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MIT Technology Review Kommentar

Warum uns künstliche Befruchtung allein nicht vor einer drohenden Geburtenkrise bewahren kann

Familienfreundliche Politik und Gleichstellung der Geschlechter könnten hilfreicher sein als künstliche Befruchtungstechnologien.

Von MIT Technology Review Online
5 Min.
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Weltweit sinken die Fruchtbarkeitsraten. (Foto: Nytsenko Yuliia/ Shutterstock)

Mehr als acht Milliarden Menschen bevölkern die Erde. Bis 2030 werden es wahrscheinlich 8,5 Milliarden sein. Ständig werden wir vor den Gefahren der Überbevölkerung und auch vor den Auswirkungen gewarnt, die wir Menschen auf unseren Planeten haben. Es scheint also etwas kontraintuitiv, sich darüber Sorgen zu machen, dass wir uns nicht genug fortpflanzen.

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Genau darüber aber machen sich viele Wissenschaftler große Sorgen. Die Verbesserungen im Gesundheitswesen und in der Abwasserentsorgung tragen dazu bei, dass wir alle länger leben. Allerdings bekommen wir nicht genug Kinder, um uns im Alter zu unterstützen. Die Fruchtbarkeitsraten sinken in fast allen Ländern.

Doch halt. Wir haben Technologien zur Lösung dieses Problems. Die künstliche Befruchtung (IVF) trägt dazu bei, mehr Kinder als je zuvor in die Welt zu setzen, und sie kann die Fruchtbarkeitsprobleme älterer Eltern ausgleichen.

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Leider ist es nicht ganz so einfach. Die Forschung zeigt, dass diese Technologien uns nur bis zu einem gewissen Punkt bringen können. Wenn wir wirkliche Fortschritte erzielen wollen, müssen wir auch an der Gleichstellung der Geschlechter arbeiten.

Wissenschaftler betrachten die Fruchtbarkeit in der Regel anhand der Zahl der Kinder, die eine durchschnittliche Frau in ihrem Leben bekommt. Für eine stabile Bevölkerungszahl muss diese sogenannte Gesamtfruchtbarkeitsrate (total fertility rate, kurz TFR) bei etwa 2,1 liegen.

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„Rückläufig, spät und kinderlos“

Dieser Wert ist jedoch in den letzten 50 Jahren gesunken. In Europa beispielsweise lag die TFR für Frauen, die 1939 geboren wurden, bei 2,3, während sie für Frauen, die 1981 geboren wurden (und heute 42 oder 43 Jahre alt sind), auf 1,7 gesunken ist. „Wir können [die letzten 50 Jahre] in drei Worten zusammenfassen: Rückläufig, spät und kinderlos“, sagte Gianpiero Dalla Zuanna von der Universität Padua Anfang Juli auf der Jahrestagung der „European Society of Human Reproduction and Embryology“.

Für diesen Rückgang gibt es eine Reihe von Gründen. Etwa einer von sechs Menschen ist von Unfruchtbarkeit betroffen, und weltweit bekommen viele Menschen nicht so viele Kinder, wie sie gerne hätten. Dazu entscheiden sich immer mehr Menschen für ein Leben ohne Kinder. Andere zögern die Familiengründung hinaus, vielleicht weil sie mit steigenden Lebenshaltungskosten konfrontiert sind und sich kein Eigenheim leisten können. Manche zögern, Kinder zu bekommen, weil sie sich Sorgen um die Zukunft machen. Wer kann es ihnen angesichts der anhaltenden Bedrohung durch globale Kriege und den Klimawandel verdenken?

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Diese Geburtenkrise hat nicht nur finanzielle, sondern auch soziale Folgen. Schon jetzt gibt es weniger junge Menschen, die eine größere Anzahl älterer Menschen unterstützen. Das ist also nicht nachhaltig. „Europa hat heute zehn Prozent der Bevölkerung, 20 Prozent des Bruttoinlandsprodukts und 50 Prozent der Sozialausgaben der Welt“, sagte Dalla Zuanna auf der Tagung. In zwanzig Jahren wird es 20 Prozent weniger Menschen im fortpflanzungsfähigen Alter geben als heute, warnte er.

Davon wird nicht nur Europa betroffen sein. Die weltweite Fruchtbarkeitsrate lag 2021 bei 2,2, also weniger als halb so hoch wie 1950, als sie noch bei 4,8 lag. Nach einer aktuellen Schätzung sinkt die weltweite Fruchtbarkeitsrate um 1,1 Prozent pro Jahr. Einige Länder sind mit besonders starken Rückgängen konfrontiert: Im Jahr 2021 lag die TFR in Südkorea bei nur 0,8 – und damit weit unter dem Wert von 2,1, der zur Erhaltung der Bevölkerung erforderlich ist. Wenn sich dieser Rückgang fortsetzt, ist damit zu rechnen, dass die globale TFR bis 2050 bei 1,83 und bis 2100 bei 1,59 liegen wird.

Künstliche Befruchtung hilft, reicht aber nicht

Was ist also die Lösung? Fruchtbarkeitstechnologien wie IVF und das Einfrieren von Eizellen werden als eine mögliche Lösung angepriesen. Mehr Menschen als je zuvor nutzen diese Technologien, um schwanger zu werden. Alle 35 Sekunden wird irgendwo auf der Welt ein IVF-Baby geboren. IVF kann uns in der Tat dabei helfen, einige Fruchtbarkeitsprobleme zu überwinden, einschließlich derjenigen, die bei Menschen auftreten können, die eine Familie nach dem 35.

