- KI, generative KI, maschinelles Lernen: Wie hängt das zusammen?
- Machine Learning im Unternehmen: Wie funktioniert’s?
- Analyse des Status quo
- Erfolgreiche Implementierung: Es braucht mehr als die Fachabteilung
- Die Qualität der Daten: Das Zünglein an der Waage
- Externer Support, um anfängliche Hürden aus dem Weg zu räumen
- Das Skalierungspotenzial bestimmt, wohin die Reise geht
- Das A und O: Kühlen Kopf bewahren und kollaborative Strategie entwickeln
Fernab des Hypes: Wie Unternehmen Machine Learning sinnvoll implementieren
Seit Monaten beherrscht ein Thema die Schlagzeilen der hiesigen Medienlandschaft – und das von Wirtschaftspresse bis Lifestyle-Medien: künstliche Intelligenz (KI).
Die Fragen rund um KI sind vielfältig. Stellt diese technologische Errungenschaft die nächste große Zäsur in der Menschheitsgeschichte dar? Was bedeutet diese Entwicklung für jede:n Einzelne:n? Wie verändert sich dadurch die Arbeitswelt? Werden ganze Berufsfelder durch Einsen und Nullen ersetzt?
Was beim Versuch, diese absolut legitimen Fragen zu beantworten, immer wieder auffällt: Die Diskussion wird oft emotionalisiert geführt. Da ist die Rede von außerordentlichen Potenzialen, aber auch von teilweise panischen Ängsten.
Aus meiner Sicht fehlt es häufig an Pragmatismus und Differenzierung. Deshalb möchte ich versuchen, diese beiden Aspekte mit Blick auf Fintech-Unternehmen, die KI sinnvoll einsetzen wollen, stärker in den Mittelpunkt zu rücken.
KI, generative KI, maschinelles Lernen: Wie hängt das zusammen?
Klar zu differenzieren gilt es bereits bei der Definition der Sachverhalte und technologischen Ansätze, über die debattiert wird. Denn insbesondere im B2B-Kontext kommen wir in Diskussionen nur voran, wenn alle Beteiligten sich einig sind, worüber sie gerade sprechen. Um es herunterzubrechen:
- Künstliche Intelligenz, generative künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen sind allesamt verwandte Konzepte im Bereich der Informatik.
- Künstliche Intelligenz (KI oder AI) ist als Oberbegriff zu betrachten. Es handelt sich dabei um das Konzept, dass Maschinen in der Lage sind, Aufgaben auszuführen, die normalerweise menschliches Denken erfordern würden.
- Maschinelles Lernen (ML) hingegen ist ein Teilgebiet der KI und bezieht sich auf den Prozess, bei dem Maschinen automatisch aus Daten lernen, Muster erkennen und Vorhersagen treffen, ohne explizit programmiert zu werden.
- Auch generative KI (Gen AI) ist ein Teilgebiet der KI, das Techniken aus dem Bereich des ML verwendet (insbesondere Deep Neural Networks), jedoch geht es hierbei darum, gänzlich originäre Inhalte (Texte, Bilder und so weiter) zu erstellen.
Der große mediale Hype dreht sich derzeit ganz klar um generative KI. Dabei sind es meist die „traditionelleren“ ML-Modelle, die für Unternehmen einen echten Mehrwert schaffen – und die Potenziale von ML im Unternehmenskontext sind noch lange nicht ausgeschöpft.
Die meisten prognostizierenden ML-Modelle haben spezifische Ziele, wie zum Beispiel die Vorhersage der Wahrscheinlichkeit von Kund:innenabwanderung oder die Wahrscheinlichkeit, dass ein:e Kund:in mit einem Kredit in Verzug gerät.
Im Vergleich zu den sehr breit aufgestellten und damit für manche nebulös wirkenden Gen-AI-Anwendungsfällen haben sie klar greifbare Auswirkungen auf das operative Geschäft – gerade jetzt, da die Möglichkeiten, Daten zu generieren, kontinuierlich zunehmen.
Die größte Herausforderung für Unternehmen ist jedoch nicht die Frage, ob ML implementiert werden soll, sondern darin, die Implementierung so zu gestalten, dass ein echter Wert für die Organisation generiert wird. Der soll dann auch noch in Einklang mit dem Wachstum des Unternehmens skalierbar sein, schließlich sind für die Implementierung adäquate finanzielle Mittel und personelle Expertise gefragt.
Machine Learning im Unternehmen: Wie funktioniert’s?
Unternehmen sollten sich meiner Erfahrung nach immer an einen Grundsatz halten: Gerade, wenn ein Thema – wie eben eine neue bahnbrechende Technologie – als möglicher Heilsbringer deklariert wird, sollte man nicht in blinden Aktionismus verfallen. Eine richtungsweisende Entscheidung nur aus Angst, den Anschluss zu verlieren, ohne stringente Strategie zu treffen ist der falsche Weg.
Schon mit wenigen, klar definierten Schritten lässt sich das Für und Wider eines möglichen Einsatzes von ML-Modellen identifizieren.
