Influencer-Marketing: Wie man Meinungsführer findet und sie für sich gewinnt
Je geringer die Wirkeffekte etablierter Werbe- und Marketingmaßnahmen, desto attraktiver werden neue Phänomene wie das Influencer-Marketing. Und wann immer solche neuen Touchpoints zum Kunden vielversprechend scheinen, treten die Marketer auf den Plan. Wie viele andere Below-the-Line-Maßnahmen zählen sie heute auch das Influencer-Marketing zunehmend zu ihrer Klaviatur. Nur: Ist dieses wirklich neu?
Nein, denn was das Marketing hier anstößt, ist in den Public Relations und im Vertrieb bereits bekannt. Die PR nennt es Multiplikatoren, im Sales-Bereich sind es die Vertriebspartner. Selbst wenn diese Betrachtung etwas zu kurz greifen sollte, so ist die Stoßrichtung aller Disziplinen identisch: Man will die wenigen Adressaten mit großem Wirkungsgrad erreichen.
Was sind Influencer und wo sind sie?
Was also ist ein Influencer? Ein Meinungsführer, der aufgrund seiner Reputation in einem bestimmten Umfeld und Themenbereich die Entscheidungen anderer beeinflusst. Bis er dies allerdings im Auftrag eines Unternehmens tut, ist es ein weiter Weg. Mitunter ist es schon ein großer Erfolg, wenn Influencer ein Unternehmen überhaupt erst einmal berücksichtigen oder auch nur wahrnehmen. Ein Lerneffekt, an den sich viele zahlengetriebene Marketer erst noch gewöhnen müssen.
Der erste Schritt auf der Suche nach Influencern ist die Eingrenzung der für die Marke relevanten Themen und Begrifflichkeiten. Das klingt recht banal, ist aber leider selten selbstverständlich: Viele Unternehmen haben den Blick über ihren Tellerrand nicht verinnerlicht. Sie sind zwar mit ihren Produkten und Dienstleistungen bestens vertraut, können sie aber nur schwer in einen größeren Themenkontext oder eine aktuelle Debatte einbetten. Sind die Themenfelder sauber herausgearbeitet, beginnt die Suche nach den Meinungsführern. Dies läuft auf die Gretchenfrage hinaus: Lassen sich Meinungsführer über Analysewerkzeuge ausfindig machen? Die Antwort lautet: Ja, aber nicht ausschließlich.
Tools für die Influencer-Suche
Die Liste der Tools zum Aufspüren von Influencern ist lang, sehr lang. Einen guten Einstieg bieten Blog-Suchmaschinen wie Icerocket und Twingly sowie soziale Netzwerke wie Twitter. Kaum ein Influencer dürfte auf eines dieser Tools verzichten können. Facebook oder Google+ allein jedenfalls reichen kaum aus, um eine kritische Masse aufzubauen – aber auch hier gibt es Ausnahmen.
Twitter per se bietet eine gute erste Orientierung zu Reichweite, Inhalten, Dialogfreude und Wirkeffekten. „Mit Tweetreach lassen sich zudem kriterienbezogen die wichtigsten Kontributoren zu einem Thema oder Hashtag identifizieren“, meint Kommunikationsberater Kai Heddergott. Das Tool Followerwonk analysiert und vergleicht darüber hinaus einzelne Twitter-Nutzer, was ebenfalls bei der Eingrenzung weniger, wichtiger Köpfe hilft.
Blogger suchen und finden
Wer die Suche mit Google richtig nutzt, kommt mit der Suche nach „site:wordpress.com (Suchbegriff)“ oder „site:blogger.com (Suchbegriff)“ zumindest schon mal bei diesen beiden Blog-Hostern weiter. Wer die reichweitenstärksten und aktuell meist diskutierten Blogs im Blick behalten möchte, dem sei 10000flies.de ans Herz gelegt – an der Entwicklung war der Journalist, Blogger und Twitter-Nutzer der ersten Stunde, Jens Schröder, beteiligt.
Das Projekt, das Schröder mit der Düsseldorfer Internet-Agentur active value realisiert hat, tritt damit in die Fußstapfen der deutschen Blogcharts und wertet den Social Buzz von Blogposts aus. In reduzierter Form erscheinen dank der Teads Labs (vormals: Ebuzzing) einmal pro Monat die Top-100-Blogs, die sich nach verschiedenen Themengebieten filtern lassen.
Netzwerk-übergreifende Tools
Ansätze wie Google+ Ripples oder Fanpage Karma sind zwar zum Teil kostenfrei, aber auch nur für einzelne Netzwerke konzipiert. Wer einen Überblick über das große Ganze – also über mehrere Netzwerke – haben will, braucht mehr. „Dann helfen nur Tools, die die Informationslawine des Internets vorsortieren und Transparenz schaffen“, sagt Robert Levenhagen, der mit Salt.IRM gerade eine eigene Lösung im Beta-Stadium veröffentlicht hat. „Diese können zwar nicht den menschlichen Teil übernehmen, der für die Wahl der richtigen Partner notwendig ist, ein vollautomatisierter Prozess ist somit schwierig. Doch ohne diese Tools ist die Vorrecherche sehr ineffizient“, so Levenhagen.
