Wie viel sollten Mütter und Väter arbeiten? Das denken die Deutschen – und so sieht die Realität aus

Folgendes Szenario: Da ist eine Familie, bestehend aus Mutter, Vater und einem zweijährigen Kind. Wie viel Erwerbsarbeit sollte der Vater, wie viel die Mutter leisten? Üben sie ihren Beruf in Voll- oder Teilzeit aus, hat vielleicht ein Elternteil gar keinen festen Job?
Zu genau diesem Szenario hat das Bundesamt für Statistik eine Umfrage durchgeführt. Die Ergebnisse und einen Realitätscheck liefert der deutsche Sozialbericht 2024.
Idealvorstellung: Mütter arbeiten mehr, Väter weniger
Befragt hat das Bundesamt für Statistik eine repräsentativ ausgewählte Gruppe von Menschen zwischen 18 und 50 Jahren. Neben dem Szenario mit einem zweijährigen Kind sollten die Teilnehmenden auch ein Szenario mit älterem Nachwuchs (vier, acht, zwölf und achtzehn Jahre alt) beurteilen.
Das Ergebnis: Geht es nach den Idealvorstellungen der Befragten, würden Mütter deutlich mehr und Väter deutlich weniger Lohnarbeit leisten als aktuell. Die realen durchschnittlichen Arbeitsstunden der Väter lagen in fast allen Fällen über dem angegebenen Ideal, lediglich die Väter von volljährigen Kindern arbeiten minimal weniger als von den Befragten veranschlagt.
Bei den Müttern zeigt sich quasi ein umgekehrter Effekt. Im Szenario mit einem zweijährigen Kind liegen die realen Erwerbsarbeitsstunden von Müttern leicht über dem Ideal der Befragten, mit zunehmendem Alter des Kindes liegt die reale Stundenzahl deutlich unter dem Idealwert der Befragten.
645.000 zusätzliche Vollzeitkräfte? Ein hypothetisches Szenario
Rechnet man die angegebenen Ideal-Stunden mit den aktuell geleisteten Stunden gegen, würde sich bei den Vätern ein Minus von 320.000 Vollzeitkräften ergeben, bei den Müttern ein Plus von 645.000 Vollzeitkräften. Insgesamt würde der Arbeitsmarkt im hypothetischen Szenario also ordentlich Vollzeit-Zuwachs bekommen.
Die Studienautoren machen allerdings direkt deutlich, dass die Argumentation „hypothetisch“ sei, „da die Arbeitszeiten nicht exakt so auf dem Reißbrett verteilt werden können“. Sie zeige aber doch die Potenziale, die sich auftun würden, „wenn Arbeitszeiten im Lebensverlauf von Familien neu gedacht werden“.
Mehr Vereinbarkeit: „Die größte Hürde ist ein fehlendes Verständnis der Arbeitgeber“
Ein Blick auf die Realität zeigt allerdings auch: Es gibt derzeit noch gewaltige Hürden. Martin Bujard, stellvertretender Direktor des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung, sagt gegenüber dem ZDF: „Die größte Hürde ist ein fehlendes Verständnis der Arbeitgeber, dass sich nicht nur die Familie an den Arbeitsmarkt anpassen muss, sondern auch der Arbeitsmarkt an die Familie.“
Im Bericht heißt es dazu unter anderem: „Familienbedingte temporäre Phasen mit beispielsweise 25, 30 oder 35 Wochenstunden“ dürften „nicht zu Karrierenachteilen führen, wie es gegenwärtig der Fall ist. Vorgesetzte sollten insbesondere mit Müttern, die halbtags arbeiten, beispielsweise in jährlichen Mitarbeitendengesprächen, die Chance für Fortbildung, die Übernahme von Projekt- oder Führungsverantwortung und gegebenenfalls einen Anstieg der Arbeitszeiten erörtern“.
Aber nicht nur bei den Arbeitgebenden müsste sich etwas ändern, um die Verteilung von Erwerbs- und Care-Arbeit langfristig zu verändern: Die Autor:innen des Berichts nennen „eine stärkere Partizipation von Vätern in der Familienarbeit (…), die gleichzeitig die langfristigen beruflichen Potenziale der Mütter voranbringt“ genauso als notwendigen Schritt wie eine „verlässlichere ganztägige Betreuung in Kitas und Schulen“ vonseiten der Politik.