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„Wo sind sie alle?“: Zwei Astrobiologen haben eine Antwort auf das Fermi-Paradoxon

Zwei Astrobiologen haben eine Theorie entwickelt, warum die Menschheit bisher noch nicht auf außerirdische Zivilisationen gestoßen ist. Mit ihren Überlegungen wollen sie eine Antwort auf das Fermi-Paradoxon liefern.

Von Veronika Szentpétery-Kessler
4 Min.
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Dem Hubble-Teleskop ist ein atemberaubendes Bild einer Spiralgalaxie gelungen. (Bild: ESA/Hubble & NASA, R. J. Foley (UC Santa Cruz))

Die Frage, ob es neben der Erde auch auf anderen Planeten Leben gibt, treibt die Menschheit schon lange um. Die schiere Größe und das vorangeschrittene Alter des Universums legten die Annahme nahe, dass es intelligentes Leben geben müsste. Dass uns trotzdem noch keine Außerirdischen begegnet sind – zumindest nicht nach unserem Wissen – hat den italienischen Physiker und Nobelpreisträger Enrico Fermi zur berühmten Frage „Wo sind sie dann alle?“ verleitet. Das Dilemma gilt seither als Fermi-Paradoxon.

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Was passiert, wenn Zivilisationen ungebremst wachsen?

2022 veröffentlichten zwei Astrobiologen im Fachblatt „Journal of the Royal Society Interface“ eine Hypothese, die den scheinbaren Widerspruch auflösen sollte. Wie Michael Wong von der Carnegie Institution for Science in Washington D.C. und Stuart Bartlett vom California Institute of Technology in Pasadena schrieben, ist es für eine Zivilisation schlicht nahezu unmöglich, eine dauerhafte Weltraumpräsenz aufrechtzuerhalten und immer weiter entfernt liegende Welten aufzusuchen oder ihre Kolonisierung aufrechtzuerhalten.

Der Grund: Wong und Bartlett argumentieren, dass planetarische Zivilisationen, die „stärker als linear“, also ungebremst wachsen und ungebremst Energie verbrauchen, früher oder später an einen Krisenpunkt kommen – den sie Singularität nennen: Wenn sich der Energiebedarf für den ungebremsten Wachstum inklusive des technologischen Fortschritts nicht mehr bedienen lässt, werde der gesellschaftliche Kollaps unausweichlich. Tritt nicht der totale Kollaps der Gesellschaft ein, so sei es auch möglich, dass es zumindest zu einem Rückfall auf eine frühere Entwicklungs- oder Expansionsstufe kommt. Das kann bereits auf planetarer Eben passieren, der Energiebedarf steigt aber natürlich mit jeder weiteren Raumfahrt-Entwicklungsstufe nochmal drastisch an.

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Drei Stufen der Raumfahrt

Die sogenannte Kardaschow-Skala ist ein Beispiel für eine solche Kategorisierung. Sie unterscheidet drei Entwicklungsstufen für raumfahrende Zivilisationen. Auf der ersten Stufe nutzt ein Planet die gesamte verfügbare Energie auf ihrer Welt für die Raumfahrt. In der zweiten Stufe greift die Zivilisation bereits auf sämtliche Energiequellen ihres Sonnensystems zu. Bei der dritten Stufe schließlich geht es um einen galaxieweiten Energiebedarf. Wong und Bartlett zufolge sei das Wachstum zwischen diesen Stufen aber eben nicht linear, wie früher angenommen, und führe oft schon vor oder auf Stufe 1 zum Kollaps.

Eine Möglichkeit, die Zeit bis zu einem Kollaps zu verlängern, bestehe darin, durch Innovationssprünge neue Energieressourcen zu erschließen und dass die Bevölkerung eine zeitlang langsamer wächst. Einige Entwicklungen können allerdings auch einen problematischen erhöhten Energiehunger auslösen, zum Beispiel Informationstechnologien wie Blockchain und Kryptowährungen, die laut den Autoren keine Stabilität zurück ins System speisen.