Analyse des Status quo
Mit einer ausreichenden Anzahl historischer Daten können ML-Modelle für eine Vielzahl von Anwendungsfällen entwickelt werden. Diese Anwendungsfälle konzentrieren sich in der Regel auf die Vorhersage eines Wertes (zum Beispiel die Wahrscheinlichkeit eines Betrugs), der für eine bessere Entscheidungsfindung oder für Automatisierung in einem Unternehmen genutzt werden kann.
Da jedes entwickelte Modell personelle und finanzielle Kapazitäten in Anspruch nimmt, müssen die Verantwortlichen zunächst analysieren, welche Geschäftsbereiche am meisten von der Implementierung profitieren und den größten Effekt auf das eigene Produkt, die Kund:innen oder weitere relevante Bereiche haben.
Im Falle eines Fintech-Unternehmens könnte dies zum Beispiel der Bereich Risikomanagement und Betrugserkennung sein, bei einem Online-Retailer die Empfehlung verwandter Artikel oder die Steigerung der Konversionsrate.
Erfolgreiche Implementierung: Es braucht mehr als die Fachabteilung
Bereits bei der angesprochenen Analyse des Status quo beginnend und für die operative Umsetzung von größter Bedeutung: Das Team der Datenwissenschaftler:innen muss mit den anderen Abteilungen des Unternehmens kollaborieren und deren fachliche Kompetenzen und operatives Wissen für seine Arbeit nutzen. Dafür müssen neue Strukturen geschaffen und die jeweiligen Arbeitsweisen aufeinander abgestimmt werden.
Nur dann gelingt es, zielgerichtete Modelle mit echtem Mehrwert zu entwickeln. Ein Erfolg versprechender Ansatz wäre beispielsweise, funktionsübergreifende Projektteams zu installieren, die Fachexpert:innen (zum Beispiel Produktentwicklung), Datenwissenschaftler:innen und Ingenieur:innen vereinen.
Die Qualität der Daten: Das Zünglein an der Waage
Unternehmen sollten rechtzeitig damit beginnen, die für die Erstellung von ML-Modellen notwendigen Daten zu sammeln und zu überprüfen. Sind die Daten überhaupt vollständig und genügt die Qualität den Ansprüchen? Oder verfälschen unsaubere Daten das erhoffte Ergebnis, indem sie falsche Ableitungen für konkrete operative Maßnahmen (beispielsweise Marketing-Initiativen) treffen?
Gegebenenfalls müssen die Datensätze dann im ersten Schritt bereinigt werden. Denn je anspruchsvoller und komplexer die initial geplanten Modelle sind, desto wichtiger ist eine saubere und aussagekräftige Datengrundlage.
Externer Support, um anfängliche Hürden aus dem Weg zu räumen
Vor allem kleine und mittelständische Unternehmen haben meist den Nachteil, nicht über ein komplettes Team an Datenanalyst:innen und Ingenieur:innen zu verfügen. Realistisch betrachtet benötigt ein Unternehmen jedoch zumindest einen personellen Grundstock an Expert:innen, ohne den die bereits genannten Punkte nur schwer umzusetzen sind.
Im Anfangsstadium ist es deshalb durchaus überlegenswert, für begrenzte Zeit den Support einer auf ML-Plattformen spezialisierten Beratungsagentur heranzuziehen. Diese kann den Implementierungsprozess begleiten und steht mit Expert:innen und Sparringspartner:innen für die gewünschte Zeit zur Verfügung.
Das Skalierungspotenzial bestimmt, wohin die Reise geht
Insbesondere wenn eine Organisation den Plan verfolgt, den Einsatzbereich von ML Schritt für Schritt zu erweitern, ist eine komplexe Infrastruktur inklusive ML-Plattform und ML-Ops ein Muss. Nur dann ist gewährleistet, dass das aufgesetzte System die Kapazitäten hat, in Einklang mit dem Unternehmenswachstum und den operativen Anforderungen zu wachsen.
Das A und O: Kühlen Kopf bewahren und kollaborative Strategie entwickeln
Abschließend möchte ich vor allem eines festhalten: Bei der richtungsweisenden Entscheidung, ML-Modelle in die eigenen Unternehmensprozesse zu integrieren, muss unbedingt vermieden werden, den zweiten oder dritten Schritt vor dem ersten zu gehen.
Ich empfehle von Anfang an eine abteilungsübergreifende Taskforce, die fachspezifische Expertise, Projektmanagement und Entscheider:innen an einen Tisch bringt. So lassen sich genau die Geschäftsbereiche identifizieren, die am meisten von Neuerungen profitieren und bei denen die zuständige Fachabteilung in der Lage ist, diese auch erfolgreich umzusetzen.
Die Einführung von ML-Modellen an der einen Stelle schließt natürlich nicht aus, dass unabhängig davon an anderer Stelle – beispielsweise in der Marketing-Abteilung für die Erstellung von Produkttexten oder Werbematerialien– mit Gen-AI-Anwendungen wie ChatGPT experimentiert wird. Entscheidend ist eben in erster Linie die Gewichtung personeller und monetärer Kapazitäten, um sich nicht im Hype zu verlieren.