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In Ländern mit hohem Einkommen ist die IVF bereits bei fünf bis zehn Prozent der Geburten im Einsatz. „Man sollte meinen, dass IVF unsere Lösung sein muss“, sagte Georgina Chambers, Leiterin der National Perinatal Epidemiology and Statistics Unit an der UNSW Sydney in Australien, in einem anderen Vortrag auf der ESHRE.

Leider ist es unwahrscheinlich, dass die Technologie die Fruchtbarkeitskrise in absehbarer Zeit lösen wird, wie Chambers‘ eigene Forschung zeigt. Eine Handvoll Studien deutet darauf hin, dass der Einsatz von assistierten Reproduktionstechnologien (ART) die Gesamtfruchtbarkeitsrate eines Landes nur um etwa eins bis fünf Prozent erhöhen kann. Die USA etwa befinden sich am unteren Ende dieser Skala: Schätzungen zufolge stieg die Fertilitätsrate 2020 durch den Einsatz von ART um etwa 1,3 Prozent. In Australien hingegen hat die ART die Fruchtbarkeitsrate um fünf Prozent erhöht.

Zugang zu der IVF-Technologie

Wie kommt es zu diesem Unterschied? Das liegt vor allem am unterschiedlich guten Zugang zu der Technologie. IVF kann in den USA unerschwinglich teuer sein. Ohne Versicherungsschutz kann ein einziger IVF-Zyklus etwa die Hälfte des verfügbaren Jahreseinkommens einer Person kosten. Zum Vergleich: In Australien, wo angehende Eltern viel staatliche Unterstützung erhalten, kostet ein IVF-Zyklus nur sechs Prozent des durchschnittlichen verfügbaren Jahreseinkommens.

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In einer anderen Studie haben Chambers und ihre Kollegen herausgefunden, dass die künstliche Befruchtung in gewissem Maße dazu beitragen kann, die Fruchtbarkeit von Frauen wiederherzustellen, die später im Leben versuchen, Kinder zu bekommen. Es ist schwierig, hier genau zu sein, denn es lässt sich kaum sagen, ob einige der Geburten, die auf IVF folgten, auch ohne diese Technologie stattgefunden hätten.

So oder so sind IVF und andere Fruchtbarkeitstechnologien kein Allheilmittel. Werden sie zu sehr als solche verkauft, besteht die Gefahr, dass die Menschen die Familiengründung weiter hinauszögern, sagt Chambers. Es gibt andere Möglichkeiten, die Fruchtbarkeitskrise zu bewältigen.

Dalla Zuanna und seine Kollegin Maria Castiglioni sind der Meinung, dass Länder mit niedrigen Fruchtbarkeitsraten, wie ihr Heimatland Italien, die Zahl der Menschen im reproduktiven Alter erhöhen müssen. „Die einzige Möglichkeit, dies in den nächsten 20 Jahren zu erreichen, besteht darin, die Einwanderung zu erhöhen“, sagte Castiglioni auf der ESHRE-Konferenz.

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„Pronatalistische“ Maßnahmen

Mehrere Länder haben „pronatalistische“ Maßnahmen ergriffen, um die Menschen zu ermutigen, Kinder zu bekommen. Einige beinhalten finanzielle Anreize: In Japan haben Familien Anspruch auf einmalige Zahlung bei der Geburt und monatliche Zuschüsse für jedes Kind, die ab Oktober aufgestockt werden sollen. Australien hat über mehrere Jahrzehnte verschiedene Einzelsummen- und monatliche „Baby-Boni“ eingeführt und auch Deutschland zahlt schon lange ein monatliches Kindergeld.

„Sie funktionieren nicht“, sagte Chambers. „Sie können den Zeitpunkt und die Abstände der Geburten beeinflussen, aber sie sind nur von kurzer Dauer. Und sie sind zwanghaft: Sie wirken sich negativ auf die Gleichstellung der Geschlechter und die reproduktiven und sexuellen Rechte aus.“

Dagegen können familienfreundliche Maßnahmen funktionieren. In der Vergangenheit war der Rückgang der Geburtenraten mit der steigenden Erwerbsbeteiligung der Frauen verbunden. Das ist heute nicht mehr der Fall. Heute sind höhere Frauenerwerbsquoten mit höheren Fruchtbarkeitsziffern verbunden, so Chambers. „Die Fruchtbarkeit steigt, wenn Frauen Beruf und Familie gleichberechtigt mit den Männern vereinbaren“, sagte sie auf der Tagung. Die Gleichstellung der Geschlechter kann zusammen mit Maßnahmen, die den Zugang zu Kinderbetreuung und Elternurlaub fördern, eine viel größere Wirkung haben.

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Diese Maßnahmen werden nicht alle Probleme lösen. Aber wir müssen anerkennen, dass die Technologie allein die Fruchtbarkeitskrise nicht lösen kann. Und wenn die Lösung darin besteht, die Gleichstellung der Geschlechter zu verbessern, dann ist das sicherlich ein Gewinn für alle Beteiligten.

Der Text stammt von Jessica Hamzelou. Sie ist Redakteurin bei der US-amerikanischen Ausgabe von MIT Technology Review und berichtet vor allem über Themen aus der Biomedizin.
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