Warum Zögern bei den meisten Entscheidungen sinnlos ist
Recherche hilft nur bedingt
Jetzt vergehen Wochen und Monate damit, Pro- und Contra-Listen zu erstellen. Du fragst Freunde und Bekannte um Rat. „Das hilft jedoch kein bisschen weiter“, meint Autorin und gefragte Vortragsrednerin Anja Förster in ihrem Blogbeitrag. Die eigene Bewertung, das eigene Bauchgefühl und die eigene Erfahrung zählten plötzlich nicht mehr. „Die Stimme im Kopf, die Mut machte, ist verstummt.“ Letztlich passiere gar nichts. Weil es sich „sicherer“ anfühle, nichts zu tun. Verantwortlich für diese lähmende Haltung sei die Annahme, dass die Entscheidung, die wir einmal getroffen haben, nie wieder umzukehren sei. „Diese Prämisse ist fast immer falsch“, ist Förster überzeugt.
Kein Weg zurück? Doch!
„Wenn wir den Job kündigen und den Sprung in die Selbständigkeit wagen, wenn wir in eine neue Stadt ziehen oder ein Haus kaufen – und es dann nicht so läuft wie erhofft – dann glauben viele Menschen, dass das tiefgreifende Konsequenzen für ihr Leben haben würde“, so Förster. Das sei jedoch in den meisten Fällen nicht der Fall. Klar, es gibt irreversible Entscheidungen, die nicht mehr rückgängig zu machen sind, wie beispielsweise die Entscheidung, ein Kind zu bekommen und großzuziehen. Der Großteil der Entscheidungen sei jedoch umkehrbar, wie beispielsweise ein Haus zu kaufen oder in eine neue Stadt zu ziehen. Oder auch, den Sprung in die Selbständigkeit zu wagen. Solche Entscheidungen könnten sehr wohl rückgängig gemacht werden. Sicher, der Weg zurück habe seinen Preis. Sich nach gescheiterter Selbständigkeit wieder einen Job zu suchen, nach einem gescheiterten Umzug wieder an den alten Ort zurückzuziehen, sich nach einem gescheiterten Zusammenleben wieder zu trennen oder auch, sich von einem nicht lukrativen Markt wieder zurückzuziehen, erzeuge Mühe. Investitionen sind „verbrannt“ und möglicherweise müssen finanzielle Mittel für den Neuanfang gewonnen werden. „Aber dieser Preis des Ausprobierens ist fair und bezahlbar“, meint Förster. Dieser Preis könne sogar von vornherein einkalkuliert werden.
Zwei Klinken
Jeff Bezos und Richard Branson träfen als erfolgreiche Unternehmer Entscheidungen am laufenden Band, erzählt Förster die Geschichte zweier Unternehmer, die eine kluge Differenzierung für sich gewonnen haben: „Sie unterscheiden zwischen Türen, die auf beiden Seiten Klinken haben, und zufallenden Türen, die auf der anderen Seite nur einen Knauf, aber keine Klinke haben“, beschreibt Förster das Bild, das die Unternehmer nutzen. Bezos und Branson seien sich dessen bewusst, dass es einige wenige Entscheidungen gibt, die tatsächlich irreversibel oder fast irreversibel sind – also zufallende Türen, durch die man nicht wieder zurückgehen kann. In diesem Fall sollten die Entscheidungen methodisch und mit großer Sorgfalt getroffen werden. „Denn wenn man am Ende nicht mag, was man auf der anderen Seite vorfindet, ist der Geist aus der Flasche entwichen und kann nicht mehr wieder hineingedrückt werden“, so Förster. Die meisten Entscheidungen werden jedoch dem Bild der ein für allemal zufallenden Tür nicht gerecht. Sie seien umkehrbar – also Türen mit zwei Klinken. „Stellt sich die Entscheidung als Irrweg heraus, kann man auf dem gleichen Weg wieder zurückgehen“, beschreibt Förster die Mechanik. Solche Entscheidungen sollten gut überlegt werden, insbesondere mit kalkuliertem Einsatz. „Sie sollten aber dennoch ohne Zögern, schnell und mutig getroffen werden – entweder von mir selbst – oder aber ich hole mir eine kleine Gruppe von Leuten zusammen, die über ein hohes Urteilsvermögen verfügen“, empfiehlt die Autorin.
Eine Klinke anbauen
Als Richard Branson 1984 seine Fluggesellschaft Virgin Atlantic gründete, schloss er einen Vertrag mit Boeing, der es ihm ermöglichte, das erste Flugzeug, das er gekauft hatte, wieder zurückzugeben, wenn seine neue Fluggesellschaft nicht ins Laufen kommen würde, erzählt Förster. Damit verwandelte Branson eine Tür, die zunächst wie eine zufallende Tür aussah, in eine Tür mit zwei Klinken. Durch die Rücktrittsklausel, die er in den Vertrag einbrachte, schraubte er an der Tür eine zweite Klinke an, sodass er aus seinem Abenteuer sofort wieder hätte aussteigen können, hätte ihm das Ergebnis nicht gefallen.
Zweifeln sinnlos
Wenn ihr das nächste Mal eine Entscheidung trefft, fragt euch: Ist das eine zufallende Tür? Oder eine Tür mit zwei Klinken? „Wenn es sich um eine Tür mit zwei Klinken handelt, entscheidet euch und bewegt euch schnell“, empfiehlt Förster. Hier sei langes Zweifeln sinnlos. Erfahrungen ließen sich nur durch Ausprobieren gewinnen. Der Weg zurück ist jederzeit möglich. Habe die Tür den Anschein, nur eine Klinke zu haben, lohne sich stets ein zweiter Blick. „Viele Entscheidungen, die zunächst unumkehrbar erscheinen, sind eigentlich Türen mit zwei Klinken, die nur wie zufallende Türen aussehen“, weiß Förster. Wenn man genau hinschaue, finde man vielleicht eine Türklinke, die sich auf der anderen Seite der Tür verbirgt. „Oder ihr schraubt einfach eine Klinke dran.“
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