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Trendreport

Die Geselligen, die Macher, die Analytiker: Welcher Homeoffice-Typ bist du?

Die Deadline einhalten und trotzdem ­pünktlich Feierabend machen: Wenn der Arbeits­rhythmus verloren geht, fällt Zeitmanagement besonders schwer. Und jeder geht anders damit um.

Von Sarah Sommer
8 Min.
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(Foto: Shutterstock / GaudiLab)

März 2020. Eine Videokonferenz, wie sie in diesen Wochen in vielen Unternehmen stattfindet: Die Gründer und Team-Leads der Medienproduktionsfirma Kooperative Berlin sitzen virtuell zusammen, zugeschaltet aus ihren jeweiligen Heimbüros. Sie überlegen, wie es um die Auslastung der Mitarbeiter bestellt ist, und ob es Sinn ergibt, Kurzarbeit anzumelden. Nach wenigen Minuten merken sie: Wir verzetteln uns, wichtige Informationen fehlen in der Runde. Nach zehn Minuten ist die Konferenz beendet, mit dem klaren To-do für alle: Erst mal in den Teams die Lage klären und Lösungsvorschläge erarbeiten. Im nächsten Meeting sind alle vorbereitet. Die Entscheidung fällt schnell: Kurzarbeit ist nicht nötig, die Teams laufen auch remote gut.

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Meetings so kurz entschlossen abzubrechen, das ist für die Entscheider des Berliner Unternehmens kein Krisensymptom, sondern ganz normal. Denn in der 30-köpfigen Kooperative gilt: Kein Meeting soll länger dauern als unbedingt nötig. Schließlich fehlt die in ­Meetings verbrachte Arbeitszeit sonst für Pausen, sozialen Austausch und Kreativität. „Arbeitszeit möglichst flexibel, kreativ, selbstbestimmt und damit auch produktiv zu nutzen, ohne dass dabei unnötiger Stress entsteht, ist für uns ein wichtiger Teil der Unternehmenskultur“, sagt Markus Heidmeier, Gründer und Co-Geschäftsführer der Kooperative. „Unsere Teams arbeiten agil und eigenverantwortlich in unterschiedlichsten Projekten“, erklärt er. „Der Einsatz von Zeit ist dabei eine unserer ­wichtigsten Steuerungsgrößen.“ Erst durch ­gutes Zeit­management, ist er überzeugt, wird eigenverantwortliches Selbst­management der Mitarbeiter möglich.

Wofür investieren wir Zeit?

Und das ist wichtig, denn wie bei den meisten Dienstleistern, ob ­große Agentur oder Solo-Freelancer, gilt auch in der Koopera­tive: Zeit ist Geld – und zwar ganz konkret in Form verrechenbarer Stunden, für die der Kunde am Ende zahlt. So stellt sich im Team immer wieder die Frage: Wofür investieren wir unsere Zeit ­effektiv?

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In Krisen ist es wichtiger denn je, die eigene Arbeitszeit sinnvoll einzusetzen. Das gilt für Führungskräfte, die ihre Teams sowohl finanziell als auch emotional sicher durch die schwierige Phase manövrieren müssen –, aber auch für jedes einzelne Teammitglied. In „normalen“ Zeiten ist das Zeitmanagement der einzelnen Mitarbeiter und Teams meist sicher eingespielt. Jeder weiß, wann Kollegen, Kunden und Geschäftspartner am besten erreichbar sind, wann der beste Zeitpunkt für ein Meeting oder für die Mittagspause ist.

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Auch persönliche Eigenheiten in Sachen Zeitmanagement sind bekannt: Der Kollege aus dem Marketing macht am frühen Nachmittag Feierabend, um die Kinder von der Kita abzuholen. Die Teamleiterin ist Frühaufsteherin und schreibt schon morgens um sieben die ersten E-Mails. Den Projektmanager spricht man hingegen besser erst nach zehn Uhr dreißig an, dafür erreicht man ihn bei Fragen zum Projekt auch noch am späten Abend. ­„Jeder Mensch hat seinen eigenen Zeitrhythmus, in dem er sich am besten bewegen kann“, sagt Eva Brandt, Zeitmanagementberaterin aus Wiesbaden. Normalerweise denken wir im Alltag darüber nicht allzu lange nach. Jetzt in der Krise aber kann es sinnvoll sein, genauer hinzuschauen, wie man selbst und die Teamkollegen in Sachen Zeitmanagement so ticken.

