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Ratgeber

Über den Tod hinaus im Netz: Nur wenige regeln digitalen Nachlass

Die Nutzung von Onlinediensten ist für viele inzwischen selbstverständlich. Doch die Frage, was nach ihrem Tod mit ihren dort hinterlassenen Profilen, Nutzerkonten und Guthaben passiert, stellen sich offensichtlich nur wenige. Bestatter bieten inzwischen Hilfe an.

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(Bild: Stuart Monk / Shutterstock)

Der Tod ihres Mannes lag bereits ein paar Monate zurück, trotzdem kassierte das kostenpflichtige Onlineportal fleißig weiter. Regelmäßig buchte das Unternehmen die Gebühr vom gemeinsamen Kreditkartenkonto ab. Denn von dem Onlinevertrag ihres Mannes wusste die Witwe nichts, das Portal wiederum nichts vom Tod ihres Kunden. Ob es nun um Online-Zocken geht, Netflix-Abos, Guthaben beim Bezahldienst Paypal oder um Profile bei sozialen Netzwerken wie Facebook, Instagram oder Snapchat – die inzwischen weit verbreitete Nutzung von Online-Diensten wird nach dem Tod der Nutzer immer häufiger zum Problem. Schon ist von „Geisterprofilen im Netz“ die Rede.

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Viele Bestatter bieten hier inzwischen Angehörigen ihre Hilfe an. Eine von dem Berliner Startup Columba entwickelte IT-Technologie hilft Bestattern und Hinterbliebenen beim Aufspüren von unbekannten oder unzugänglichen Verträgen des Verstorbenen mit Onlinediensten. Knapp 25 Prozent der bundesweit 5.400 Bestatterunternehmen nutzen nach Columba-Angaben inzwischen diese Möglichkeit. 100.000 Aufträge hat das Unternehmen allein zwischen Juli 2017 und Juli 2018 von Bestattern erhalten – meist ging es um die Kündigung von Rente, Krankenkasse und Versicherungen. In etwa einem Drittel der Fälle hätten die Angehörigen aber auch Recherchen zur Regelung des digitalen Nachlasses aktiviert, berichtet Columba-Mitgründer Christopher Eiler. „Der Bedarf steigt deutlich. Man sieht ganz klar, dass der digitale Nachlass zum Thema für alle wird“, bilanziert er.

Vollmacht für Bestatter

Für eine Profi-Recherche im Internet braucht das Bestattungsunternehmen eine Vollmacht des Angehörigen. Das veranlasst dann mit Hilfe eines ausgeklügelten IT-Systems Vertragsabfragen bei bundesweit rund 250 Onlinediensten. „Bereits in den ersten drei Tagen haben wir über 50 Prozent der Verträge, zahlungspflichtigen Mitgliedschaften und Accounts ermittelt“, berichtet Christopher Eiler von Columba, das den Bestattern das IT-System gegen Gebühr zur Verfügung stellt. Die Angehörigen selbst erhalten dann per Passwort Zugang zur „Formalitäten-Plattform“ des jeweiligen Bestatters; dort sind die Verträge und Mitgliedschaften des Verstorbenen aufgelistet. Es liege nun an dem Angehörigen, zu entscheiden, welche der Verträge er übernimmt oder kündigt.

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Eine wachsende Nachfrage nach Profi-Unterstützung in Sachen digitaler Nachlass verzeichnen auch Bestatter in Bayern. Von einem Boom könne im Moment aber noch keine Rede sein, macht der stellvertretende Vorsitzende des Bestatterverbandes Bayern, Karl Albert Denk, deutlich. In dem Verband sind rund 80 Prozent der bayerischen Beerdigungsinstitute organisiert. „Ob sich Angehörige für eine digitale Nachlass-Lösung entscheiden, hängt vom Alter des Verstorbenen ab und ob jemand eine Affinität zum Internet hat“, macht der Vizechef des Verbandes klar.

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In Zeiten, in denen allerdings immer mehr Menschen ihre Angelegenheiten online regeln, wachse die Sensibilität in der Bevölkerung für die Notwendigkeit eines digitalen Nachlasses, sagt Denk. „Anfangs ging es den Kunden nur darum, das Profil ihres verstorbenen Angehörigen aus einem sozialen Netzwerk zu löschen. Aber sobald Angehörige merken, dass etwa auf dem Paypal-Konto des Verstorbenen größere Geldbeträge fürs Onlineshopping schlummern, wird der digitale Nachlass zum größeren Thema.“

Angebot wird noch selten genutzt

Fragt man einzelne Bestattungsunternehmen, so nutzen bisher aber nur vergleichsweise wenige Hinterbliebene das Angebot. „Bei uns spielt der digitale Nachlass fast gar keine Rolle“, berichtet eine Mitarbeiterin des Nürnberger Bestattungsunternehmens Anton. „Wir fragen immer nach, ob jemand Interesse daran hat, die meisten lehnen ab.“ Häufig verwiesen die Kunden darauf, dass sie anhand der vom Verstorbenen hinterlegten Passwörter die Abmeldungen bei Onlinediensten selbst regelten. Andere Unternehmen der Branche, wie etwa die Potsdamer Firma Schellhaas-Bestattungen, haben die Regelung noch nicht lange im Angebot und deswegen wenige Erfahrungen gemacht.

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Und auch beim Münchner Bestattungsunternehmen Hanrieder mit jährlich rund 1.000 Bestattungen heißt es, Trauernde nutzten zwar in aller Regel das Paket zur Abmeldung von Renten- und Krankenversicherung. Im Prinzip sei in diesem Abmeldepaket auch die Regelung des digitalen Nachlasses enthalten, könne von den Kunden aber auch noch später vom heimischen Laptop aus veranlasst werden. „Wie viele das tatsächlich tun, entzieht sich unserer Kenntnis“, berichtet Mitgeschäftsführer und Mitinhaber Ralf Hanrieder. „Aktiv nachgefragt wird die Regelung des digitalen Nachlasses von den Kunden jedenfalls nicht.“

Zurückhaltend geben sich derzeit auch noch die Bestattungsdienste von Kommunen. So hatte etwa das Nürnberger Friedhofsamt am Jahresanfang angekündigt, sich künftig bei entsprechender Nachfrage von Angehörigen um den digitalen Nachlass von Verstorbenen zu kümmern. Nach dem sogenannten Facebook-Urteil vom vergangenen Sommer, wonach digitale Verträge von Verstorbenen auf die Erben übergehen, zögert Friedhofamtschef Gerhard Kratzer mit der Einführung. Die Regelung von Nachlässen sei nicht die Aufgabe von Bestattern. Dazu sei das Thema viel zu komplex und langwierig. dpa

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Dein t3n-Team

Manuela Straus

Guten Tag und vielen Dank für das von Ihnen so toll aufgearbeitetes Thema digitaler Nachlass.
Das dieses Angebot bisher nur wenig nachgefragt wird liegt bestimmt daran dass die digital Natives einfach noch nicht an der Reihe sind mit dem Sterben. Ich schätze dass sich die Nachfrage nach diesem Produkt in zwanzig Jahren deutlich stärker sein wird.
LG
Manuela

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