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Analyse

Experten sehen „zunehmende Bedrohungslage“ durch Cyberangriffe

Ob in Unternehmen, Verwaltungen oder bei Privatpersonen: Die Zahl der Ransomware- und Hacker-Angriffe nimmt auch in Deutschland zu. Wie lassen sich Prävention und Abwehr stärken?

3 Min.
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„Produktionsanlagen mussten wegen der Erpressung vorläufig heruntergefahren werden“, sagt Steffen Zimmermann. Es sei nicht auszuschließen, dass sich die Folgen der Attacke vielleicht „bis in Covid-19-Lieferketten durchzogen“.

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Was Ende März beim französischen Pharmaunternehmen Pierre Fabre geschah, treibt den Leiter des Kompetenzzentrums Industrielle Sicherheit beim Maschinenbauer-Verband VDMA in Frankfurt immer noch um. Nach einem Hackerangriff auf die Werks-IT sei es zu Verzögerungen in eng getakteten Prozessen gekommen, auch Schadenersatz-Forderungen seien entstanden. Und das ausgerechnet in einer Branche, die zur weiteren Eindämmung der Coronakrise gerade unter Volllast fährt.

Ob in der Medizin, bei Autobauern oder in anderen Industriebetrieben: Nicht nur die Büro-Software auf den Rechnern der Angestellten, sondern auch die komplexe Steuerung ganzer Maschinenparks ist bei Cyberüberfällen verwundbar. Noch seien ernste Vorfälle im zunehmend vernetzten Internet der Dinge mit digital kommunizierenden Anlagen relativ selten, berichtet Zimmermann – sehe man von Beispielen wie dem mehrfachen Angriff auf Thyssenkrupp ab. Doch die Gefahr steige. Einigen Firmen müsse man die Dringlichkeit nach wie vor klarmachen.

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Schutz kann nie garantiert werden

„Es ist unmöglich, sich zu 100 Prozent zu schützen“, räumt der VDMA-Experte ein. „Getroffen werden kann jeder, so wie jedes Immunsystem von einem Virus getroffen werden kann. Das gestiegene Bewusstsein muss aber auch zu Investitionen in mehr Sicherheit führen.“ Oft reagierten Unternehmen erst, wenn Hacker ihr Chaos schon angerichtet hätten und man nur noch reagieren könne. „Thema Nummer 1 für die Maschinenbau-Branche ist jetzt die Cybersicherheit.“

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Im Fall einer großflächigen Verschlüsselung von Daten durch Erpressungs-Software (Ransomware) könnten große Produktionsbetriebe schon mal vier bis sechs Wochen komplett stillstehen. „Mit allen Folgewirkungen kann das bis zu einem Dreivierteljahr dauern – am Ende sieht das Unternehmen dann nicht mehr so aus wie vorher.“

Wenn dies in ohnehin angespannten Krisenzeiten passiert, können sich die Risiken noch aufschaukeln – vor allem im Gesundheitssektor. So gab es im Winter Berichte, wonach nordkoreanische Hacker versucht haben sollen, an Informationen über den Corona-Impfstoff des US-Konzerns und Biontech-Partners Pfizer zu gelangen.

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Auch Krankenhäuser sind gegen die digitalen Eindringlinge nicht immun: Die Staatsanwaltschaft Göttingen ermittelt gerade rund um eine Online-Erpressung des Klinikums im niedersächsischen Wolfenbüttel. Im Kreis Anhalt-Bitterfeld in Sachsen-Anhalt ging nach einer ähnlichen Aktion gegen die IT der Verwaltung so gut wie gar nichts mehr.

Was lässt sich konkret tun, um Prävention und Abwehr zu stärken?

Große Versicherer haben das Problem schon länger erkannt, weisen jetzt aber auf den verschärften Wettlauf zwischen Software-Anbietern und Kriminellen um die Entdeckung von Schwachstellen und Sicherheitslücken hin. Der bekannteste Fall eines Cyberangriffs auf die Industrie-Infrastruktur ist wohl immer noch das 2010 entdeckte Stuxnet-Virus, das Anlagen zur Uran-Anreicherung im Iran sabotierte.

Die Einschläge kommen wieder näher. „Seit gut eineinhalb Jahren sehen wir eine stetig zunehmende Bedrohungslage, die sich zuletzt noch einmal sehr dynamisch geändert hat“, sagt Johannes Steffl, beim Industrieversicherer HDI Global in Hannover zuständig für die Analyse von Cyberrisiken. „Teilweise mag dies coronabedingt sein, weil im Homeoffice manche IT-Prozesse nicht so gut geschützt sind.“ Doch auch für die Operational IT in der Produktion werde das Thema wichtiger: „Wir sprechen hier von IT, die Anlagen und Maschinen rund um die Uhr steuert. Betriebe arbeiten da teils noch mit alten Systemen.“

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In der Ära der Industrie 4.0 müssten Maschinenbauer Cybersicherheit schon beim Anlagen-Design mit bedenken. „Das wird ein wesentliches Qualitätsmerkmal“, so Steffl. „Denn wenn eine Cyberattacke einmal wirklich auf die Produktion einer ganzen Branche durchschlägt, können die Schäden aus einer langen Unterbrechung erheblich sein. Oder es können sogar Fehler an den Produkten entstehen, die nach dem Angriff noch gefertigt wurden.“ In Industriekreisen ist mitunter zu hören, manchmal gebe es auch die Versuchung, das Herunterfahren dann etwas hinauszuzögern – nach dem Motto: „Never change a running system.“

Die schädliche Streuwirkung wäre auch in der Energiewirtschaft groß, Stichwort Blackout-Gefahr. Hier seien die Motive aber oft anders gelagert, glaubt Steffl. „Bei Angriffen auf das Stromnetz und ähnlichen vorstellbaren Aktionen muss man sich wohl eher Gedanken in Richtung terroristischer oder politischer Ziele machen.“ Klassische Cyberkriminelle hätten eher Vorbehalte, ein ganzes Land lahmzulegen. „Ihnen geht es meist um Disruption, nicht um reine Destruktion.“

Probleme müssen ernst genommen werden

So oder so scheint klar: Industrie und Verwaltung müssen das Problem ernster nehmen – und besonders sensible Angelegenheiten jenseits des laufenden Betriebs vielleicht auch mal offline erledigen. „Wir bewegen uns in einer Welt trügerischer Sicherheit“, heißt es beim Niedersächsischen Städte- und Gemeindebund. „Auf Dauer hilft es uns nur, wenn wir wichtige Dinge in abgeschotteten Systemen bearbeiten.“

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Zimmermann, in dessen Verband sich Firmen zu einem Arbeitskreis gegen Netz-Erpressungen zusammengeschlossen haben, sieht das Kernproblem so: „Die Leichtsinnigkeit ist immer noch ein schwieriges Feld.“ dpa

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