Es ist drei Jahre her, da hatte die US-Brokerage-App Robinhood schon einmal den europäischen Markt in den Blick genommen. Laut Wander Rutgers, der damals das Geschäft mit einem Team in London aufbauen sollte, wollte der Neobroker damals auch in andere Märkte in Europa, auch in Deutschland, einsteigen.
Doch dann folgte im Sommer 2020 die Vollbremsung für die geplante Expansion. Man wolle sich lieber auf das Kerngeschäft in den USA konzentrieren, hieß es damals von Robinhood.
Zuvor hatte die App in der Coronakrise einen großen Hype erlebt. Viele Amerikaner entdeckten im Lockdown ihre Passion fürs Day-Trading.
Allerdings hatte der Erfolg auch Schattenseiten. So kämpfte Robinhood an besonders starken Börsentagen mit technischen Problemen und war nicht erreichbar. Zudem geriet das Fintech wegen seines „Gamification“-Ansatzes in die Kritik. Der Vorwurf: Gerade jungen Menschen hätten durch die spielerische Nutzung des App mit Geldproblemen, Suchterscheinungen und Schulden zu kämpfen.
Nach dem Selbstmord eines jungen Nutzers schaute auch der Gesetzgeber genauer hin und forderte eine strengere Regulierung von Trading-Apps. Robinhood konzentrierte sich dann im Heimatmarkt erst einmal auf Investitionen in die grundlegenden Systeme.
Expansion im zweiten Versuch
Nun geht die das US-Fintech die Expansion nach Europa aber wohl erneut an. Wie das Blog FinanceFWD berichtet, sucht Robinhood in London wieder nach einem Mitarbeiter Nummer 1, der den Job des „Assistant General Counsel, International Retail Brokerage“ übernehmen will. Man suche „neugierige Denker, die an den nächsten Kapiteln unserer Geschichte mitschreiben wollen“.
„Wir freuen uns sehr, dieses Jahr zu expandieren“, heißt es in der Stellenausschreibung ganz klar – und dabei soll ein „Team von Hoodies in Großbritannien“ helfen. Der gesuchte „erstklassige“ britische Jurist mit Erfahrung in der Wertpapier- und Broker-Dealer-Regulierung soll an der Schnittstelle von Regulierung, Technologie und Finanzen tätig sein. Außerdem hat Robinhood bereits eine niederländische Tochtergesellschaft gegründet, die eine europaweite Expansion ermöglichen könnte.
Trading zum Nulltarif
Als einer der ersten Neobroker hat die Trading-App den Aktienhandel zum Nulltarif etabliert und auf eine intuitive Smartphone-App gesetzt. Das Unternehmen wirbt damit, den Finanzmarkt „für alle zu demokratisieren“.
Allerdings gab es auch immer wieder Kritik an Robinhood. Als problematisch wird etwa der Mechanismus, der das Trading zum Nulltarif ermöglich, eingeschätzt. Denn die kostenlose Nutzung für den Kunden wird mit einer Gebühr für der Vermittlung der Transaktionen an eine bestimmte Börse gegenfinanziert, dem sogenannten „payment for order flow“ (PFOF). Ob das zum besten Ergebnis für den Kunden führt, ist umstritten. Die US-Börsenaufsicht SEC hat im Dezember eine umfassende Handelsreform angestoßen, mit der die Praxis des PFOF massiv eingeschränkt werden soll.
Zudem hat die Trading-App mit ihrem Verhalten während der Gamestop-Börsenralley Kritik auf sich gezogen. Kleinanleger hatten sich 2021 über Internetforen zu Aktienkäufen verabredet und damit Hedgefonds, die auf fallende Kurse gewettet hatten, unter Druck gesetzt. Überraschend schränkte Robinhood dann den Handel zeitweise ein. Für die Kleinanleger sah es so aus, als ob die Trading-App sie zugunsten der Hedegfonds benachteiligen wolle. Daher sieht sich Robinhood mit einer Klage wegen Marktmanipulation konfrontiert.
Beim Einstieg in den europäischen Markt wird man sich nun einer gestärkten Konkurrenz stellen müssen. Denn das Robinhood-Prinzip hat in Europa längst viele Nachahmer gefunden. Allein in Deutschland gibt es mit Trade Republic und Scalable Capital starke Konkurrenz, auch der niederländische Anbieter Bux oder die App Revolut bieten ähnliche Dienste.
Immerhin haben die Gründer Vladimir Tenev und Bajiu Bhatt – anders als die Konkurrenz – aber bereits den Börsengang gestemmt – auch wenn dieser enttäuschender verlief als erwartet. Im Sommer 2021 sammelte der Neobroker rund 2,1 Milliarden US-Dollar ein. Im vergangenen Jahr musste er aber bereits drastische Personaleinschnitte vornehmen und entließ rund 23 Prozent der Belegschaft.
Einstieg in die Kryptowelt
Wie andere Neobroker sucht auch Robinhood derzeit nach weiteren Erlösquellen. Dabei rücken neben dem Aktienmarkt auch Krypto-Assets in den Blick. In Großbritannien hat sich Robinhood schon die Kryptoexpertise von Ziglu gesichert. Das Startup hat Dienste wie das klassische Krypto-Brokerage-Geschäft, aber auch Zinskonten und eine Debitkarte im Programm und wurde bereits im April 2022 von Robinhood übernommen.
Seit Anfang März ist die Robinhood Wallet in 130 Ländern, darunter auch Deutschland, verfügbar – wenn auch erstmal nur für iOS-Geräte. Eine Android-Version soll noch in diesem Jahr folgen. Nutzer können hier Kryptowährungen verwahren, neben Polygon unterstützt die App auch Ethereum sowie über 50 ERC Token sowie auf Ethereum oder Polygon basierende NFT.
Allerdings ruft das Kryptogeschäft schon die US-Börsenaufsicht auf den Plan. Die SEC schickte Robinhood eine „investigative Vorladung“ wegen des Angebots. Hintergrund ist das strengere Vorgehen des US-Behörden auf dem Kryptomarkt. Aus Sicht der Börsenaufsicht sind Kryptowährungen Wertpapiere. Plattformen, die mit ihnen handeln, müssen entsprechende Regeln einhalten.