Wie Digital Natives und Social Media das Recruitment verändern: Mitarbeiter gesucht
Die Generation der nach 1981 Geborenen tritt derzeit in die ersten Jobs nach ihren (Hochschul-) Abschlüssen ein oder hat gerade erste Erfahrungen gesammelt und verändert aufgrund des eigenen Selbstverständnisses damit auch unser aller Berufsleben rapide. Diese Generation ist es gewohnt, online zu sein, Wissen und Erfahrungen zu teilen sowie ständig über neue Produkte und Technologien zu verfügen. Ihre Arbeitsweise und die Ansprüche an ihre Arbeitgeber unterscheiden
sich gänzlich von denen früherer Generationen. Grenzen zwischen Arbeit
und Spaß verschwimmen, es wird über das Internet virtuell und über
Landes- und Kulturgrenzen hinweg gearbeitet, teilweise mit Menschen, die
man nie zuvor persönlich getroffen hat. Das Zeitalter des digitalen
Nomadentums ist angebrochen.
Diese Zielgruppe aber fühlt sich von Unternehmen oft nicht richtig verstanden oder ernst genommen. Insbesondere, weil diese jungen Menschen häufig voller Widersprüche sind: typischerweise teamorientiert, beherrschen sie Multitasking und sind in der Lage Arbeit, Freizeit und soziale Interessen unter einen Hut zu bekommen. Sie respektieren Hierarchien, erwarten aber auch eine von Partizipation geprägte Unternehmenskultur. Sie wollen Verantwortung übernehmen und sich selbst verwirklichen.
Auf der einen Seite schätzen sie Struktur und Stabilität, zugleich möchten sie aber auch interessante Herausforderungen meistern und verabscheuen starre Hierarchien. Einfach ausgedrückt: Freiheit ist wichtiger geworden als der teure Firmenwagen. Diese Tatsache schlägt sich auch im Trend zur Freiberuflichkeit nieder. Für viele Digital Natives bietet die freiberufliche Tätigkeit eine einmalige Chance, all diese Widersprüche zu vereinen.
Kollaboration ist das neue „Teamwork“ und besonders für Unternehmen und Agenturen ist wichtig zu begreifen: dem permanenten Strom von Medien und Kanälen ausgesetzt, haben die Digital Natives scheinbar gelernt, instinktiv alle Informationen zu überprüfen und kritisch zu hinterfragen. Um mit dieser Zielgruppe zu kommunizieren und um ihnen Produkte zu verkaufen oder ihnen den Arbeitsplatz schmackhaft zu machen, sind Authentizität und Zuhören absolute Grundvoraussetzung.
Unternehmen kämpfen um Talente
Der „War for Talents“, durch den demographischen Wandel noch zusätzlich verstärkt, ist in vollem Gange. Um Mitarbeiter rekrutieren zu können ist es wichtig, auf die neuen Anforderungen zu reagieren.
Stellenanzeigen in klassischen Medien sind aufgrund des veränderten Mediennutzungsverhalten der Digital Natives für die Personalbeschaffung nicht mehr ausreichend.
Viele Unternehmen klagen heute über Fachkräftemangel. Speziell im Bereich Web- und Software-Entwicklung sucht fast jedes Unternehmen händeringend nach kompetentem Personal.
Fakt ist: Heute können sich die wenigen passenden Kandidaten auf dem Markt ihre Jobs und Arbeitgeber aussuchen, ob freiberuflich oder fest angestellt. Außerdem ist hier in den letzten Jahren ein Wandel in der Geisteshaltung zu beobachten. Während es in früheren Generationen völlig normal war, dass Arbeitsuchende sich bei Unternehmen beworben haben, verhält es sich heute häufig umgekehrt. Die Unternehmen fragen immer häufiger bei den Bewerbern an.
Auf Plattformen wie talential.de wird der Bewerbungsprozess umgedreht. Hier können Fach- und Führungskräfte ein Profil einrichten, aufgrund dessen Unternehmen sich bei ihnen bewerben können.
Entsprechen die Angebote in Deutschland trotzdem nicht den Vorstellungen der Zielgruppe, sind viele Arbeitsuchende sogar bereit auszuwandern, so wie zum Beispiel Software-Entwickler Tim Warnecke (Name von der Redaktion geändert). Weil er in Deutschland keinen adäquaten Job fand, der ihm ausreichende Flexibilität bei ausreichendem Einkommen bot, bewarb sich Tim Anfang 2010 international. Seit Juni arbeitet er nun bei Atlassian, einem bekannten Softwarehaus in Australien und fühlt sich dort sehr wohl. Das Unternehmen bietet ihm seinen Wunscharbeitsplatz, die Möglichkeit Auslandserfahrung zu sammeln und den Strand direkt vor der Tür. So wie Tim wandern pro Jahr 150.000 hochqualifizierte Fachkräfte aus Deutschland aus.
Dabei betrifft das Problem fehlender IT-Fachleute bei weitem nicht nur Deutschland. Laut FAZ hat die indische Handelskammer Nasscom eine internationale Zuspitzung der Situation noch für dieses Jahr vorausgesagt [1].
