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Kolumne

Aus Fehlern lernen? Warum du sie dafür nicht erst machen musst

Unternehmen, die etwas auf sich halten, schreiben sich eine sogenannte „positive Fehlerkultur“ auf die Fahnen. Mitarbeiter sollen Fehler machen dürfen – um zu lernen. Warum das gar nicht nötig ist. Im Gegenteil.

Von Alexandra Vollmer
3 Min.
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Kupplung langsam kommen lassen: Wenn einer weiß wie's geht, warum dann damit hinter dem Berg halten? (Foto: wellphoto/Shutterstock)

Wenn der Jüngste ins Krabbelalter kommt und keine Treppe mehr vor ihm sicher ist, was werden die Eltern tun? Werden sie ihn kopfüber die Stufen hinunterstürzen lassen – damit er lernt, dass es so nicht geht? Oder die Fahrschule? Wird sie damit werben, dass Schüler dort Fehler machen dürfen? Autos zu Schrott fahren – obwohl der Fahrlehrer weiß, wie es geht? Kein vernünftiger Mensch würde so etwas tun. Eltern werden ihrem Jüngsten vor dem Treppen-Abenteuer mit auf den Weg geben, dass Rückwärts-Krabbeln die sicherste Form des Abstiegs ist. Und der Fahrlehrer wird dem Schüler das Zusammenspiel von Gas, Kupplung und Bremse zeigen – bevor dieser auf die viel befahrene Kreuzung fährt, nicht danach.

Schaden vermeiden

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Der Wirtschaftswissenschaftler Fredmund Malik haut in die gleiche Kerbe: „Für alle Berufe einer modernen Gesellschaft gilt, dass Fehler nicht vorkommen dürfen. (…) Nur eine bestimmte Sorte von scheinbar modernen und trendigen, in Wahrheit aber einfach dummen Managementgurus glaubt offenbar, dass das für sie nicht gelte, dass sie sich die Sorglosigkeit ihrer kindlichen Sandkastenphase ein Leben lang leisten könnten. Sie scheinen in einer Welt zu leben, in der es weder Professionalismus noch Sorgfaltspflicht gibt. Sie scheinen noch nichts von Haftung und Schadenersatz gehört zu haben.“ Okay, also absichern, um bloß keinen Mist zu bauen?

Zahlreiche Unternehmen sehen das anders. Hier gilt: Wer in Sachen moderne Führung etwas auf sich hält, der müsse Fehler zulassen. Mitarbeiter deckeln und Fehler sanktionieren – das würde ja wohl ein völlig überholtes Menschenbild transportieren.

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Ja, was denn nun? Fehler um jeden Preis vermeiden? Oder doch lieber großherzig zulassen?

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Sagen, wie’s geht

Gehen wir mal einen Schritt zurück. Was ist gemeint, wenn wir vom Fehler-Machen sprechen? Fehler beschreiben die Abweichung von einer Erwartung oder einer Norm – in jedem Fall die Abweichung  von etwas „Richtigem“. Das bedeutet zwangsläufig auch, dass dieser „richtige“ Zustand bekannt ist. Sprich, irgendjemand im Team oder im gesamten Unternehmen kennt den Einkaufsprozess für Druckerpatronen. Irgendjemand hat das Tool schon mal angewendet, das die Buchhaltung so viel einfacher macht. Irgendjemand weiß, dass der langjährige Kunde im Einstieg keine Zitate mag. Warum damit hinter dem Berg halten? Warum sollen die Mitarbeiter immer erst von selbst drauf kommen? Warum sollen sie Dinge mühsam ausprobieren, wenn das Wissen im Unternehmen doch bereits vorhanden ist? Warum sollen sie also einen Fehler nach dem anderen machen?

Jetzt treten die Fehler-Lern-Apostel auf den Plan. Sie sind davon überzeugt, dass Menschen am besten aus Fehlern lernen. Dass sie sich die Sache schlicht besser merken, wenn sie vorher auf die Nase gefallen sind. Humbug. Wenn du einem Vierjährigen sagst, dass er die Herdplatte nicht anfassen soll, weil die heiß ist, dann wird er das auch nicht tun. Dafür muss er sich nicht erst vorher verbrennen. Wenn du einem Kollegen sagst, dass Herr Schmidt keine Zitate mag, dann wird er sie nicht verwenden. Der Lerneffekt ist da, bevor Herr Schmidt im Karree springt. Wenn jemand weiß, wie’s geht, wenn also Wissen in einer Organisation vorhanden ist, dann muss sie dieses Wissen nutzen.

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Irren ist menschlich

Anders verhält es sich bei einem unbekannten Problem. Bei einem Problem, wofür es keine vorgefertigte Lösung gibt. Für einen Fall, bei dem niemand weiß, wie am besten vorzugehen ist. „In einer solchen Situation geht es darum, etwas auszuprobieren – und aus den Ergebnissen zu lernen“, bestätigt auch Mark Poppenborg, Gründer des Netzwerkes intrinsify.me. Jetzt ginge es darum, Irrtümer zuzulassen. Irrtümer? Ja, genau. Ein Irrtum bedeutet: Ich hatte Annahmen darüber, wie die Welt ist. Aber es stellt sich heraus, dass ich mich in diesen Annahmen geirrt habe. Das ist etwas völlig anderes als ein klassischer Fehler. Fehler lassen sich vermeiden, wenn einer sagt, wie es geht. Irrtümer hingegen nicht. Wenn es um neue Ideen – also um eine Innovation – geht, dann gibt es noch gar keine konkrete Erwartung an das Ergebnis. Hier gibt es keine vorgezeichneten Wege. „Eine Innovation steht immer am Ende einer langen Aneinanderreihung von Irrtümern. Und genau das sollten Unternehmen zulassen“, so Poppenborg.

 

Mehr zum Thema: „Digital Leadership: So gehst du mit Fehlern deiner Mitarbeiter um“

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2 Kommentare
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JK

Danke. Der Artikel spricht mir aus dem Herzen.
Fehler kosten nunmal: Zeit, Geld, Nerven.

Antworten
Johannes W

Joa, meine Meinung zum Artikel ist wie folgt:

Ich finde es gut, sich mit dem Thema „Fehlerkultur“ auseinanderzusetzen. Ja, Mitarbeiter sinnlos in Fehler reinlaufen zu lassen ist Unsinn und führt wahrscheinlich auch zu Frust bei diesen. Dass das nicht mit Fehlerkultur gemeint sein kann, liegt wohl auf der Hand.

In vielen Betrieben (in meinem auch), gilt aber die Regel, „das haben wir immer so gemacht“, die keinen Raum für Verbesserungen bietet. Und was letztlich gewagt werden darf oder nicht, entscheidet nicht der kompetente Mitarbeiter, sondern die ahnungslose Führungskraft. Nichts gegen die Kompetenzen einer Führungskraft, aber die Spezialisierung der Mitarbeiter führt unweigerlich dazu, dass die Kompetenz und damit auch das Risiko irgendwann allein beim Mitarbeiter liegt.
Wenn dieser Mitarbeiter dann doch mal etwas neues ausprobiert und das passiert nunmal ständig im Bereich der Wissensarbeit (und darum geht es bei t3n ja wohl), dann muss er eben auch ermächtigt werden, Dinge in einem gewissen Maße auszuprobieren.

Ob man bei Fehlversuchen dann im Nachhinein „Ups, ich habe einen Fehler gemacht“ oder „ups, das war ein Irrtum“ sagt, halte ich für Haarspalterei, leider ist das Fazit dieses Artikels nicht viel mehr.

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