Trackle: Wie es für das Zyklus-Startup nach der „Höhle der Löwen“ weiterging

Manchmal überzeugt ein Startup in der „Höhle der Löwen“ und bekommt trotzdem kein Investment. So erging es am Dienstagabend auch Maxim Loick und Katrin Reuter. Selbst als schon klar war, dass sie kein Geld erhalten würden, fanden die „Löwen“ noch lobende Worte für die Trackle-Gründer. Frank Thelen sprach von einem „tollen Produkt“, für Judith Williams ist die Idee „ein Schritt in die richtige Richtung“.
Die lobenden Worte gelten dem Zyklus-Tracker, den Loick und Reuter gemeinsam entwickelt haben. Mit Hilfe eines tampongroßen Temperatursensors können Frauen ihre fruchtbaren Tage ermitteln. Dafür müssen sie sich das Gerät vaginal einführen und über die Nacht tragen. Der Sensor überträgt die Kerntemperatur wiederum per Bluetooth an eine App, wenn er den Körper wieder verlassen hat. Weil die Körpertemperatur während des Eisprungs durchschnittlich 0,5 Grad höher liegt als während des restlichen Zyklus’, können Frauen so herausfinden, wann sie am fruchtbarsten sind.
Trackle ermittelt die Tage, an denen Frauen fruchtbar sind
Dahinter steckt eine Methode, mit der sich die Zeit im Zyklus einer Frau ermitteln lässt, in der sie schwanger werden kann. Diese Methode ist nicht neu: Seit Jahrzehnten können Frauen ihre Temperatur auch mit einem gewöhnlichen Fieberthermometer überprüfen und auf Papier festhalten. Loick und Reuter sehen aber einen großen Nachteil dieses Weges: „Frauen müssen ihre Temperatur immer zur gleichen Zeit messen“, erklärt Reuter in der Sendung. „Wenn sie aufstehen oder sprechen, kann sich die Temperatur schon wieder verändern und das Ergebnis somit verzerren.“ Mit ihrem Sensor soll die Datenermittlung automatisiert erfolgen. Derzeit lassen sie ihn medizinisch zertifizieren.
Die Gründer wollen damit zwei Zielgruppen ansprechen: die Frauen, die schwanger werden wollen, und die Frauen, die niciht schwanger werden wollen. Die erste Gruppe kann die App dafür nutzen, um die Familienplanung gezielter anzugehen. Die zweite Gruppe soll mit Hilfe der App gezielt verhüten können, indem sie an dem entsprechenden Tagen keinen Sex hat. Die mutige Aussage von Gründerin Reuter: Ihr Produkt sei genauso sicher wie die Pille. „Das scheint mir eine interessante Alternative zu sein“, sagte Judith Williams.
„An wie vielen Tagen darf ich denn Sex haben?“
Die Frage nach der Verhütung löste bei einem „Löwen“ aber Nachfragen aus. Frank Thelen redete in der Sendung etwas drumherum, bis er sich traute, die entscheidende Frage zu stellen: „An wie vielen Tagen darf ich denn Sex haben?“ Nachdem die Lacher bei den Investoren abgeebbt waren, erklärten die Gründer: Fünf Tage vor dem Eisprung und bis zu 48 Stunden danach können Frauen keinen Sex haben, wenn sie Trackle als natürliche Verhütungsmethode verwenden wollen. Für Thelen zu viel Zeit: „Als Verhütungsprodukt haben wir einfach zu viele prozentuale Tage, an denen das Produkt nicht greift.“
Ein weiteres Problem: Das Produkt ist noch nicht auf dem Markt. Ralf Dümmel entschied sich deswegen gegen eine Kapitalspritze. Auch die anderen „Löwen“ investierten nicht: Carsten Maschmeyer lag die Bewertung mit 2,7 Millionen Euro zu hoch, für Dagmar Wöhrl waren zu viele Fragen offen. Zwar stellten Judith Williams und Frank Thelen viele Fragen, doch das Marktumfeld war beiden zu unübersichtlich. Loick und Reuter mussten ohne Investment nach Hause gehen.

