Katastrophen und Krisen: Wie wir trotzdem optimistisch bleiben können
Gibt es tatsächlich keinen Grund mehr, optimistisch in die Zukunft zu blicken? Die britische KI- und Kognitionsforscherin Margaret Boden reduzierte diese Frage 1966 – zu einer Zeit, in der Optimismus ebenfalls etwas aus der Mode gekommen zu sein schien – auf eine nüchterne, philosophische Analyse: Damit Optimismus „rational und vernünftig“ sei, schrieb sie, müssten Optimisten drei Bedingungen erfüllen: Sie müssen relevante Fakten präsentieren, Kriterien zur Bewertung dieser Fakten darlegen und zeigen, dass die Bewertung dieser Fakten optimistische Annahmen rechtfertigt.

Auch wenn die täglichen Schlagzeilen etwas anderes suggerieren: Die Anzahl von Naturkatastrophen ist seit 1990 leicht zurückgegangen.
Quelle: International Desaster Database / Institute of Health and Society / University of Louvain
Allerdings bietet auch diese Vorgehensweise immer noch zahlreiche Ansatzpunkte für Streit und weitere Diskussionen. Zunächst natürlich über die Auswahl der „relevanten Fakten“. Glaubt man etwa der schottischen Datenwissenschaftlerin Hannah Ritchie, hat sich in den vergangenen Jahrzehnten vieles zum Positiven entwickelt: Die weltweite Kindersterblichkeit ist gesunken, die Lebenserwartung insgesamt gestiegen, weniger Menschen leben in Armut, der weltweite Landverbrauch sinkt und der Anteil an erneuerbaren Energien ist in den vergangenen Jahrzehnten rasant gestiegen, fasst sie in ihrem neuesten Buch zusammen. Gehen wir also doch einer wunderbaren Zukunft entgegen und merken es nur noch nicht?
Ein Blick auf die Zahlen
Auch andere Zahlen weisen in diese Richtung: So vergeht zwar gefühlt kein Tag, an dem wir nicht von Stürmen, Überflutung, Dürren, Erdbeben oder ähnlichen Katastrophen lesen. Laut der internationalen Datenbank zu Naturkatastrophen ist die Anzahl der entsprechenden Ereignisse in den vergangenen Jahren eher zurückgegangen (von 500 auf etwa 400), und die Anzahl der dadurch zu Tode gekommenen Menschen bewegt sich auf einem vergleichsweise niedrigen Niveau. Nur bei den internationalen Konflikten bleibt die Datenlage düster: Seit 2010 ist die Zahl der Kriege weltweit von etwa 100 auf nun rund 180 angestiegen – und damit verbunden auch die Zahl der Todesopfer von 30 000 auf rund 230 000.

Bezogen auf Kriege und bewaffnete Konflikte stimmt die gefühlte Lage mit den Daten überein: Ihre Zahl steigt weltweit seit rund zehn Jahren wieder an.
Quelle: Uppsala Conflict Database, 2019
Aber was heißt das? Über die Frage, welche Fakten wirklich relevant sind und wie diese Fakten zu bewerten sind, kann man endlos diskutieren. Das vergangene Jahr beispielsweise war im globalen Mittel das wärmste seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Ob das ein Effekt des Klimawandels ist, lässt sich aber allein auf der Basis dieser Daten gar nicht beurteilen, denn der klimatische Mittelwert wird über einen Zeitraum von 30 Jahren ermittelt. Kann also sein, dass – noch – alles gut ist. Die Rekordtemperaturen können aber auch das erste Zeichen einer dramatischen Entwicklung sein.
Oder nehmen wir ein anderes Beispiel: Der Absatz von Wärmepumpen in Deutschland hat sich den letzten zehn Jahren etwa vervierfacht. Das kann man als gute Nachricht für die Energiewende lesen. Andererseits scheint auch das nur ein Tropfen auf den heißen Stein zu sein – Deutschland liegt bei der Zahl der verbauten Wärmepumpen europaweit nur auf Platz 15. Und der erhöhte Strombedarf führt voraussichtlich dazu, dass hierzulande viel länger Kohle verbrannt werden wird, als für das Klima tragbar ist. Ähnliches bei der weltweiten Lebenserwartung: Zwar ist sie in den letzten 100 Jahren stark gestiegen, aber der Preis dafür sind überalternde westliche Gesellschaften. Es leben weniger Menschen in absoluter Armut, aber dafür ist auch das Vermögen der Superreichen gewachsen – und zwar überproportional. Ist das nun gut oder schlecht?