Verfassungsbeschwerde: Staatstrojaner sollen verfassungswidrig sein
Im Mai 2018 ist die an die Datenschutz-Grundverordnung und das Bundesdatenschutzgesetz angepasste Version des Bundeskriminalamtgesetzes (BKA-Gesetz) in Kraft getreten. Bereits ein Jahr zuvor war das Gesetz reformiert worden. Der Gesellschaft für Freiheitsrechte zufolge soll es jedoch in großen Teilen verfassungswidrig sein, wie aus einer Pressemitteilung und einem Tweet hervorgeht. Daher hat die Organisation eine Verfassungsbeschwerde eingereicht.
Die Beschwerde greift vor allem verdeckte Überwachungsmaßnahmen mithilfe von Trojanern an. Zudem beklagt die GFF, dass die Möglichkeiten des BKA zur Verarbeitung von personenbezogenen Daten nahezu grenzenlos und nicht immer entsprechend gerechtfertigt seien.
Sicherheitslücken melden, statt sie für Staatstrojaner geheim nutzen
Die von Professor Matthias Bäcker von der Universität Mainz verfasste Verfassungsbeschwerde soll Licht in eine der GFF zufolge nicht ausgeleuchtete Lücke im Verfassungsrecht bringen. So heißt es in Abschnitt 5, Paragraf 51 des BKA-Gesetzes, dass das BKA dazu befugt ist, ohne Wissen der betroffenen Person die Telekommunikation der Person zu überwachen und aufzuzeichnen – insofern sie eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit darstellt. Die GFF beklagt jedoch, dass neben den Verdächtigen auch deren Kontaktpersonen leicht Opfer von heimlichen Überwachungsmaßnahmen werden würden. Dies sei verfassungswidrig. Zudem sei allein der Einsatz von Trojanern bereits verfassungswidrig, die meist den Herstellern unbekannte Sicherheitslücken ausnutzen. „Der Staat muss Sicherheitslücken den Herstellern melden, statt sie geheim zu halten“, beklagt der GFF-Vorsitzende, Ulf Buermeyer. Auch Hacker könnten solche Lücken ausnutzen, was beispielsweise bei Krankenhäusern schnell lebensgefährlich werden könne.
Datenspeicherung in Datenbanken ufert aus
In einem zweiten Teil soll die Beschwerde sich gegen vom BKA vorgesehene, neue Regeln für polizeiliche Datenbanken richten. Sie würden dazu führen, dass immer mehr Datenbanken, immer mehr Daten zusammengeführt würden und sich darin weit mehr personenbezogene Daten speichern ließen. Das BKA könne laut Buermeyer dadurch „aus zu geringem Anlass zu viele Daten zu vieler Menschen zu lange speichern und verarbeiten“. Der datenschutzrechtliche Grundsatz, der eine Zweckbindung zum Speichern, also das Nutzen der personenbezogenen Daten zum für den beim Speichern vorgesehenen Zweck vorsieht, würde dadurch aufgegeben werden. Tür und Tor seien dadurch unbefristet geöffnet und ein solches „Big-Brother-Gesetz“ könne das Bundesverfassungsgericht nicht billigen.
An Beschwerdeführer könnte Exempel statuiert werden
Einer der Beschwerdeführer soll der Kommunikationswissenschaftler und Aktivist Kerem Schamberger sein. Dem Aktivisten wird vorgeworfen, mit den Volks- und Frauenverteidigungseinheiten „YPG“ und „YPJ“ in Rojava sympathisiert zu haben. Er hat bereits mehrere „Fahnenprozesse“ wegen des öffentlichen Zeigens von Symbolen kurdischer Freiheitsbewegungen hinter sich. Bislang kam Schamberger meist mit Freisprüchen davon. Nun droht ihm, dass an ihm ein Exempel der Staatsanwaltschaft statuiert wird. Gegen ihn wird in zwei Verhandlungstagen, am 1. Oktober und am 15. Oktober, am Amtsgericht München ein Verfahren eröffnet, das insgesamt 13 Anklagepunkte umfasst, weshalb er u.a. auf Twitter um Solidarität bittet.
Sein Engagement für die Beschwerde der GFF begründet er hingegen damit, dass ihn ein Eintrag in die Polizeidatenbank belaste. Er fuße nicht auf Strafurteilen, sondern auf einem vagen Gefühl von Unliebsamkeit. Er wolle zudem nicht, dass künftig noch mehr unschuldige Menschen ohne Anlass von der Polizei festgehalten, befragt, an der Anreise gehindert oder inhaftiert werden. Neben Schamberger sollen zwei Rechtsanwälte die Beschwerde anführen. Die Anwälte sollen u.a. Terrorverdächtige zu ihren Mandanten zählen. Diese Mandanten sollen befürchten, Opfer heimlicher Überwachung zu werden, und sollen mit einem Eintrag in der Datenbank vertreten sein, ohne, dass sie sich in „relevanter Weise“ strafbar gemacht hätten.
Das Bundeskriminalamt hat sich bislang nicht zur Beschwerde geäußert.
Nicht die erste Kritik am BKA-Gesetz
Bereits 2016 erklärte das Bundesverfassungsgericht wesentliche Teile des BKA-Gesetzes für unvereinbar mit dem Grundgesetz und reformierte es daraufhin. Die Reform stieß jedoch auf große Kritik, unter anderem durch die FDP. So sei die Reform eine „Nacht-und-Nebel“-Aktion gewesen. Die Partei hatte daher angekündigt, gegen die neue gesetzliche Befugnis nach Karlsruhe ziehen zu wollen. Die Motivation der Gesellschaft für Freiheitsrechte ist grundlegender. Sie besteht laut eigener Aussage darin, Gerichtsverfahren zur Verteidigung von Grund- und Menschenrechten zu koordinieren, um so die Rechte von Bürgern gegen staatliche Verletzungen zu verteidigen.
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