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Interview

Fielmann: Warum ein deutscher Optiker in Datenbrillen investiert

Fielmann verkauft hierzulande zwar jede zweite Brille, aber ­keine einzige online. Das soll sich jetzt ändern. Im Interview erklärt Konzern­chef Marc Fielmann seine Digitalstrategie und warum er an die Zukunft der Datenbrillen glaubt.

7 Min.
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(Foto: Fielmann)

Marc Fielmann trägt beim Video-Call einen dunklen Anzug, ­heute mal ohne Schlips. Auch wenn der Chef und Erbe der gleichnamigen Optikerkette 1989 geboren wurde und damit als Millennial durchgeht, ist die T-Shirt-, Jeans und Sneakers-­Kluft offensichtlich nicht seins. „Wenn ich in die Nieder­lassung gehe, dann trage ich auch eine Krawatte“, sagt er und spielt ­damit da­rauf an, dass er oft auf seine Kleiderwahl ange­sprochen wird. Für den 31-jährigen Hamburger, der nach eigener Aussage ein paar Tage im Monat noch selbst im ­Laden ­Brillen verkauft, drückt sich dadurch auch eine „Form des Respekts“ gegenüber den Kunden aus. „Eine 18-Jährige wird nicht, nur weil sie mich etwas ­spießig findet, keine Brille bei mir ­kaufen. Der lebens­erfahrene Herr fände es aber nicht so cool, wenn sein Augenoptiker im T-Shirt vor ihm stünde.“ Rund 8,3 Millionen Brillen sind bei Fielmann 2019 über die Ladentheke gegangen.

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Dass Marc ­Fielmann vom Fach ist und das Verkaufen von der Pike auf gelernt hat, zeigt sich immer wieder während des Gesprächs: Er zieht ­seine eigene ­Brille ab, biegt die Bügel, rollt mit seinem Bürostuhl auch mal ganz dicht an die Kamera und dann wieder weg nach hinten in den Raum, um zu demonstrieren, wie schwer es ist, die Kopf­größe online zu kalibrieren. Im vergangenen ­November hat er ­seinen Vater ­Günther als Vorstandsvorsitzender des börsennotierten ­Familienunternehmens mit einem Jahresumsatz von zuletzt rund 1,8 ­Milliarden Euro abgelöst. An der ­Digitalisierung des Unternehmens arbeiten intern 300 Leute in der Produktentwicklung; insgesamt 200 Millionen Euro ­fließen 2019 und 2020 in die Um­setzung seiner „Vision 2025“. Trotz ­aller ­Begeisterung fürs ­Virtuelle betont er die Boden­ständigkeit ­seiner Branche: „Optikerketten sind Familienunternehmen, da zählt ein Handschlag noch etwas.“

t3n: Herr Fielmann, Sie investieren dreistellige Millionenbeträge in die Digitalisierung, haben im Juni eine Hightech-Filiale in Hamburg eröffnet. Eine App für den Online-Brillenkauf soll aber erst Ende des Jahres kommen. Sind Sie nicht etwas spät dran?

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Marc Fielmann: Apps und deren Entwicklung sind nichts Neues für uns. Für Kontaktlinsen haben wir bereits seit 2016 ein Omnichannel-­Geschäftsmodell. Beim Onlineverkauf von Brillen spielen aber komplexe Messtechnologien eine Rolle. Insbesondere für die ­Brillenglaszentrierung.

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t3n: Online-Player wie Mister Spex verkaufen schon lange Brillen im Internet und behaupten, das zu können.

Trotz Investitionen stagniert der Online-Marktanteil bei Brillen seit Jahren bei einem Prozent. Das ist nicht gerade eine Revolu­tion. Vielmehr bestätigt die Tatsache, dass inzwischen alle Online-­Anbieter stationäre Geschäfte eröffnen, unsere Omnichannel-Strategie.

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t3n: Man könnte es aber auch so sehen, dass Sie angesichts des Vorstoßes der Konkurrenz in den stationären Handel ins Digitale gehen, um dort eine Abwehrschlacht zu führen.

Wir orientieren uns an den Kundenwünschen. Die Kunden unterscheiden nicht zwischen on- und offline. Für uns ist maßgeblich, dass der Kunde – egal, auf welchem Weg – Fielmann-­Qualität erhält. Hierfür müssen zunächst marktreife Technologien für die 3D-Anprobe, die 3D-Anpassung und ein Online-Sehtest ent­wickelt werden. Wir migrieren diese Technologien im Laufe ­dieses Jahres in unsere App.

t3n: Wie Sie selbst sagen, werden aktuell nur wenige Brillen online gekauft. Sie könnten daraus auch die Konsequenz ziehen, das Ganze als wenig lukrativ abzutun. Warum steigt Fielmann ein?

