Wie technologischer Fortschritt unsere Kommunikation beeinflusst
Technologische Produktentwicklung ist heutzutage so schnell, dass wir fast wöchentlich mit neuen Features und Kommunikationsmöglichkeiten konfrontiert werden. Ganz egal, ob das Instagram-Videos sind oder neue Facebook-Video-Filter.
Ist die Zukunft schon Gegenwart?
Die Zukunft der Kommunikation scheint in vielerlei Hinsicht bereits stattzufinden: Forscher arbeiten seit den 1970er Jahren an einem Brain-Computer-Interface (BCI), bei dem Hirnströme gemessen und von einem Computer in Prozesse umgewandelt werden können, um etwa eine Prothese zu bewegen. Von da aus scheint es nur eine Frage der Zeit zu sein, bis auch komplexere Gedanken von einem Computer erfasst und übersetzt werden können.
Ob dieser „Gedanken-Dump“ tatsächlich eingesetzt werden wird oder sollte, ist aber fraglich, denn ihm fehlt ein entscheidender Aspekt von verbaler Kommunikation: ein Filter. Selbst in der Kommunikation mit intelligenten Assistenten wie Siri oder Alexa gibt es einen Unterschied zwischen dem Gedanken „Ich brauche einen neuen Computer“ bis hin zu der Aktion „Alexa, kaufe mir einen neuen Computer“.
Dennoch scheinen viele Kommunikationsmethoden, die man sich früher als visionär oder utopisch vorgestellt hat, bereits bei uns angekommen zu sein. Sicher ist, dass wir so vielfältig wie noch nie zuvor kommunizieren. Wir kommunizieren mit Freunden, Kollegen und Familie, aber auch mit uns selbst oder mit Bots und intelligenten Assistenten wie Siri oder Alexa und auf immer kreativere, vielfältigere Weise.
Ist es wirklich passiert, wenn man es nicht teilt?
Ein wichtiger Bestandteil von Kommunikation ist die Übertragung von Information von einem Empfänger zu einem Rezipienten. Das Shannon-Weaver-Modell ist ein klassisches Kommunikationsmodell, das eben diesen Austausch zwischen zwei Systemen bezeichnet.
Das Teilen von Inhalten mit einer Gruppe von Menschen ist ein Element, das in unserer heutigen Kommunikation einen immer größeren Stellenwert einnimmt. Ob das in einer Whatsapp-Familiengruppe ist, in einem Facebook-Post oder einer Instagram-Story: Es geht darum, ein Ereignis mit vielen zu teilen und durch das Erlebnis mit anderen eine Verbindung herzustellen.
Bei der SXSW 2018 beschäftigte sich die Session „If you don’t share it, did it happen?“ von Natalie Sun und Tim Leake mit der Frage, wie man Storys heutzutage verbreiten kann. Während es in der Session um das bewusste Verbreiten von Inhalten ging, trifft die Frage des Vortragstitels doch einen Nerv, auch außerhalb von kommerzieller Kommunikation.
Wir teilen öffentlich Mikro-Momente unseres Lebens: ein Mittagessen, einen Mückenstich, eine Gefühlslage. Und die Kommunikation dieser Erlebnisse verändert die Erlebnisse an sich. „Foodstagramming“, das Teilen von Essensbildern, gehört inzwischen zum Essen dazu und hat verändert, wie und was wir essen und wie Restaurants Essen inszenieren. Das Fotografieren von Speisen vor dem Essen gehört inzwischen so sehr zu einem Restaurantbesuch dazu wie das Trinkgeld.
Leben mit Alexa
Wir kommunizieren nicht nur mit anderen Menschen, sondern auch mit Technologie, Bots, und intelligenten Assistenten wie Alexa, Siri oder Google Echo. In dem Artikel „Growing Up With Alexa“ beschreibt die Autorin Rachel Metz den Einfluss von „digitalen Butlern“ auf ihre vierjährige Nichte. Für die ist es ganz normal, mit Alexa zu kommunizieren und ihre Lieblingslieder abspielen zu lassen. Es ist bereits möglich, Emotionen in der menschlichen Stimme zu bestimmen; es ist daher nur eine Frage der Zeit, bis intelligente Assistenten sprachlich-emotional darauf reagieren können.
Kommunikation wird persönlicher
Wir kommunizieren so viel und so vielfältig wie noch nie zuvor. Und wir wachsen mit und an der Kommunikation. Das zeigt sich daran, dass Kommunikation immer persönlicher wird und Raum lässt, um Gefühle auszudrücken. Dabei spielt auch die zunehmende Visualisierung eine entscheidende Rolle: Wir kommunizieren längst nicht mehr nur verbal, sondern mit Emojis, Fotos, GIFs, Videos. Der Londoner Semiotik-Professor Gunther Kress spricht inzwischen schon von einem „visuellen Zeitalter“. In einem Essay mit dem Titel „Literacy in the New Media Age“ erklärt Kress seine Idee der Zukunft der Kommunikation: „Kommunikation wird weiterhin größtenteils gesprochene Sprache bedeuten; Schriftsprache aber wird in der öffentlichen Kommunikation immer mehr durch Bilder ersetzt werden.“
Bilder dienen längst nicht mehr dazu, einen Moment für die Zukunft festzuhalten, sondern sind ein Mittel, um direkt Erlebnisse, Stimmungen und Gefühle zu kommunizieren. Diese Art der Kommunikation hat Snapchat am radikalsten mit visuellem Content, der wieder verschwindet, umgesetzt. Vor zwei Jahren brachte DTR (Tinder Podcast in Verbindung mit Gimlet Media) eine Story über zwei Menschen heraus, die sich auf Tinder kennengelernt hatten und ausschließlich mit GIFs kommunizierten.
Schriftliche Kommunikation wird aber nicht nur visueller, sondern auch direkter. Der Übergang zwischen gesprochener und geschriebener Sprache (und zwar unabhängig vom Sprachraum!) wird immer fließender. Hatte die E-Mail noch den formellen Charakter eines Briefs, so erinnern Whatsapp-Nachrichten mit Gedankenfetzen, Abkürzungen und schnellem Dialog weitaus mehr an die gesprochene Sprache. Emojis und Bilder ersetzen auch hier die fehlende Sprachmelodie und erlauben es, Emotionen trotzdem mitzukommunizieren. Vielleicht sogar direkter als im persönlichen Gespräch.
Diese Veränderungen in der Kommunikation betreffen aber nicht nur private Konversationen und haben längst auch Eingang in die Kommunikation von Unternehmen gefunden. Brand-Kommunikation wirkt persönlicher, spontaner, direkter, emotionaler und arbeitet mit ähnlichen Stilmitteln wie Abkürzungen, Emojis und einer Schreibweise, die an verbaler Kommunikation orientiert ist. Newsletter kommen häufig nicht von Google oder Facebook, sondern von Ava oder Erik.
Kommunikation dient dazu, Verbindungen herzustellen, vor allem eine Verbindung zwischen innerem Erleben und der Außenwelt. Technologischer Fortschritt hilft uns dabei, diese Verbindung auf unterschiedlichste Art und Weise einzugehen und dabei nicht nur besser zu kommunizieren, sondern auch uns selbst besser zu verstehen.