr Wissen zu teilen – beispielsweise in einem Projekt, einer Mentoring-Konstellation, in Working-Circles, für Hospitanzen, Job-Rotationen, ganz einfach bei einem Lunch-Date oder eben auch für das Jobsharing.
„Wir schaffen dadurch ein Zusammenrücken der Mitarbeiter und gleichzeitig viel mehr Transparenz über das Wissen, das in der Firma liegt, über das Potenzial und Ideen“, so Tepe im Changerider. Wie funktioniert das konkret? Die Software wird an das jeweilige Unternehmen in Wort und Bildsprache angepasst, aber es braucht keine Schulung, man muss auch kein Profil ausfüllen, wie auf anderen Plattformen. „Man wird erstmal gefragt: ‚Wie möchtest du eigentlich arbeiten? Was interessiert dich? Möchtest du Stunden reduzieren, andere Bereiche kennenlernen oder ein Mentor sein?‘ Sie kriegen also Fragen gestellt, die sie im Arbeitskontext sonst gar nicht gestellt bekommen und die Spaß machen, sie sehr konkret zu beantworten. Auf der Basis bekommen sie dann Kollegen vorgeschlagen, mit denen sie sich mal unterhalten sollten, weil sie vielleicht ähnliche Bedürfnisse haben oder weil sie bei einem Projekt perfekt zusammenpassen. Der Schlüssel ist, dass wir nützlich sind, dass wir ein Bedürfnis der Leute treffen.“
Unternehmen mit offenem Mindset und flexiblen Arbeitsstrukturen kommen besser durch die Krise
Wie wichtig die Unternehmenskultur ist, zeigt sich gerade jetzt in einer Ausnahmesituation. „Unternehmen, die bereits vorher ein recht offenes Mindset und flexible Arbeitsstrukturen hatten, kommen tendenziell besser durch die Krise“, stellt Tepe fest. „Ihre Mitarbeiter sind besser gewappnet für solch extreme Umbrüche und unsichere Situationen: Sie kennen ihren Verantwortungsbereich, können selbstständig Entscheidungen treffen und sich eigenverantwortlich – auch im Homeoffice – organisieren.“ Letzteres gelte selbstverständlich nur für Unternehmen, deren Geschäftsmodell ein Arbeiten von zu Hause zulässt. „Wir haben bei Dax-Konzernen und Mittelständlern gesehen, wie unterschiedlich sie von der Krise getroffen wurden, abhängig von ihrer Branche, klar – aber eben auch abhängig davon, wie sie intern organisiert sind, wie stark Hierarchien und Präsenzkultur wirken, wie digital die Arbeitsausstattung und vor allem das Mindset sind. Heißt auch: Nach der Krise wird vor der Krise sein und man kann sich für extrem unsichere Situationen vorbereiten – mental, kulturell und organisatorisch.“
„An einer guten Unternehmenskultur muss man ständig arbeiten, sie hegen und pflegen, am besten mit allen gemeinsam“, ergänzt Anna Kaiser. „Wir haben einen sehr hohen Teamzusammenhalt und den Tag im März, an dem Jana und ich verkündet haben, dass ab morgen alle aus Sicherheitsgründen erstmal aus dem Homeoffice arbeiten werden, werden wir wohl nie vergessen. Fast alle Teamkolleginnen und Kollegen sind bis in den späten Abend im Büro geblieben, wir haben zusammengesessen, geredet und gelacht. Niemand wollte nach Hause gehen, in die Isolation, das hat uns sehr gerührt. Uns war daher sofort klar, dass wir den engen Kontakt zum Team halten müssen und wollen.“
„Unser Büro ist jetzt mehr zum Begegnungsort geworden – davon wird vieles bleiben“
In der ganz unsicheren Phase zu Beginn haben die beiden Gründerinnen Videobotschaften ans Team geschickt und versucht, auf ihre Sorgen und Ängste zu reagieren. Sie haben digitale Formate geschaffen, wie digitale Lunch-Dates und Digital Beers. Und als die Situation sich etwas entspannte, wurden auch wieder erste Zusammenkünfte, natürlich mit Abstandsregeln, organisiert. Das Büro sei jetzt mehr zum Begegnungsort als zum Ort für konzentriertes Arbeiten geworden. Davon werde vieles bleiben – und deshalb wollen sie die Räume baldmöglichst umgestalten für das „New Normal“, erklären sie.
Im Changerider sprechen die Gründerinnen außerdem darüber, wie überhaupt die Idee für Tandemploy entstand, über ihre Erfahrungen als Gründerinnen („Der wichtigste Tipp und egal wie groß die Entscheidung ist: auf das Bauchgefühl hören!“), was passierte, als Kaiser einem potenziellen Investor versehentlich via Skype „I love you“ sagte, und über ihre Investoren-Suche. „Wir haben uns irgendwann einfach geweigert, Pitch-Decks zu machen. Wir haben uns bei Wikipedia die Liste der 500 reichsten Menschen in Deutschland gezogen, unseren Business-Plan auf zwölf bunte Postkarten gedruckt, haben die in eine handgebastelte Mappe mit einem handgeschriebenen Brief gesteckt und haben das postalisch verschickt.“
Für eine weitere Changerider-Fahrt nomieren die beiden Katharina Gehra, CEO und Co-Founderin von Immutable Insight, einem Blockchain-Analysehaus. „Sie ist absolut klasse, wenn es darum geht, über Visionen zu sprechen, die unser Geldsystem betreffen.“
Tepes Appell zum Ende der Fahrt richtet sich an die Politik, sich endlich fokussiert um die grundlegenden Fragen des Klimawandels zu kümmern. „Ich glaube, wenn wir da jetzt nicht fundamentale und ernstgemeinte Maßnahmen in die Wege leiten, brauchen wir uns um die Zukunft der Arbeitswelt bald keine Gedanken mehr machen.“ Bezogen auf die aktuelle Corona-Situation ergänzt sie heute: „Liebe Politik, bitte denkt bei euren Corona-Hilfen nicht nur an Konzerne und Soloselbstständigen! Die Startup-Branche – als Keimzelle der Innovation – steht aktuell vor riesigen Herausforderungen. Aus Gesprächen mit anderen Gründerinnen und Gründern wissen wir, dass ein großer Teil der Startups kurz vor dem Aus steht. Das finden wir sehr erschreckend und riskant, denn Startups entwickeln die innovativen Ideen, die durch die nächste Krise helfen können. Wir probieren einfach aus, was ein Konzern nicht ‚mal eben‘ testen kann. Wir gehen selber extreme Risiken ein – und möchten sehen, dass das in unserem Land wertgeschätzt wird und gewollt ist.“
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