Warum dein Unternehmen nicht mehr als 10 Mitarbeiter haben sollte
Wird es komplex, kommt das Management
Prozesse seien zunehmend unüberschaubar geworden. Es bildeten sich Abteilungen heraus, Übergaben und Dokumentationen inklusive. „Meine Mitarbeiter hatten plötzlich Angst, etwas falsch zu machen und wollten sich absichern“, so der Inhaber. „Sie fragten nach regelmäßigen Meetings und nach jemandem, der die Verantwortung übernimmt.“ Kurz: Der Ruf nach Führung und Management wurde laut. „Das Startup-Feeling, das uns in den ersten Jahren so schlagkräftig hatte sein lassen, war verloren gegangen“, so Gorus. Es kamen weitere Kundenaufträge, doch das Team konnte nicht mehr angemessen reagieren. Die Anfragen stauten sich – einfach wie bisher weiterzuwachsen, war keine Option. „In dieser Situation noch jemanden einzustellen, hätte alles nur noch schlimmer gemacht“, erklärt Gorus den Handlungsstau. Eine Entscheidung musste her: Das Team verkleinern oder wachsen und eine Managementebene einziehen. „Viele haben mir damals zu einer kleinen, aber feinen Agentur geraten“, erinnert sich Gorus. Doch der Kommunikationsprofi sah das große Potenzial am Markt, das er unbedingt nutzen wollte. Er wollte wachsen. Doch eine funktionale Strukturierung war keine Option. „Ich wollte kein Chef einer 0815-Firma sein.“ Gorus wollte beides – wachsen und klein bleiben.
Umsatz verdreifacht
Die Lösung: nicht mehr Mitarbeiter in ein Team stopfen, sondern mehr Teams bilden. Mit den üblichen Business-Units hatte Gorus nichts am Hut. Auf diese Weise ließe sich nur ein minimales Maß an Verantwortung zurückholen. Zu groß sei die Gefahr, dass sich die Units auf den Erfolg der jeweils anderen verlassen. „Und wenn ich die Performance vergleichbar machen will, bin ich schon wieder mittendrin im Steuerungswahn“, so Gorus. Nur ein neues Unternehmen führe zu echter Verantwortung. „Egal, wie ich es drehe und wende, es kommt nur eines infrage: Jedes Team wird ein Startup, eine eigene Firma“, erinnert sich Gorus an die erste Zellteilung vor sechs Jahren. Inzwischen gibt es bereits vier Gesellschaften, die fünfte ist in Arbeit.
Das Arbeiten in kleinen Teams zahlt sich wirtschaftlich aus. Eine sinkende Komplexität im Arbeitsprozess setze nicht nur enorme Kräfte frei. Die Energie wandere auch ungehindert ins Wachstum, kein bisschen werde in lästigen Managementaktivitäten verbrannt. „Wir haben die Umsätze einer unserer neuen Gesellschaften in kurzer Zeit verdreifacht“, freut sich Gorus. Sind die Prozesse einfach, fiele es Mitarbeitern leicht, in hoher Qualität zu leisten. „Wenn sie sich sicher fühlen, wenn sie ihre Arbeit beherrschen, dann sind Mitarbeiter richtig gut“, ist Gorus überzeugt.
Teilen mit Sinn und Sympathie
Nun könne man nicht einfach mit der Axt zu Werke gehen und blind eine Schneise in die Mannschaft schlagen, um sie zu teilen. Entscheidend sei, dass am Ende jede Gesellschaft ihre Leistung eigenständig erbringen könne. Daher muss die Zellteilung stets entlang der Dienstleistung erfolgen. „Es ist wichtig, dass ein Prozess vom Anfang bis zum Ende in einer Gesellschaft bleibt“, so Gorus. Deshalb müsse man sich unbedingt sehr früh gemeinsam mit dem Thema Teilung auseinandersetzen. Denn so ein Prozess dauere. Auch wenn die Teilung seit Jahren zur Firmenphilosophie gehört, brauchen die Mitarbeiter, wenn es soweit ist, dann doch etwas Zeit, um sich an den Gedanken zu gewöhnen. Sobald der Inhaber erste Signale für einen drohenden Management-Bedarf wahrnimmt, geht Oliver Gorus auf sein Team zu und läutet den Teilungsprozess ein. „Jetzt kommt eine Phase, in der du als Geschäftsführer sehr viele Gespräche führst“, so Gorus. Wo genau sollte das Team sinnvollerweise geteilt werden? Grundsätzlich gilt: Ähnliche Leistungen bleiben beieinander. Schließlich wolle man die Komplexität reduzieren und die Prozesse vereinfachen.
