
Als ich schwanger war, waren meine Feeds voll mit „9 Dinge, die mir vor der Schwangerschaft niemand gesagt hat“-Artikeln. Das geht so weiter, bis man wieder in den Job einsteigt. Angeblich werden irgendwelche Informationen verschwiegen und dann – huch! – hier ist die geheime Lebenswirklichkeit arbeitender Eltern.
Doch das stimmt nicht. Nichts wird verschwiegen. Seit vielen Jahren sprechen wir Eltern darüber, was uns herausfordert und welche Veränderungen wir brauchen. In diesen Tagen sind „X Dinge, die ich gern vorher gewusst hätte“-Artikel in Business-Netzwerken wieder angesagt. Aber es gibt einen Grund, warum ihr all das nicht vorher wusstet: Ihr wolltet es nicht hören.
Du musst nicht alles vorher wissen
Und das ist okay so. Ziemlich viele Probleme, die Eltern wie ich diskutieren, betreffen nämlich gar nicht alle Menschen. Meine Probleme betreffen erst einmal nur mich. Deine Probleme betreffen erst einmal nur dich. Und ja, es gibt Schnittmengen.
Aber niemand muss sich mit allem befassen, das diesem oder jenem Elternteil passiert ist – schon gar nicht vor dem ersten Kind. Es ist völlig in Ordnung, mit einer gewissen Blauäugigkeit in die Elternschaft zu starten. Wir müssen nicht alles vorher wissen, wozu sollte das gut sein? Wenn du ein Problem hast, dann wirst du das schon selbst merken. Und dann kannst du es immer noch googeln.
Die Gesellschaft rettet dich nicht vor der Grippe
Genauso müssen wir uns alle daran gewöhnen, dass nicht jedes Familienproblem von der Gesellschaft gelöst werden muss. Zündstoff, ich weiß. Die Gesellschaft muss Betreuungsplätze bereitstellen und eine Erhöhung des Elterngeldes ist schon seit Jahren fällig. Inflationskorrigiert sollte der Höchstsatz inzwischen bei rund 2.400 Euro liegen, nicht bei 1.800 Euro.
Aber wenn dein Kind in den ersten beiden Kitawintern ständig krank wird und du auch, dann ist das keine Überraschung und kein gesellschaftliches Problem. Es ist auch nicht die Schuld der angeblich so bösen anderen Eltern, die ständig kranke Kinder in die Kita schicken. Es ist biologisch betrachtet normal, es ist kein Geheimnis, du wusstest es vorher und es ist dein Problem.
Nicht immer nur die anderen Eltern
Kinder werden krank. Kinder sollen krank werden. Das ist nicht zu ändern und wir Eltern müssen das verwalten. Das bedeutet, dass wir verantwortungsbewusst mit der Frage umgehen, wann unsere Kinder zu Hause bleiben müssen. Es bedeutet auch, dass Teams und Führungskräfte damit leben müssen. Wer ein Kind beim ersten Niesen aus der Kita heimschicken will, der fordert damit, dass Frauen in die Arbeitslosigkeit gehen. Ja, auch du oder deine Partnerin, nicht immer nur die anderen.
Es führt also zu nichts, in „das hat mir keiner vorher gesagt“-Listen über die harte Realität des Erwachsenseins zu klagen. Kinder haben ist ein Organisationsproblem, so überraschend kommt das nicht. Und trotzdem ist es okay, wenn du nicht die Probleme aller Eltern dieser Welt in Listicles gelesen hast.
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Familie ist kein vorübergehendes Tabu
Anders verhält es sich mit jenen Eltern, die „aus dem Gröbsten raus sind“, wie man so schön sagt. Wir dürfen nicht aufhören, hinzuschauen, darüber zu reden, uns zu streiten und zu versuchen, Dinge besser zu machen. Jene, die das Wissen und die Ressourcen haben, für Familien einzutreten, sind die, die die harten Zeiten hinter sich haben. In wenigen Jahren kann ich mich selbst dazuzuzählen. Und ich werde hinschauen.
Die Herausforderungen an Familien sind kein Geheimnis. Eltern werden diskriminiert, Kinder werden krank, niemand respektiert irgendwen. Lasst uns nicht so tun, als würde etwas verschwiegen. Lasst uns mit denen darüber reden, die es hören müssen: Menschen, die etwas verändern können. Und das sind nicht die Kinderlosen.
Lasst die Kinderlosen in Ruhe ihre Jugend genießen, die müssen nicht alles wissen. Wir anderen, wir sind gefordert, es besser zu machen. Ausbaden müssen es sonst unsere Kinder. Und denen hilft eine Liste mit Gejammer dann auch nicht weiter.