Mit dem Zyklus-Tracker von Trackle können Frauen ihre Temperatur messen und dadurch ihre Fruchtbarkeit bestimmen. (Foto: Trackle)
Demotiviert hat das die beiden Gründer aber nicht. „Wir fühlen uns bestätigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind“, sagte Loick im Anschluss an die Sendung. Rückblickend finden die Trackle-Macher den Umgang der „Löwen“ mit ihnen fair. „Wir hatten das Gefühl, dass wir uns auf Augenhöhe mit den Löwen unterhalten haben“, sagt Reuter im Gespräch mit t3n.de. Was sie überrascht hat: „Der Pitch in der Sendung war sehr viel näher an einem echten Pitch, als wir vermutet hatten.“
Nach der Sendung haben sich die beiden Gründer vor allem ihrem Produkt gewidmet. Auf Wunsch der Kundinnen haben sie die technische Architektur noch einmal überarbeitet. Die Basisstation zur Aufladung des Gadgets, die auch bei der „Höhle der Löwen“ noch zu sehen ist, gibt es nicht mehr. Stattdessen besitzt das Gerät nun eine Batterie, die zwei Jahre lang hält. Über eine Aufbewahrungsbox können die Nutzerinnen die Daten übertragen. Wie kam es zu diesem Sinneswandel? „Wir wollten uns ursprünglich die Möglichkeit offen halten, dass der Sensor direkt aus dem Körper heraus sendet“, erklärt Reuter. „Aber die Frauen wollten das gar nicht.“
Die medizinische Zertifizierung, die eigentlich bis Mitte des Jahres abgeschlossen sein sollte, hat sich dadurch verzögert. Die Trackle-Gründer warten noch auf das grüne Licht der Behörden. Das Produkt sei aber fertig, die Produktion abgeschlossen, erklärt Loick. Wenn alles nach Plan läuft, wollen sie Anfang 2018 die ersten Geräte ausliefern, der Preis soll bei 199 Euro liegen. Schon jetzt haben sie sportliche Ziele: In den kommenden zwölf Monaten wollen sie den europäischen Markt erobern, langfristig wollen sie auch auf dem US-Markt vertreten sein. Für 2018 peilen sie vier Millionen Euro Umsatz an, 2020 wollen sie schon 20 Millionen Euro erzielen.
Warum Trackle auf die Cloud setzt
Das klingt optimistisch. Allerdings müssen sich die Bonner Gründer mit diversen Konkurrenten messen. Zyklus-Apps haben derzeit einen kleinen Höhepunkt erreicht, Startups wie Clue und Ovy versprechen ebenfalls die perfekte Nachverfolgung der Fruchbarkeit. Trackle spiele aber ein Ergebnis der Stiftung Warentest in die Hände, sagt Reuter: Die verbraucherorienterte Organisation ließ fast alle Zyklus-Apps durchfallen. Gadgets wie Trackle hat sie allerdings auch nicht getestet.
Trackle ist zudem nicht das einzige Produkt auf dem Markt mit vaginaler Temperaturmessung. In Deutschland gibt es mit Ovularing schon ein ähnliches Angebot, auch Ovusense aus England setzt darauf. Katrin Reuter sieht trotzdem Unterschiede: „Wir grenzen uns durch unsere Usability ab“, sagt sie. „Ovularing und Ovusense brauchen Lesegeräte, um die Daten zu übertragen. Die benötigen wir nicht.“
Und die Gründer versprechen ein wichtiges Feature: Datenschutz. Mit den Kriterien, die sie für die medizinische Zertifizierung erfüllen müssen, sei jegliche Weitergabe der Daten sowieso ausgeschlossen, erklärt Maxim Loick. Gespeichert werden die Daten der Nutzerinnen in der Cloud. Loick und Reuter, beide Software-Entwickler, halten das für sicherer als den Desktop oder das Handy. Denn wenn die Daten in die Cloud übertragen werden, lässt sich jederzeit ein Update auf die Geräte spielen. Dadurch sei der Sensor sicher, so Reuter. Zudem werden die Daten verschlüsselt, sodass nur die Nutzerin Zugriff darauf hat. Wenn die Daten dagegen auf dem Smartphone gespeichert würden und die Kundin das Handy verliere, seien die Daten weg.
Weil Daten in der Cloud hierzulande ein sensibles Thema sind, haben sich die beiden Gründer für eine deutsche Variante entschieden: Sie nutzen den Service Microsoft Cloud Deutschland. Das ist ein Datentreuhändermodell, bei dem die Rechner in Deutschland stehen und US-Behörden wie die NSA kein Durchgriffsrecht auf die Server haben – obwohl Microsoft ein US-Unternehmen ist. Damit wollen die Trackle-Macher sicher stellen, dass die Datenhoheit immer bei ihren Nutzerinnen liegt. „Wir sind davon überzeugt, dass Gesundheitsdaten einzig und allein der Nutzerin gehören sollten“, sagt Reuter.
„Wir gehen den klassischen, steinigen Startup-Weg.“
Mit dieser Basis fehlt jetzt eigentlich nur noch das Produkt. Investoren hat Trackle immerhin gefunden. Schon vor Aufzeichnung der Sendung erhielten Loick und Reuter eine sechsstellige Seed-Finanzierung, 2017 konnten sie sich zudem eine erfolgreiche Crowdfunding-Kampagne abschließen. Einen neuen Investoren kann Trackle trotzdem gebrauchen. „Wir gehen den klassischen, steinigen Startup-Weg“, sagt Reuter. „Wir steuern jetzt die Series A an.“ Mit dem guten Feedback aus der „Höhle der Löwen“ dürfte der Weg dorthin nun vielleicht etwas ebener werden.
Mehr zur „Höhle der Löwen“: Sywos: Warum Ralf Dümmel dem Startup von Dagmar Wöhrl half
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