Schwieriger ist dagegen der Aspekt: Wer arbeitet mit wem gut zusammen? „In den neuen Teams muss man sich unbedingt mögen“, ist Gorus überzeugt. Man könne eine gute Zusammenarbeit nicht auf dem Dienstweg verordnen. „Ein Team kann den Kunden nur begeistern, wenn es gern miteinander arbeitet.“ Ein reines Wunschkonzert sei die Teamzusammenstellung deswegen jedoch nicht. Die Wünsche seien mit den Bedarfen abzugleichen, sodass am Ende eine schlagkräftige Mischung entsteht. „Das ist vergleichbar mit einer Fußballmannschaft“, so Gorus. Da helfe es wenig, wenn man nur mit Verteidigern aufläuft. „Es braucht neben einer Spitzenabwehr auch ein paar gute Offensivkräfte und vor allem ein gutes Zusammenspiel, damit die Mannschaft gewinnt.“ Nach der Teilung des Teams zieht die neue Firma an einen anderen Standort. „Der Auszug ist wichtig, um sich abzunabeln und eine eigene Identität zu bilden“, ist Gorus überzeugt. Nur so könne sich das Team auch als neue Firma fühlen. Aus den Augen, aber nicht aus dem Sinn: Die Gesellschaften blieben im Gespräch. „Da wir ganz bewusst keine identischen Leistungen in verschiedenen Gesellschaften verorten, gibt es keinerlei Konkurrenzgedanken“, erklärt Gorus das Miteinander. So würden Kunden bedarfsweise ganz unkompliziert weitervermittelt. Künstlich unter einem Dach zusammenhalten müsse man die Gesellschaften jedoch nicht, meint Gorus, der den neuen Firmen bewusst Eigenständigkeit zugesteht. Jährlich gäbe es eine gemeinsame Feier, damit sich alle Akteure der „Gorus-Welt“ einmal sehen und austauschen können. Mehr Zusammenhalt brauche es nicht.
Nichts für Pöstchenjäger
Nicht für jeden taugt das Modell der Zellteilung. „Bei uns kann man nicht im klassischen Sinne Karriere machen“, so Gorus. Es gäbe keine Posten zu verteilen. So seien immer mal wieder Mitarbeiter abgesprungen, deren Manager-Hoffnungen nicht aufgingen. Und noch etwas müsse ein Mitarbeiter bei Gorus mitbringen: unbedingten Leistungswillen und Freude daran, sich hautnah mit dem Kunden und dem Markt auseinanderzusetzen. Schließlich stünde kein Chef dazwischen. Und auch wenn man in einem Gorus-Startup gern zusammenarbeitet, heißt das nicht, dass hier zwangsweise Harmonie herrscht. Im Gegenteil. „Ein Kuschelverein ist etwas anderes“, so Gorus. „Ich bin immer wieder überrascht, wie streng die Mitarbeiter miteinander umgehen.“ Gegenseitiges Fordern und soziale Kontrolle gingen einher mit hoher Leistungs- und Hilfsbereitschaft. Gemeinsam achte man darauf, dass sich niemand versteckt. Schließlich solle jeder einen Beitrag leisten – und das würde das Team mit Nachdruck einfordern. „Es ist etwas vollkommen anderes, wenn sich ein Team gegen den Chef verbündet als wenn es gemeinsam das Beste für den Kunden herausholen will“, beschreibt Gorus den kulturellen Unterschied.
