
Wer noch ein Streitthema für die Mittagspause sucht, bitteschön: Was ist eigentlich ein Startup!? Und gehört der Berliner Musikdienst Soundcloud noch dazu? Daran scheiden sich seit Jahren die Geister. Während die einen stets vom Alter der Gründung her argumentieren, schicken andere lieber den Innovationsgrad der Idee oder die Art der Finanzierung als Hauptkriterium ins Rennen. Aber wo liegt die Wahrheit?

Diese Kriterien sprechen für ein Startup. (Foto: Factory Berlin)
Leider hat auch die sonst so lupenreine Wissenschaft keine eindeutige Antwort. Zwar gibt es haufenweise Definitionen, wie die vom „Lean Startup“-Autor Eric Ries. Er schreibt: „Ein Startup ist eine menschliche Institution, die ein neues Produkt oder eine neue Dienstleistung in einem Umfeld extremer Ungewissheit entwickelt“. Wenn im Grunde auch richtig, so lässt diese Definition trotzdem viele Faktoren außer Acht.
Was es also braucht ist weniger eine allgemeingültige Definition als vielmehr eine Art Schablone, die sich über jedes Unternehmen „legen“ lässt, sodass eine vergleichsweise sichere Zuordnung in eines der beiden Lager – Startup oder Mittelstand – möglich ist. Aus Gesprächen mit Gründern und der mehrjährigen Erfahrung als Startup-Redakteur habe ich mir eine solche Schablone entworfen. Im Folgenden möchte ich meine Erkenntnisse teilen. Auch sie erheben keinen Anspruch auf allgemeine Gültigkeit, helfen aber vielleicht dabei, bei künftigen Diskussionen die Oberhand zu behalten.
Wann man von einem Startup spricht
Das Alter spielt fast keine Rolle
Überhaupt keine Diskussion: Ein Unternehmen, das bereits seit 20 oder 30 Jahren existiert, ist kein Startup mehr. Kein Investor würde so lange auf sein Geld warten wollen. Ein solches Unternehmen wäre entweder längst pleite oder zumindest an der Börse notiert. Doch die weitverbreitete Annahme, ein Startup sei deshalb per Definition nicht älter als drei oder fünf Jahre, ist genauso falsch.
Denn grundsätzlich geht es bei einem Startup ja darum, ein neues Produkt oder eine neue Dienstleistung gewinnbringend am Markt zu etablieren. Und das kann – wie die Realität um Airbnb oder Facebook zeigt – bis zu zehn Jahre dauern. Je nachdem, wie sehr Investoren an die Idee glauben und bereit sind, sie vorzufinanzieren.
Die Technologie ist disruptiv
Aber warum gehen dann gewöhnliche Existenzgründungen wie Bäckereien oder ein Friseur nicht als Startup durch? Eine berechtigte Frage. Schließlich versuchen auch sie, ein Produkt oder eine Dienstleistung profitabel zu verkaufen. Die Antwort ist einfach: Das Geschäftsmodell ist nicht innovativ genug. Es handelt sich um ein bewährtes Konzept ohne technologischen und disruptiven Anspruch.
Anders verhält es sich bei einem Startup: Seine Produkte basieren in der Regel auf patentierten Technologien mit dem Potenzial, bestehende Märkte von Grund auf umzukrempeln. Als Kanal zum Vertrieb des Produkts wird zudem nicht der stationäre Handel, sondern das Internet als virtueller Marktplatz genutzt. Nicht umsonst wurde der Begriff „Startup“ maßgeblich während des Dotcom-Booms in den 90er Jahren geprägt, als ein weitverbreiteter Optimismus hinsichtlich neuer Technologien zu einem Gründerboom führte. Das beste Beispiel: Amazon.
Das Wachstum ist international
Auch das Wachstum unterscheidet ein Startup von einer normalen Existenzgründung. Eine Bäckerei eröffnet – entsprechenden Erfolg vorausgesetzt – noch eine zweite oder dritte Filiale in einer Stadt. Vielleicht wird auch eine landesweite Ladenkette draus. Niemals wird sie jedoch eine frühzeitige Internationalisierung anstreben.
Bei einem Startup mit technologiegetriebenem Geschäftsmodell hingegen ist die schnelle Ausweitung der Geschäfte in andere Länder notwendig, um signifikante Marktanteile (etwa ausgedrückt in den Nutzerzahlen eines Online-Services) zu gewinnen. Bekannt ist dieses Phänomen auch unter dem Begriff „First-mover advantage“. Das erfordert erheblichen Kapital- und Personalbedarf.
Das Scheiter-Risiko besteht noch
Wie die Realität zeigt, können sich Startups durch frühzeitige Gewinne auch selbst finanzieren. Dies ist jedoch eher die Ausnahme. Zumal viele internetbasierte Produkte wie beispielsweise Apps oder Online-Dienste zum schnellen Aufbau einer großen Nutzerbasis anfangs kostenlos angeboten werden. Erst später – wenn Nutzer sich an das Produkt gewöhnt haben – werden sie zur Kasse gebeten.
Solange aber noch kein funktionierendes Geschäftsmodell gefunden wurde, befindet sich das Unternehmen in einem von starker Ungewissheit geprägten Schwebezustand. Sind die Nutzer überhaupt bereit, für das gewählte Modell zu zahlen? Haben die Investoren noch Geduld? Wie lange reicht das Kapital noch? Sind diese Fragen noch nicht eindeutig geklärt, spricht man von einem Startup.
Warum Soundcloud noch ein Startup ist
Legt man diese Kriterien zu Grunde, lässt sich abschließend auch die eingangs gestellte Frage beantworten: Ist Soundcloud noch ein Startup? Ja! Zwar existiert der Musikstreaming-Dienst (Technologie) bereits seit zehn Jahren (Alter). Allerdings befindet sich Soundcloud trotz fortgeschrittener Internationalisierung (Wachstum) noch immer auf der Suche nach einem profitablen Geschäftsmodell – oder hat noch nicht genügend Nutzer gewonnen, um damit Gewinne zu erzielen (Risiko).