„Regelmäßiges zwischenmensch­liches Feedback und feste soziale ­Rituale helfen letztlich ­allen Menschen dabei, in schwierigen Zeiten Halt und Orientierung zu finden.“

Denn erstens sieht man viele Gewohnheiten von Kollegen vom Homeoffice aus nicht mehr, die man sonst unbewusst wahrgenommen und in das eigene Zeitmanagement eingeplant hat. Und zweitens: „Je nach Zeitmanagementtyp reagieren Menschen sehr unterschiedlich auf stressige Zeiten und darauf, dass sich ihre gewohnten Arbeitsabläufe verändern.“ Beraterin Eva Brandt unterscheidet drei Zeitmanagementpersönlichkeiten, sie nennt sie die „Geselligen“, die „Macher“ und die „Analytiker“. „Gesellige Typen lieben zum Beispiel den persönlichen Austausch, vor allem lieben sie aber auch Rituale und Routinen.“ Feste Arbeitszeiten. Dinge in Ruhe abarbeiten. Sich wiederholende Termine und Aufgaben. Ein fester, verlässlicher Kreis von Kollegen, zu denen eine enge persönliche Beziehung besteht: „In einem solchen Umfeld sind diese Menschen enorm produktiv und zufrieden“, sagt Brandt.

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Womit auch klar ist: Der gesellige Zeitmanagementtyp tut sich mit einer Krisensituation, die alle gewohnten Muster und Gewissheiten über den Haufen wirft und auch zwischenmenschliche Beziehungen einschränkt, besonders schwer. Wer zu dieser Gruppe gehört, sollte sich im aktuellen, unsicheren Arbeits­umfeld unbedingt feste, neue Routinen und Arbeits­zeiten schaffen und gezielt einen Kreis von Kollegen aufbauen, mit dem man sich regelmäßig auch persönlich austauscht, rät Brandt. Auch im Homeoffice immer zur selben Uhrzeit aufstehen, feste Pausen und Arbeitszeiten einhalten, einen festen Arbeitsplatz in der Wohnung einrichten, regelmäßige virtuelle Kaffeepausen und Videocalls zu fest vereinbarten Zeiten mit Kollegen: Das sind Zeitmanagementmaßnahmen, die diesem Typ durch die volatile Krisenzeit helfen, davon ist sie überzeugt.

Ganz anders der „Macher“-Typ, der es schätzt, wenn Dinge schnell vorangehen, der sich bei Routine langweilt, sich leicht ablenken lässt, ständig neuen Input braucht und am liebsten gleich mehrere Projekte und Aufgaben gleichzeitig bearbeitet. „Diese Menschen arbeiten unter Druck am konzentriertesten, sie mögen Veränderungen – und können daher erst mal richtig aufdrehen, wenn es schwierig und komplex wird“, sagt Brandt. Am liebsten würden sie alle Probleme gleichzeitig und sofort angehen und ­lösen. Die Schattenseite: „Macher­typen neigen dazu, sich durch ihr Multitasking im Zeitmanagement zu verzetteln.“

Hier etwas anfangen, dann bei der erstbesten Ablenkung eine andere Aufgabe beginnen, die auch wieder liegenlassen, weil etwas anderes akut wichtiger erscheint: Gerade in einer Zeit, in der ständig neue Herausforderungen auftauchen, und sich Priori­täten ständig ändern, geraten Machertypen schnell aus dem Tritt und sind dauerangespannt. „Sie sollten sich daher jetzt klare Tages- und Wochenziele setzen und diese konzentriert verfolgen, um Erfolgserlebnisse und einen Fokus zu haben.“ Um sich nicht ablenken zu lassen, empfiehlt Brandt zudem eng getaktete Pausen: „Am besten den Wecker stellen und zwischen
einzelnen Arbeitsschritten oder zwei Telefonaten zum Beispiel zehn Liege­stütze machen oder den Arbeitsort innerhalb des Homeoffices wechseln.“

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Rein soziale Gesprächsrunden wie etwa einen virtuellen Kaffee­klatsch mit anderen Homeoffice-Kollegen empfindet dieser Typ eher als Zeitverschwendung, sollte sich aber dennoch dazu zwingen, an solchen Terminen teilzunehmen, rät Brandt. „Regelmäßiges zwischenmenschliches Feedback und feste ­soziale Rituale helfen letztlich allen Menschen dabei, in ­schwierigen ­Zeiten Halt und Orientierung zu finden.“