Offen und konsequent
Für die Zellteilung selbst gibt es laut Gorus kein Patentrezept. Jedes Unternehmen müsse für sich den passenden Weg finden. Doch unabhängig davon, wann, wo und wie ein Team geteilt wird, wichtig sei eines: „Wenn du eine Idee hast, dann führe sie konsequent durch“, appelliert Gorus an Unternehmer, die sich wie er in die Startup-Idee verliebt haben. „Keine halben Sachen. Jedes Team muss eine eigene Firma werden. Mit allen Konsequenzen.“ Neben Konsequenz brauche es vor allem ein hohes Maß an Transparenz. Denn im Gegensatz zu einer herkömmlichen Unternehmensstruktur, in der sich das Management um sämtliche Entscheidungen kümmert, muss das Team hier selbst in die Bütt. Das geht nur, wenn jeder über alles Bescheid weiß. „Ob Finanzen oder Gehalt – du musst über alles reden“, so Gorus. Reden sei auch das richtige Mittel, wenn eine Gesellschaft mal nicht läuft. „Es kommt vor, dass eine Firma hinter den Möglichkeiten zurückbleibt“, so Gorus. „Wenn es partout nicht rund laufen will und auch Gespräche zu keiner Lösung führen, dann lässt sich die nächste Zellteilung dazu nutzen, die Teams neu zu mischen“, rät Gorus. Wenn alle Stricke reißen, könne man eine Gesellschaft auch dicht machen, ohne das gesamte Gefüge zu gefährden.
Das Argument, ständig neue Gesellschaften zu gründen, sei zu teuer, wischt Gorus vom Tisch. „Klar, mein Steuerberater freut sich“, schmunzelt Gorus. „Er darf in Kürze fünf statt nur einer Gesellschaft bilanzieren.“ Der Wachstumseffekt überträfe die Effizienznachteile jedoch bei weitem.
Mehr zum Thema: Warum wir es lieben, für ein Startup zu arbeiten
Gut für den Inhaber, nicht unbedingt immer für die Mitarbeiter, da es in Firmen mit 10 oder weniger Mitarbeitern keinen Kündigungsschutz gibt. https://www.haufe.de/personal/personal-office-premium/kuendigungsschutz-21-ermittlung-der-zahl-der-beschaeftigten_idesk_PI10413_HI663301.html
Das hört sich schön gruselig an: „Gegenseitiges Fordern und soziale Kontrolle gingen einher mit hoher LEISTUNGS- und Hilfsbereitschaft.“
Viel Leistung und ein wenig Hilfe. Das ist eine wunderschöne Agenturwelt.
Frei nach dem Motto: ich rede es schlecht, wenn ich es nicht kann… oder halt will
es? das Managen ;-)
Fraglos spricht viel für die Atmosphäre eines kleinen überschaubaren Teams und deswegen ist das Konzept kleiner autarker Invoations- oder Arbeitszellen ja auch nun wirklich nicht neu.
Aber wie Sven sagt, wenn man genau die 10 nimmt oder einen der anderen arbeitsrechtlichen Grenzwerte, spricht viel dafür, dass hier bewusst Arbeitsschutz und andere gesetzliche Auflagen umgangen werden sollen, nichts weiter.
Es ist ja nicht nur der Kündigungsschutz:
– Meldepflichten gegenüber den Behörden
– Arbeitsumfeldanforderungen
– Verpflichtung zur Ausbildung
– Arbeitnehmerrechte
etc.
Komme gerade vom Betriebratsseminar und habe genau das gedacht was Sven bereits mitgeteilt hat.
Mehrere GmbH mit max 10 Mitarbeitern, da war doch was.
Der Artikel ist dahingehend schon bedenklich, da ich persönlich davon ausgehe, dass die Unternehmensstruktur nicht nur aus den geschilderten Gründen so gewählt wurde. Es hätte den Geschäftsführer nichts davon abgehalten, die geschilderten positiven Effekte durch eine andere, zum Beispiel einfache räumliche Trennung zu erreichen.
Nein, hier wird versucht der Kündigungsschutz zu vermeiden, das ist eigentlich alles. Leider wird darauf in keinster Weise im Artikel eingegangen. Traurig.