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Erkenne nun eine Zivilisation rechtzeitig, dass sie auf einen Zusammenbruch zusteuert, hat sie die Möglichkeit, diesen zu umschiffen, indem sie sich sozusagen nach innen wendet und gesellschaftliche Entwicklung statt starkem Wachstum priorisiert. Wong und Bartlett nennen es „das Erwachen der Homöostase“, in der die kosmische Expansion, also die weitgreifende Erkundung des Weltalls, kein Ziel mehr sei. Homöostase steht dabei für Gleichgewicht. Das mache es schwer, diese Zivilisation „aus der Ferne aufzuspüren“. Sie gibt die Raumfahrt vielleicht nicht gänzlich auf, würde aber eben nicht mehr über Galaxien hinweg bis zur Erde reisen.

Zivilisationskollaps oder Aufgabe der Raumfahrt?

Im Ergebnis seien beide Ereignisse – das homöostatische Erwachen oder der Zusammenbruch der Zivilisation „mit dem beobachteten Fehlen von [galaxisweiten] Zivilisationen vereinbar“, schreiben die Astrobiologen etwas verschnörkelt.

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Die Kollaps-Homöostase-Hypothese schließe zwar die Entdeckung von raumfahrenden Zivilisationen aus der Ferne nicht aus. Ihr Fortschritt schaffe eine Art Technologiesignatur, die sich etwa in Form von elektromagnetischen Signalen, industriebedingten Veränderungen der Atmosphärenzusammensetzung oder als künstliche Strukturen im Weltraum zeigt. Tatsächlich seien vermutlich „Zivilisationen, die kurz vor dem Kollaps stehen, die am besten detektierbaren Exo-Zivilisationen“, weil sie Energie „in einer wild unnachhaltigen Art streuen“ würden, zum Beispiel als riesige Energie-Ausstöße.

Nun sind die galaxisweiten Schlussfolgerungen Extrapolationen. Interessant ist, dass Wong und Bartlett ursprünglich das Wachstum von Städten und Reichen erforschen. Sie argumentieren zum Beispiel, dass die Bevölkerung eines Planeten irgendwann als „virtuell verbundene globale Stadt“ betrachtet werden kann und die Wachstumsregeln deshalb übertragbar seien.

Städteentwicklung ist kein gutes Vorbild

Doch der Ansatz von Wong und Barlett findet nicht überall Anklang. Andere Forscher:innen halten die Erkenntnisse aus der Städteentwicklung nicht unbedingt für übertragbar auf planetarische Zivilisationen oder auch nur Großreiche. Deshalb halten die Astrobiologen Chris Jackson und Christian Criado-Perez von der australischen University of New South Wales die „Kollaps oder Homöostase“-Auswahl auch keineswegs für die alleinigen Entwicklungsendpunkte, wie sie in einem Ende letzten Jahres ebenfalls im Fachmagazin „Journal of the Royal Society Interface“ veröffentlichten Fachartikel schreiben.

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Für sie unterschätzen Wong und Bartlett zum Beispiel Lerneffekte aus Unglücken wie der Tschernobyl-Katastrophe zur Vermeidung ähnlicher Ereignisse. Dazu berücksichtigten sie technologische Entwicklungen wie die wachsende Nutzung etwa von erneuerbaren Energien zu wenig, um globalen Katastrophen wie dem Klimawandel entgegenzuwirken. Sie sehen sogar die wachsende KI-Nutzung als Möglichkeit, zu starkes zivilisatorisches Wachstum einzuhegen.

Ob nun die „Kollaps oder Homöostase“-Hypothese oder andere Theorien zur Lösung des Fermi-Paradoxons recht haben – niemand weiß, wann oder ob wir jemals Außerirdischen begegnen werden. Zumal es sich vielleicht auch wie in dem Witz verhält, der die ausbleibenden Beweise für die Existenz von Außerirdischen so beantwortet: Sie haben uns durchaus entdeckt, aber beschlossen, dass sie lieber keinen Kontakt wollen.

