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Interview

Kind und Karriere: „Männer stehen jetzt vor einem Problem, das Frauen schon kennen“

Der Vater geht arbeiten, während die Mutter die Kinder hütet. Ein veraltetes Rollenbild, das unsere Gesellschaft und Arbeitswelt lange geprägt hat. Wie beeinflussen veränderte Familienstrukturen die Arbeitswelt und die Erwartungen an Väter und Mütter?

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Wie viel Care-Arbeit Väter übernehmen, hängt von dem vorherrschenden Rollenbild ab, erzählt Väterforscher Andreas Eickhorst im Interview (Foto: wavebreakmedia/Shutterstock).

Seit über 20 Jahren forscht der Psychologe Andreas Eickhorst zu Vätern, ihren Kompetenzen und Wohlbefinden. An der Hochschule Hannover hält er seit 2018 eine Professur für Psychologische Grundlagen Sozialer Arbeit. Im Interview spricht er darüber, wie die Gesellschaft die Vaterschaft prägt und vor welchen Herausforderungen Eltern in Deutschland heute stehen.

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t3n: Herr Eickhorst, was hat sich für Väter in Deutschland in den letzten Jahrzehnten verändert?
Andreas Eickhorst: Was sich gar nicht so sehr verändert hat, sind die Väter selbst. Sie waren schon immer eine vielseitige Gruppe und kompetenter, als man oft dachte. Was sich verändert hat, ist das, was die Gesellschaft von ihnen erwartet. Heute wird mehr über ihre Rolle diskutiert und Väter stehen vor einem Problem, das Frauen schon länger kennen: die Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

Früher hat die Gesellschaft für Väter vorgesehen, dass sie die Ernährer der Familie sind, viel Zeit auf der Arbeit verbringen und deswegen keine enge Bindung zu ihren Kindern haben. Dieses Rollenbild des „abwesenden Vaters“ war nach dem Zweiten Weltkrieg verbreitet, denn viele Väter kamen aus dem Krieg heim und waren emotional abwesend oder mussten sehr viel arbeiten. In den 1970er/80er Jahren hat man genauer hingeschaut und viele Nachteile in dieser vaterlosen Gesellschaft gesehen. „Neue Väter“ sollten möglichst dicht an der Familie dran sein, den Kindern viel bieten, zärtlich sein und vieles mehr. Heute hat sich der Blick der Wissenschaft erweitert und sieht sie nicht als homogene Gruppe, sondern verschiedene Teilgruppen. So hat die Vaterrolle mehr Facetten bekommen und wird zunehmend differenzierter. Es gibt alleinerziehende Väter, homosexuelle Väter, reiche Väter, alte Väter, religiöse Väter, depressive Väter …

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t3n: Wann und wie sind die „neuen Väter“ entstanden?
Etwa in den 1980er Jahren, ungefähr zur gleichen Zeit als Frauen dafür kämpften, in nennenswertem Maße berufstätig sein zu können. Öffentlich wurde viel über neue Mütterlichkeit und neue Väterlichkeit diskutiert, die Wissenschaft begann, sich mehr für die Vaterrolle zu interessieren, und die Elternzeit wurde eingeführt. Übrigens nahmen damals etwa zwei Prozent aller Väter die Elternzeit in Anspruch. Heute sind es fast 40 Prozent der Väter.

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Verglichen mit den möglichen 100 Prozent ist das wenig. Aber verglichen damit, dass damals schon fünf Prozent gefeiert wurden, sind die heutigen Zahlen hoch. Verhalten verändert sich nur sehr langsam, sodass die Entwicklung vergleichsweise schnell ablief.

t3n: Gleichberechtigung ist in Deutschland schon lange ein großes Thema. Trotzdem stecken in Deutschland immer noch viele Mütter für den Nachwuchs beruflich zurück. Woran kann das liegen?
Die Debatte und die Einstellungen in der Bevölkerung sind weiter als das eigentliche Verhalten der Einzelpersonen. Oft gibt es automatische Erwartungen vom Paar selbst oder von der Familie, dass die Frau die Elternzeit nimmt und der Mann arbeiten geht. Es ist eben doch einfacher, Dinge verbal zu fordern, als sie selbst umzusetzen. Hinzu kommen andere individuelle Gründe wie konservative Arbeitgeber, die Gleichberechtigung ausbremsen. Bis die Menschen ein neues Rollenbild verinnerlichen und weitergeben, braucht es Zeit: so lange, bis es Kinder gibt, die mit Eltern aufgewachsen sind, die nicht mehr das klassische Rollenbild vorleben.

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Es ist wie bei einer neuen Technologie, die schnell erfunden ist, aber bis zur breiten Nutzung durch die Bevölkerung ist es oft ein langer Weg. Außerdem gibt es auch konservative Gegenbewegungen, die konservative Rollenbilder bewahren wollen. Im Netz sind die oft sehr laut, aber ich kann schlecht einschätzen, welche Bedeutung das gesamtgesellschaftlich hat.

t3n: Wie unterscheiden sich die Bedingungen für Mütter und Väter bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf?
Die beiden Gruppen werden unterschiedlich stark gehört. Frauen, die in den Beruf zurück wollen, sich für Gleichberechtigung und gleiche Bezahlung einsetzen, haben wahrscheinlich eine größere Not und dadurch eine lautere Stimme. Es ist für Frauen eine ökonomische Frage, während es für Männer eine emotionale ist. Wollen Männer mehr Zeit für ihre Kinder haben, müssen sie dafür oft auf finanzielle Anreize verzichten. Väter haben eine schlechtere Lobby und werden oft nicht ernst genommen, wenn sie sich für ihre Rechte am Kind einsetzen und mehr Zeit für die Familie nehmen wollen. Ein schönes Beispiel dafür ist eine EU-Richtlinie, nach der Väter rund um die Geburt zehn Tage bezahlte Freistellung zustehen. Die Bundesregierung hat das aber mit Verweis auf Mutterschutz und Elternzeit abgebügelt und das Thema scheinbar nicht ernst genommen.

Schwerpunkt: Kind und Karriere vereinbaren – Geht das?

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t3n: Wie werden sich die Familien in Deutschland in Zukunft verändern?
Die Kernfamilie, die aus Mutter, Vater und Kind besteht, wird es auch in Zukunft immer noch geben. Aber sie wird an Exklusivität verlieren, wir werden uns nicht mehr danach ausrichten. Für die Erziehung von Kindern spielt ohnehin nicht nur die abgeschlossene Eltern-Kind-Einheit eine Rolle, sondern eine viel größere Gruppe von Menschen. Das war stammesgeschichtlich schon immer so. Wahrscheinlich werden wir auch bald mehr vielfältige Familienkonstellationen sehen. Wie das Coparenting, bei dem sich Menschen zusammenschließen und ein Kind bekommen, ohne eine emotionale Beziehung zueinander zu haben.

t3n: Wie verändern diese Entwicklungen im Familienleben die Arbeitswelt?
Die Berufswelt verändert sich langsamer als die Familienwelt. Jetzt, wo beide Geschlechter ähnliche Bedürfnisse nach der Vereinbarkeit von Familie und Beruf haben, werden die Probleme offensichtlich. Arbeitgeber sind jetzt gefordert Vereinbarkeit zu ermöglichen. Aber Unternehmen werden Familien nur entgegenkommen, wenn sie anders keine qualifizierten Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen finden. Wo die Ware Personal knapp ist, muss ich als Arbeitgeber etwas bieten.

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