Ein Bild aus Vor-Corona-­Tagen: Aktuell trifft sich die Medienproduktionsfirma Kooperative Berlin nur virtuell. (Foto: Kooperative Berlin)

Von Natur aus perfekte Zeitmanager sind eigentlich Menschen des dritten Typs, die Analytiker: „Das sind die mit den To-do-Listen, den Tagesplänen, Wochenplänen und Jahreszielen, denn Planbarkeit und Strukturiertheit ist ihnen ein Bedürfnis“, sagt Brandt. In ihren Plänen und ihrem Rhythmus lassen sich analytisch tickende Menschen auch von einer hektischen Außenwelt nicht so leicht stören und unter Druck setzen –, sie ziehen ­ihren persönlichen Zeitplan durch. Problematisch finden sie es eher, dass in einer Umbruchsituation langfristiges Planen ­erschwert wird und verlässliche Zahlen, Daten und Fakten zur Orientierung fehlen. „Diese Menschen müssen jetzt vor allem darauf achten, dass sie sich nicht zu sehr abschotten, und dass sie sich nicht zu sehr in einzelne Aufgaben vertiefen, sich nicht in ihrem Perfektionismus verlieren“, erklärt Brandt.

Auch für die Analytiker gelte daher: Regelmäßig Zeit nehmen für soziale Interaktion mit den Kollegen, und um Feedback zur eigenen Arbeit einzuholen. So fällt schneller auf, dass sich die ­Prioritäten im Team zwischenzeitlich womöglich verschoben ­haben, und das eigene Lieblingsprojekt und der persönliche Zeitplan längst obsolet geworden sind.

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Krisen sind Energiefresser

Eine weitere Regel gilt für alle Zeitmanagementtypen, so unterschiedlich sie auch sind: „Man sollte sich klar machen, dass es Energie kostet, durch eine Krisenzeit zu navigieren, die von ­hoher Unsicherheit geprägt ist“, betont Brandt. Das heißt: „Alle sind jetzt weniger belastbar, die Konzentrationsfähigkeit ist geringer. Stress macht müde.“ Dementsprechend müssen Teams mehr Zeitpuffer für ihre Projekte einplanen. „Und regelmäßige Pausen, in denen wir uns Zeit nehmen, durchzuatmen, etwas zu essen, aufzustehen vom Arbeitsplatz, das Gedankenkarussell zu unter­brechen: Die sind wichtig, egal wie groß Stress und Handlungsdruck aus der Außenwelt gerade sind.“

In der Berliner Kooperative haben die Teams ihr Zeitmanagement bereits an den Krisenmodus angepasst. Möglichst kurze Meetings sind aber immer noch angesagt. „Vor allem wollen wir weiter jedem Mitarbeiter sein ganz individuelles, möglichst freies Zeitmanagement ermöglichen und gleichzeitig als Team effi­zient genug bleiben“, erläutert Kooperative-Chef Heidmeier. Schon in der Zeit vor der Krise haben die Teams gemeinsam geklärt, auf welchen Kommunikations­kanälen am besten über welche Themen gesprochen wird. Oder dass es für alle wichtig ist, sich Zeit füreinander zu nehmen. Soziale ­Termine werden auch jetzt nicht infrage gestellt: Statt in der Kooperative-­Küche wird dann eben virtuell gemeinsam gekocht. „Wir haben zudem neue, digitale Kernarbeitszeiten eingerichtet, in denen alle verlässlich erreichbar sind“, berichtet Heidmeier.

„Zeitmanagement ist zwar etwas sehr Individuelles, jeder muss seinen eigenen Weg und Arbeitsrhythmus finden. Aber trotzdem ist gutes Zeitmanagement immer auch Teamwork.“

Einige Termine sind derweil in der Priorität höher gerutscht als früher: Statt wie zuvor einmal im Monat reden die Team­leiter jetzt einmal pro Woche in persönlichen Einzelgesprächen zu ­festen Terminen mit jedem Teammitglied darüber, wie es gerade läuft. „So können wir schnell reagieren, wenn sich Ziele und Zeitpläne ändern.“