Dieser Artikel wurde ursprünglich am 28.03.2025 veröffentlicht, interessiert jedoch immer noch sehr viele unserer Leser:innen. Deshalb haben wir ihn aktualisiert und hier nochmals zur Verfügung gestellt.

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Kommentare (4)

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Bruno Rohner

Wie man aus der Menschheits-Geschichte leicht ersehen kann, war der Kontakt unserer Kultur mit anderen Kulturen für die meisten dieser Kulturen verheerend. Besonders wenn die „kontaktierte“ Kultur rüstungsmässig auf einem anderen Entwicklungsstand war. Gewehre, Kanonen, Pferde wurden sehr effizient eingesetzt, und damit wurden Millionen von Menschen buchstäblich abgeschlachtet. Auch die biologische Kriegsführung, zum Beispiel mit Masernviren war sehr erfolgreich und hat ganze Landstriche entvölkert.
Sollte also eine hochentwickelte Kultur in unserer Gegend auftauchen, kann man allein auf Grund deren Auftauchens annehmen, dass sie höher entwickelt ist als unsere. (Was in Anbetracht der aktuellen Weltlage nicht allzu schwierig sein sollte).
Daher würde ich auf einen Kontakt sehr gerne verzichten und auch die Bemühungen, auf uns aufmerksam zu machen, tunlichst vermeiden

Manuel Bär

Versuch #113 zur Erklärung, warum das All vielleicht doch nicht tot sei beim Blick auf ein großes totes All.

Dass wir längst Technologien wie JWT haben, die auch sogenannte homöostatische oder kollabierte Zivilisationen aufspüren könnten, hätte neben der Hoffnungsduselei ruhig Anmerkung finden können. Von den fragwürdigen Prämissen der beiden Forscher ganz zu schweigen; befinden sich denn ALLE außerirdischen Zivilisationen gerade gleichzeitig in ihrem Dornröschenschlaf?

Schon die Annahme exponentiellen Wachstums zeugt von einer anthropozentrischen Prägung. Jedes exponentielle Wachstum in der Wirklichkeit ist in Wahrheit nur ein Teilbereich einer S-Kurve. In großen Zeitskalen ebbt Wachstum immer ab. Unsere jüngste geschichtliche Vergangenheit ist eine nicht repräsentative Momentaufnahme, die keinen Rückschluss auf den Normalzustand gealterer Zivilisationen zulässt. Die offensichtlichste Theorie wurde dabei nicht aufgestellt, nämlich dass eine solche introspektive, homöostatische Zivilisation ihren eigenen Ressourcenhunger überwunden und ein stabiles Gleichgewicht hergestellt hat, sodass eine Kardaschowsche Expansion nicht nur strategisch verunmöglicht wird, sondern auch überhaupt keine erkennbaren Vorteile mehr bietet.

Willi Hein

Was ich mich frage: Wenn sich eine Zivilisation von Lebewesen entwickelt hat, die nicht auf Plazentawesen beruht, sondern auf eierlegenden Wesen, wo sich vielleicht sogar beide Geschlechter um ihren Nachwuchs kümmern, wären die ebenso aggressiv gegenüber ihrer Umwelt, wie wir?
Vielleicht sind wir ja auch eine Ausnahme, von der die Mehrheit der galaktischen Zivilisationen sagt: Haltet Euch fern von denen, die sind hormonlich instabil und wollen alles dominieren.

Erich von Sury

nicht wirklich überzeugend die These. Jede technische Zivilisation wird Energie abstrahlen in Form von elektromagnetischen Wellen lange bevor sie überhaupt entscheiden ob sie entdeckt werden wollen oder nicht. Und auch lange bevor so ein Kollaps oder homöo-dings Ereignis eintritt.
Diese Energie hätte genauso vorliegen sollen wie alle anderen Informationen aus dem Universum über Galaxien, Sterne, Neutonensterne, Schwarze Löcher etc.etc.etc. Danach sieht es immer noch löngst nicht aus. Fermis Frage bleibt in voller Brutalität bestehen: „Wo sind sie denn, die Ausseririschen?“….

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