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Wenn Sie aktuell eine Brille aus dem Onlineshop kaufen, ist das ein reines Zufallsprodukt. Die Online-Sehtests können nur ­sagen, ob Sie eine Brille brauchen oder nicht, die Sehstärke jedoch nicht ermitteln. Wenn Sie dagegen beim Optiker kaufen, wird die ­Brille ausgemessen und auf Sie abgestimmt. Vergleichbar mit ­einem Maßanzug. Wir schaffen ein Omnichannel-System, das die ­gleiche Qualität garantiert. Mittelfristig rechnen wir bei ­Korrektionsbrillen trotzdem weiterhin mit einem stationären Anteil von 90 Prozent.

t3n: Warum?

Wenn Kunden eine hohe Sehstärke, Diabetes oder andere Risiko­faktoren haben, dann werden wir immer empfehlen, zur ­Kontrolle in die Niederlassung zu kommen.

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t3n: Mancher Ihrer Wettbewerber setzt auf 3D-Druck für ­Brillen, um nach eigener Aussage ressourcenschonender zu fertigen. Ist das für Sie auch eine Option?

Wir haben seit 2013 einen 3D-Drucker in den Räumen von ­Fielmann Ventures und nutzen die Technik seit fünf Jahren in der Produktentwicklung. In der Massenproduktion ­müssten Sie aber einen relativ hohen Preis für 3D-Fassungen aufrufen – eher 99 statt 17,50 Euro. Der 3D-Druck ist deshalb im Moment nichts für ein Massenprodukt, sondern eher für ein Luxusprodukt. Den bahnbrechenden Durchbruch sehe ich in unserem Markt nicht.

„Technologische ­Investitionen müssen bei uns immer etwas mit Augen und Ohren zu tun haben.“

t3n: Auch nicht in Richtung Personalisierung? So wie es etwa Sneaker-Hersteller machen?

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Brillen können Sie auch ohne 3D-Druck personalisieren – von der persönlichen Gravur bis zu Wechselbügeln. Ich vergleiche das mit der Frage: „Wäre es nicht besser, Brillen innerhalb einer Stunde zu liefern?“ Wir haben das getestet, aber der durchschnittliche Deutsche ist nicht unbedingt bereit, dafür mehr Geld auszugeben, und es macht ihn nicht glücklicher.

t3n: Apropos glücklicher. Sie sind ja selbst Brillenträger. Gibt es eine Sache, die Sie persönlich gestört hat, die Tech jetzt gelöst hat?

Haben Sie schon mal was von „Diminished Reality“ gehört?

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t3n: Nein. Was ist das?

Wer eine hohe Sehstärke hat, muss bei der Brillenanprobe ganz nah an den Spiegel, um überhaupt etwas sehen zu können. Wir haben jetzt ein Computerprogramm entwickelt, das in Echtzeit die Brille aus dem Gesicht rendert und die ausgewählte Fassung in 3D aufsetzt, ohne dass die eigene Brille abgesetzt werden muss. Die Technologie ist fertig, aber wir müssen sie noch für verschiedene Hardware optimieren und entscheiden, ob wir alle Niederlassungen damit ausstatten oder sie in unsere App ­inte­grieren.

t3n: Dabei kommt sicherlich die Beteiligung am französischen Augmented-Reality-Spezialisten Fitting Box zum Tragen. Wie nutzen Sie die Technologie noch?

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Fitting Box hat über 100.000 Brillenfassungen digitalisiert, um Kunden eine Information zur Passform einer Brille geben zu können. Momentan testen wir eine Web-Applikation für Sonnenbrillen; denn – was viele nicht wissen – es gibt keine ­Sonnen­brillengrößen. Unser Fielmann-Finder vermisst das Gesicht in Echtzeit und setzt virtuell die ausgewählte Fassung in 3D auf.

t3n: Diese Try-on-Funktionen haben oft etwas Comichaftes. Ich kann abschätzen, ob mir die Brillenform steht, mehr aber auch nicht. Können Sie da etwas draufsetzen?

Wir nutzen Augmented Reality für mehr als nur die ­3D-Anprobe: Unser Finder vermisst Ihr Gesicht anhand von über 18.900 Messpunkten, gleicht diese anatomischen Daten mit Ihrer aus­gewählten Sonnenbrille ab und sagt, wie gut sie sitzen wird.

(Grafik: t3n)

t3n: Zu Ihrem Portfolio gehört seit Kurzem auch das Bremer Datenbrillen-Startup Ubimax. Wie passt diese Beteiligung in Ihr Konzept?