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Solange noch genug Arbeit da ist, die es zu verteilen gilt, ist in der aktuellen Krise vor allem ein Zeitmanagement gefragt, das alle leistungsfähig hält. Für Unternehmen, die ihre Mitarbeiter für längere Zeit in die Kurzarbeit schicken müssen, wird ein ­flexibles, individuelles Zeitmanagement allerdings generell schwierig. Das erlebt zurzeit ­Petra Bierwirth-Schaal. Die 40-­Jährige ist Co-Chefin eines Unternehmens, das Hotelimmobilien pachtet und sie dann als Franchise bekannter Hotel­marken betreibt. Ihr fünfzehnköpfiges Team managt dreizehn Hotels, in denen normalerweise rund 600 Menschen arbeiten. Seit Mitte März steht das Geschäft still, die meisten Mitarbeiter sind seither in Kurzarbeit. „Wir gehen auch davon aus, dass es noch eine ganze Weile dauern wird, bis wir wieder im Normalbetrieb arbeiten werden“, sagt Bierwirth-Schaal. „Das heißt: Wir haben ­einige Mitarbeiter, die sich um das Krisenmanagement kümmern und sehr viel zu tun haben“, erklärt sie. „Und andere, die zwar sehr gerne etwas tun und an Lösungen mitarbeiten möchten, aber jetzt in Kurzarbeit über Monate nur unter sehr strengen Auflagen überhaupt etwas tun dürfen.“

Vor allem letztere Gruppe leide unter der Unsicherheit und darunter, dass plötzlich klare Arbeitszeiten fehlen. „Wir sind es eigentlich gewöhnt, dass wir uns immer wieder auf neue ­Situationen einstellen müssen, dass Kundenwünsche den Zeitplan durcheinanderbringen, dass viel Input von außen kommt“, erklärt Bierwirth-Schaal. Normalerweise ist das wichtigste Ziel des Zeitmanagements daher: Stress rausnehmen, Pausen ­machen, auf den eigenen Arbeitsrhythmus achten, ein Ausbrennen vermeiden. „Wir waren mit unseren Leuten schon in ­tibetischen Zentren, um Kurzmeditationen zu lernen, um Kraft zu tanken, in einem stressigen, schnellen Alltag.“

Die jetzige Situation fordert hingegen nun das Gegenteil: Statt in schnell getakteten Arbeitstagen das Tempo zu halten, gilt es nun, das Fehlen von Zeitdruck und den Stillstand auszuhalten. Für diejenigen, die plötzlich ohne feste Arbeits­zeiten zu Hause festsitzen, hat sich Bierwirth-Schaal gemeinsam mit den Mitarbeitern daher ein neues Zeitmanagementmodell überlegt: „Wir haben eine Art ,Thinktank‘ eingerichtet, in dem jeder Vorschläge machen kann, wie wir in dieser Zeit das Verbundenheitsgefühl als Team nicht verlieren, und wie jeder Einzelne mit der Situation zurechtkommen kann.“ Viele Mitarbeiter wünschten sich feste, gemeinsame Termine. „Jetzt machen zum Beispiel einige Gruppen gemeinsam zu einer bestimmten Uhrzeit Online-­Yoga, wir vermitteln Online-Lunchbuddys für virtuelle gemeinsame Mittagessen, erstellen Weiterbildungsstunden­pläne für die Phase der Kurzarbeit.“ So zeigt sich auch in der Krise: „Zeitmanagement ist zwar etwas sehr Individuelles, jeder muss da seinen eigenen Weg und Arbeitsrhythmus finden“, sagt ­Bierwirth-Schaal, „aber trotzdem ist gutes Zeitmanagement ­immer auch Teamwork.“

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Titus von Unhold

„„Man sollte sich klar machen, dass es Energie kostet, durch eine Krisenzeit zu navigieren, die von ­hoher Unsicherheit geprägt ist“, betont Brandt. Das heißt: „Alle sind jetzt weniger belastbar, die Konzentrationsfähigkeit ist geringer. Stress macht müde.““

Nö. Ich find’s ehrlich gesagt geil. Das Problem der Normalitätssüchtigen ist einfach, dass sie keinerlei Bezug zur Realität haben und ihren hirnverbrannten Bullshit für echte Probleme halten.

Aber dass die Kaffeesorte im Büro jetzt eine andere ist oder man seine Designersonnenbrille verloren hat relativiert sich wahrscheinlich erst, wenn man mal unter Feindbeschuss im zentralasiatischen raum im Graben gelegen hat oder keine der vier Reanimationen in der Schicht gelungen ist.

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