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Das Personal als Erfolgsfaktor für Unternehmen
Für Unternehmen und Agenturen sind die Beschaffung und Bindung von qualifiziertem und passendem Personal zu einem kritischen Erfolgsfaktor geworden, der immer schwieriger zu erreichen ist. Wie man es dennoch richtig macht, zeigen bereits zahlreiche Beispiele. Auf der Suche nach passenden Software-Entwicklern nutzen sie gezielt Netzwerke wie Xing oder Facebook, um potenzielle Kandidaten anzusprechen und mit ihnen einen nachhaltigen Dialog aufzubauen – eben dort, wo sich potenzielle Kandidaten gerne aufhalten.
Allerdings zeigt eine neue Untersuchung, dass Unternehmen Social Media im Personalmarketing weniger nutzen, je größer sie sind. Erst ab einer Größe von mehr als 10.000 Mitarbeitern steigt die Nutzung wieder.
Noch haben die Unternehmen also die Möglichkeit, von den Vorteilen für First Mover zu profitieren. Da der Markt mit aktiven Unternehmen noch sehr überschaubar ist, können Unternehmen sich mit ihren Aktivitäten schnell als „Best Practice“ etablieren und sich dadurch sowohl kurz- als auch langfristig Wettbewerbsvorteile erarbeiten.
Was passiert in den Unternehmen?
Das Social-Media-Zeitalter erfordert auch Veränderungen innerhalb der Unternehmen. Aufgrund der Veränderung von Arbeitsweisen und Aufgabenfeldern werden neue Positionen und Verantwortlichkeiten in Unternehmen erforderlich.
Social-Media-Aktivitäten haben viele Schnittstellen im Unternehmen und man muss sie koordinieren, steuern und überwachen. Ein Social Media Officer, oder wie auch immer man die Position bezeichnen möchte, ist die logische Konsequenz.
Gero Hesse, Senior Vice President Human Resources bei Bertelsmann, sieht die Personaler zukünftig vermehrt als Vermittler, die Fachkräfte im eigenen Unternehmen auswählen, die dann mit Bewerbern auf Augenhöhe kommunizieren können [2]. Ein Entwickler kann authentischer mit einem Entwickler kommunizieren als ein klassischer Personaler. Und ein Azubi kommuniziert leichter und authentischer mit einem Azubi.
Aber nicht nur die Personalabteilung, auch der Rest des Unternehmens wird Veränderungen durchlaufen (müssen). So geht mit dem Einzug von Social Media ins Unternehmen immer auch ein kultureller Wandel einher. Die in den meisten Unternehmen heute eingesetzte „one-voice-policy“ ist als Kommunikationsform nicht mehr zeitgemäß. Durch Social Media und die aktive Teilnahme an sozialen Netzwerken wird immer auch die Unternehmenskommunikation ein Stück weit aus der Hand gegeben.
Das Unternehmen muss auch stets auf kritische Kommentare in den sozialen Netzen gefasst sein, die ohne Social Media möglicherweise nicht entstanden wären, in denen aber gleichzeitig auch die größte Chance von Social Media liegt: der direkte Austausch mit der Zielgruppe. Allerdings kann niemand diesen kritischen Äußerungen aus dem Weg gehen, nur indem das Unternehmen nicht aktiv an Social Media teilnimmt. Social Media existiert, ob ein Unternehmen es will oder nicht.
Dieser Schritt erfordert dementsprechend aber nicht nur Mut, sondern vor allem auch Vorbereitung. Fragen wie die Auswahl der Kanäle, die Abstimmung unternehmensinterner Prozesse und Abläufe, Schulungen, Sicherheit, die Koordination im Unternehmen oder auch Social-Media-Guidelines sind nur ein Teil von dem, was Unternehmen beachten sollten. Externe Berater können bei diesem Vorhaben hilfreich sein. Aber Vorsicht: in diesem Bereich gibt es eine Menge schwarzer Schafe, die oft genug selbst nicht über einen Facebook- oder Twitter-Account verfügen.
Was müssen Bewerber beachten?
Auf der anderen Seite gibt es natürlich auch einige Punkte, die Bewerber und latent arbeitsuchende in Bezug auf die sozialen Netzwerke beachten sollten. Facebook und Twitter können dann hinderlich für die Karriere sein, wenn zukünftige Arbeitgeber, mögliche Vorgesetzte oder auch Headhunter dort fragwürdige Inhalte finden. Wer sich über einen früheren Vorgesetzten oder Arbeitgeber auf Twitter öffentlich negativ äußert, disqualifiziert sich möglicherweise auch für spätere Jobs.
Ein Großteil der Personaler hat allerdings nichts gegen private Fotos. Im Gegenteil sind den meisten Personalern Kandidaten, die auch über persönliches sprechen, lieber als solche, die alles verbergen. Wer überhaupt kein Profil im Netz bietet, setzt sich heute oft der Vermutung aus, etwas verbergen zu wollen. Dabei zeigt ein gut gepflegtes Profil auch Erfahrung im Umgang mit den neuen Möglichkeiten.
Unternehmen und Bewerber können noch viel voneinander lernen. Social Media und die Digital Natives haben die Macht, Unternehmen und Märkte nachhaltig zu verändern – und zwar durch ein Verhalten, das erlernt ist und gelebt wird. Die Unternehmen, die am ehesten damit beginnen, diese Veränderungen zuzulassen, werden langfristig profitieren.