Das Team von Ubimax hat sich auch erst gefragt: „Was sollen wir mit einem Brillenunternehmen machen? Smartglasses sind doch Computer, die vor dem Auge sitzen; außer dem Wort Brille ­haben wir wenig miteinander zu tun.“ Gemeinsam haben wir den ­Win-Win herausgearbeitet: Ubimax ist inzwischen der erste Anbieter weltweit, der Datenbrillen skaliert verglasen kann.

t3n: Auch Google bietet Smartglasses an, Apple arbeitet ­daran. Bisher ist die Kundenakzeptanz aber leidlich. Welches ­Potenzial sehen Sie?

Für uns sind Smartglasses strategisch hochinteressant. Bei ­Ubimax kommt Augmented Reality im Geschäftskundenbereich etwa bei der Anlagenwartung zum Einsatz. Ein Ingenieur kann sich live zum Mitarbeiter zuschalten und auf dem Screen im Sichtfeld einkringeln, welches Kabel zu überprüfen ist. Wenn Sie mich jetzt fragen: „Wann gibt es tolle Smartglasses für ­Endkunden?“, sage ich: „Die gibt es bereits, nur haben sie sich noch nicht durchgesetzt.“ Das ist ein bisschen ein Henne-Ei-­Problem. Denn nur, wenn sie sich durchsetzen, lohnt es sich für einen Entwickler, auf dem Technologie-Stack Apps zu ­bauen, und nur, wenn es ­genug Apps gibt, lohnt es sich für Sie als ­Kundin, Smartglasses zu ­kaufen.

t3n: Was muss sich ändern?

Sie müssen besser aussehen, die CPU möglichst klein sein und sich im Bügel verstecken lassen. Das ist bei den neueren ­Modellen von Bose, Google und Vuzix bereits ganz gut gelungen.

t3n: Wären für Sie Kooperationen mit Tech-Unternehmen wie Apple oder Google vorstellbar?

Wenn Sie was zur Party mitbringen – zum Beispiel Wissen, wie Smartglasses funktionieren oder wie sie sie verglasen und re­parieren können –, sind Sie ein attraktiverer Gesprächspartner für Technologieunternehmen. Darum reden wir schon miteinander.

t3n: Wir haben jetzt viel über Augmented Reality gesprochen; das Buzzword „KI“ ist bisher noch gar nicht gefallen. Wie sieht es bei Fielmann mit Deep-Tech-Anwendungen aus?

Ich verwende den Begriff KI eher konservativ. Vielfach verbirgt sich dahinter nur angewandte Statistik oder Automatisierung. Aber bei unserem Online-Sehtest, den wir aktuell inhouse entwickeln und patentieren lassen, verwenden wir neuronale Netze zur Sehstärkenbestimmung. Das ist dann tatsächlich KI.

Hightech beim Optiker: Fielmann will mit neuen digitalen Serviceangeboten wie der AR-Anprobe von Brillen punkten. (Foto: Fielmann)

t3n: Wenn Sie an die nächsten fünf bis zehn Jahre denken, was sehen Sie? Kommt noch ein weiterer Digitalisierungsschub?

In der Digitalisierung schaue ich nicht weiter als drei Jahre, weil die Entwicklung so schnell ist. Ich denke, dass wir jedes Jahr deutlich internationaler und digitaler sein werden. Durch qualitative Messtechnologie werden wir dafür sorgen, dass der Online-Marktanteil bei Brillen von einem auf zehn Prozent ­wachsen wird.

t3n: In was investieren Sie als Nächstes?

Wir setzen unsere Expansion in Europa fort, auch durch ­Übernahmen. Die Coronakrise führt dazu, dass sich das eine oder andere Unternehmen Unterstützung wünscht. Und da die ­Digitalisierung trotz allem Kundennutzen relativ teuer ist, ­profitieren Unternehmen von unserer Omnichannel-Plattform. Auch wir können mit unserer Akquisitionsstrategie unsere Digital­strategie amortisieren. Technologische Investitionen müssen bei uns ­immer etwas mit Augen und Ohren zu tun ­haben.

t3n: Wie wäre es mit Virtual-Reality-Brillen? Gibt es die bald auch von Fielmann?

Das ist zu weit weg – außer, dass es etwas ist, was sich auf den Kopf setzen lässt, hat es nichts mit unserem Geschäft zu tun (lacht).

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Heinrich Peter Maria Radojewski Schäfer von Leverkusen

Zu seinem letzten Satz, der da so entschlossen daherkam,
wird er sich schneller als er sich vorstellen kann, eine
entschuldigende Erkärung einfallen lassen müssen.

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