Temu gegen Amazon: Billiganbieter gibt Händlern die Preise vor

Der chinesische Online-Marktplatz Temu treibt seine Expansion in Europa mit aggressiven Preismodellen voran – und erntet für seine fragwürdigen Methoden erneut Kritik. Laut einem Bericht der Wirtschaftswoche schreibt Temu Partner:innen in Deutschland die Preisgestaltung vor und fordert, mindestens 15 Prozent unter den Preisen auf Amazon zu liegen. Während das Unternehmen dieses Vorgehen als marktüblich bezeichnet, äußern Branchenverbände Zweifel an der Rechtmäßigkeit.
Preisvorgaben für Händler: Rechtlich bedenklich?
Um den eigenen Marktplatz auszubauen, sucht Temu verstärkt nach lokalen Händler:innen und Hersteller:innen. Ziel ist es, dass künftig bis zu 80 Prozent des Umsatzes durch europäische Anbieter:innen erzielt wird. Doch der Preis für eine Listung auf der Plattform ist hoch: Temu erwartet von den Händler:innen, dass sie sich den Vorgaben unterwerfen und ihre Preise anpassen.
Ein Temu-Sprecher teilte mit, dass die Preisgestaltung von den Händler:innen in Absprache mit der Plattform festgelegt werden würde. Doch das Angebot, das Temu einem deutschen Händler im Dezember 2024 gemacht hat und das der Wirtschaftswoche vorliegt, spricht eine andere Sprache: Hier verlangt Temu, dass der maximal akzeptable Preis mindestens 15 Prozent unter dem Angebot auf Amazon liegt.
Die Branche sieht diese Regelung kritisch. Der Bundesverband E-Commerce äußert Bedenken, ob Markenhersteller:innen unter diesen Bedingungen überhaupt bereit sind, ihre Produkte über Temu anzubieten. Und auch der Handelsverband Deutschland warnt vor möglichen Rechtsverstößen. Ein Sprecher betont: „Grundsätzlich haben wir bei der Plattform Temu eine Häufung von Verstößen gegen Regeln und Gesetze in der EU wahrgenommen.“
Kartellrechtliche Bewertung offen
Unklar ist, ob die Preisvorgaben von Temu gegen geltendes Wettbewerbsrecht verstoßen. Christoph Wenk-Fischer, Geschäftsführer des Bundesverbands E-Commerce, hält die Klausel, die die Plattform ihren Händler:innen vorschreibt, für problematisch. Es könnte als unzulässige Einflussnahme auf den Verkaufspreis gewertet werden, da die Regelung keine Ausnahmen vorsieht und den Händler:innen kaum Verhandlungsspielraum lässt. Der Fall zeigt, dass das aggressive Geschäftsmodell von Temu in Europa zunehmend auf Widerstand stößt – sowohl bei politischen Akteur:innen als auch in der Handelsbranche.
Ende Januar verabschiedete die Bundesregierung einen Aktionsplan, der schärfere Kontrollen für Billigplattformen wie Temu und Shein vorsieht. Unter anderem sollen Marktüberwachungsbehörden und Zoll enger zusammenarbeiten, um Verstöße besser verfolgen zu können. Ob damit der Erfolgszug von Temu gestoppt oder zumindest gebremst werden kann, bleibt abzuwarten. Denn seit dem Markteintritt im April 2023 konnte Temu in Deutschland eine enorme Reichweite aufbauen.
Nach eigenen Angaben zählt die Plattform hierzulande monatlich 16,3 Millionen Nutzer:innen – mehr als in jedem anderen EU-Land. Laut einer repräsentativen Umfrage der Unternehmensberatung Oliver Wyman haben 59 Prozent der Deutschen schon mindestens einmal bei Temu geshoppt. Das rasante Wachstum spiegelt sich auch in den Zahlen des Mutterkonzerns Pinduoduo wider: Im dritten Quartal 2024 stieg der Umsatz um 44 Prozent auf umgerechnet 13,4 Milliarden Euro, der operative Gewinn wuchs um 46 Prozent auf 3,4 Milliarden Euro.