Fundstück
Zukunftsinstitut: So könnte die Welt nach der Coronakrise aussehen

Wie sieht die Welt nach der Pandemie aus? (Foto: Schutterstock)
Der Versuch, Toilettenpapier zu kaufen, ist weithin zum Scheitern verurteilt. Grundnahrungsmittel sind nur im Kampfeinsatz erhältlich. Wer heute einen Supermarkt aufsucht, gewinnt ein sehr deutliches Bild davon, was Menschen unter solidarischem Verhalten verstehen. Natürlich gibt es auch die anderen, die sich Gedanken um ihre Mitmenschen machen und helfen, wo sie können. Die Entwicklung in der breiten Masse ist aber durchaus geeignet, in Sorge um den zukünftigen Weg des Miteinanders zu geraten.
Die Trendforscher des Zukunftsinstituts in Frankfurt am Main und Wien haben die Signale aufgegriffen und daraus Szenarien entwickelt, die zeigen, wie die mittelfristige Zukunft nach der überstandenen Pandemie aussehen könnte. Nicht alle dieser Szenarien erscheinen positiv, wobei natürlich auch die Frage gestellt werden darf, was das Individuum jeweils als positiv werten will. Einschneidende Veränderungen zeigen alle Modelle.
Das Zukunftsinstitut richtet seine Szenarien dabei entlang der Achsen eines Kompasses aus. Sie richten sich entlang der Pole lokal und global sowie optimistisch und pessimistisch aus.

Die Szenarien im Koordinatensystem. (Grafik: Zukunftsinstitut)
Unter pessimistischer, stark lokal orientierter Betrachtung könnte es zu einer totalen Isolation kommen. Ausgelöst durch den ursprünglich temporär angelegten Shutdown haben sich die Menschen entschieden, diesen Zustand als normalen Modus fortzusetzen und finden darin sogar eine Zufriedenheit. Die entsteht durch eine relative Sicherheit, die sich wiederum aus einer Vielzahl an restriktiven Maßnahmen ergibt.
So wird etwa für die Ausreise eine Genehmigung, für Länder außerhalb der EU ein Visum benötigt. Der Gesundheitsstatus wird bei jeder Gelegenheit kontrolliert. Vor dem ersten Date tauscht man Gesundheitsdaten. Gelingende Beziehungen werden schwierig, weil sich Individuen stark in Schutzräume zurückziehen und die Außenwelt vor allem als Gefährdung erleben. Die Ausrichtung bleibt lokal, alles Globale ist eine Bedrohung.
In diesem Szenario findet die Welt zwar oberflächlich zum Zustand vor der Pandemie zurück. Der bleibt jedoch fragil. Die Unsicherheit und die Angst dominieren das täglich Handeln. Die nächste Pandemie könnte hinter der nächsten Ecke lauern. Staaten setzen beim kleinsten Anzeichen direkt drastische Maßnahmen in Kraft. Nationale Interessen blockieren weitgehend die globale Zusammenarbeit. Grenzschließungen werden zum normalen Mittel der Politik, die internationale Zusammenarbeit erlahmt.
Dieses Szenario sieht zwar eine globalere Perspektive als das zuvor genannte, geht aber stets von einem potenziellen Scheitern aus. Eine gedeihliche internationale Ausrichtung der einzelnen Volkswirtschaften ist so nicht zu erwarten.
Nachdem die Pandemie dazu geführt hat, dass globales Handeln als gefährlich wahrgenommen wird, orientieren sich die Menschen wieder sehr stark an lokalen Strukturen. Es kommt zur Rückbesinnung auf traditionelle Werte wie Familie, Haus und Hof. Der Stammesgedanke spielt eine wichtige Rolle bei der Abgrenzung zwischen „Wir“ und „den Anderen“. Insofern kommt es zu einem verfestigten Zusammenhalt der Menschen untereinander – das Miteinander wird gestärkt. Auch Nachhaltigkeit spielt eine gewichtige Rolle. Das alles gilt aber nur auf kleinräumiger Ebene, während alles Größere, vor allem Globale, als Bedrohung empfunden wird.
Dieses Szenario geht davon aus, dass die Welt die Pandemie gestärkt übersteht und dabei wesentliche Glaubenssätze der vergangenen Jahre nicht über Bord wirft. Die Krise wird gewissermaßen als Chance verstanden, einige Justierungen vorzunehmen, aber im Großen und Ganzen den Weg der Globalisierung weiterzugehen. Die Menschen werden flexibler im Umgang mit Veränderung, stellen aber vermehrt die Sinnfrage nach dem Zweck des Wirtschaftens. Das Primat des Geldes wird zurückgedrängt, während andere Zielausrichtungen, etwa soziale oder ökologische, stärker in den Fokus genommen werden. In diesem Szenario hätte die Krise zu einem achtsameren Umgang der Menschen miteinander geführt.
Die Szenarien, die das Zukunftsinstitut entwickelt hat, stellen sämtlich deutliche Veränderungen in den Raum. Eine Rückkehr zur Vor-Pandemiezeit erscheint nach jedem einzelnen unwahrscheinlich. Je nachdem, in welchem Umfeld wir uns dieser Tage umschauen, können wir bereits Ansätze für jedes einzelne der vorgestellten Zukunftsbilder erkennen.
Die vier Szenarien stellt das Zukunftsinstitut in einem kostenlosen Whitepaper (PDF) sehr ausführlich vor. Ihr solltet es lesen.
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Hmm. Gilt das denn nur für Deutschland oder global? Denn wenn global, würde ich sagen, dass keines dieser 4 Szenarien auf Spanien zutreffen wird. Grundsätzlich vermute ich, dass es mittelfristig – entgegen dem in dem Artikel geschriebenen – nach der Krise genauso weitergehen wird, wie davor. Das aktuell beobachtete Verhalten der Menschen, wonach sich einige dieser vier Szenarien laut Artikel schon abspielen, halte ich persönlich eher für eine Momentaufnahme. Die wenigsten Menschen wollen auf die Bequemlichkeiten verzichten, die sie vor der Krise hatten wie etwa volle Regale in den Supermärkten, etc…. Erfahrungsgemäß vergisst der Menschen auch schnell, sodass ich vermute, dass einige Monate nach den ganzen Restriktionen und nach einer eventuellen großen und anhaltenden Wirtschaftskrise langsam wieder alles normalisieren wird. Ich denke, dass wir Menschen in einer Konsumgesellschaft aufgewachsen sind. Das vergisst man nicht so schnell. Und 50 Jahre großer internationaler Verkehr, Tourismus, Geschäftsreisen, etc… werden wahrscheinlich auch nicht auf einen Schlag aufgelöst. Aber das ist nur meine Meinung. Auf alle Fälle ist es eine sehr interessante Frage und auf die Antwort bin ich schon sehr gespannt. Mal schauen, wie es in einem Jahr aussieht.