Eines dieser Tools und lange Zeit ziemlich unumstritten ist Klout. Klout misst den Online-Einfluss von Personen auf einer Skala von 1 bis 100 anhand ihrer Profile in den sozialen Netzwerken. Eigenen Angaben zufolge analysiert das Tool dabei unter anderem die Anzahl der Freunde, Aktivitäten und Weiterempfehlungen. Letzteres dürfte den Score am stärksten beeinflussen.
Klout ist so interessant, dass die Suchmaschine Bing dessen Werte bei Suchergebnissen gleich mit anzeigt und der Social-CRM-Anbieter Lithium den Dienst für schlappe 200 Millionen Euro kaufte. Abhängig vom Score gibt es übrigens sogenannte Klout Perks. Das sind Incentivierungen verschiedener Marken vom kostenlosen Testprodukt bis hin zum automatischen Upgrade bei Hotelaufenthalten. Trotz einiger Analyseungenauigkeiten und teils offensichtlich manipulierter Scores ist Klout als Erstindikator zur Bewertung von Kontakten durchaus hilfreich.
Ähnlich arbeiten Analysewerkzeuge wie Kred oder PeerIndex. Auch sie sollten nur unterstützend der Recherche und Einordnung dienen, weil sie aufgrund der angesprochenen Manipulationen mit Vorsicht zu genießen sind. Ähnliches gilt für kostenpflichtige Lösungen wie Traackr, TapInfluence, Appinions oder Crowdtap. Die Liste ließe sich fortführen. Das Problem dieser Plattformen ist ähnlich: Entwickelt für den US-amerikanischen Markt, stoßen ihre Ansätze in Deutschland an ihre (Sprach-)Grenzen.
Ist der Kreis der Influencer eingegrenzt, lassen sich die Verbreitungs- und Viralitätsgrade einzelner Beiträge mit Werkzeugen wie Social Signals, sharecounter.de oder SharedCount erfassen. Interessanterweise beinhalten inzwischen auch einige originäre Monitoringtools wie ubermetrics oder Talkwalker die Möglichkeit, Meinungsführer zu identifizieren. Allerdings lohnen sich die vergleichsweise kostspieligen und aufwändigen Setups nur, wenn es auch wirklich etwas zu beobachten gibt. Will sagen: Für Einsteiger ist das nichts.
„Gute Kriterien sind die Reichweite, Follower-Zahlen oder Abonnenten. Ganz wichtig sind aber auch Interaktionsraten, die einen Indikator für das Ausmaß der Bindung zwischen Influencer und seiner Zielgruppe darstellen“, fasst Levenhagen zusammen. „Die Qualität der Inhalte und die Überschneidung der Identität eines Unternehmens mit den Werten des Influencers ist jedoch nicht in Zahlen zu messen, sondern immer eine Frage der individuellen Beurteilung.“ Hier müssen Mensch und Maschine Hand in Hand gehen. Der persönliche Check, wer welche Inhalte wo verbreitet und ob der Stil zur Markenphilosophie passt, ist also unerlässlich.
Geduld beim Aufbau von Kontakten
Entscheidend ist jedoch längst nicht nur die Frage, wie Unternehmen Influencer finden, sondern vor allem wie sie diese ansprechen. Gutes Influencer-Marketing braucht dazu die entsprechende Manpower. Wer eine langfristige Beziehung zu wichtigen Dialogpartnern mit relevanten Wirkeffekten aufbauen möchte, braucht Menschen, die sich darum kümmern.
Zudem lassen sich die Früchte selbst intensiver Arbeit mitunter erst nach ein bis zwei Jahren ernten. Wer kurzfristige Erfolge erwartet, ist hier fehl am Platz! Bis dahin heißt es vor allem: lernen und verstehen. Agenturen und Dienstleister können hier nur Starthilfe leisten. Wer Influencer-Marketing outsourct, bleibt für die Meinungsführer unnahbar. Erfolgreiche Konzepte sind mit Menschen unterfüttert, die diese Konzepte in den Unternehmen umsetzen und leben.
Was Influencer erwarten
Eine schnelle, unmittelbare und persönliche Kommunikation ist das Mindeste, was Influencer im Umgang mit Unternehmen erwarten dürfen. Das können Agenturen nur sehr bedingt leisten – zumal auch persönliche Treffen beim Influencer-Dialog einfach dazu gehören. Barcamps, Meetups, Twittwoch oder die re:publica sind hierfür die passenden Anlässe. Virtuell geht viel, aber eben längst nicht alles. Persönliche Bekanntheit schafft Vertrauen und darum geht es letztlich beim Influencer-Marketing.
Glücklicherweise lässt sich die Kooperationsbereitschaft von Influencern mittlerweile meist relativ gut einschätzen. Wer Werbung auf seinem Blog schaltet oder Sponsored Posts veröffentlicht, dürfte gesprächsbereit sein. Einige verfügen inzwischen sogar über eigene Mediadaten, die skizzieren, was möglich ist. Das gilt vor allem für die Bereiche Lifestyle, Fashion und Reise.
Wer vor allem über gute oder auch exklusive Inhalte einen Zugang finden will, sollte sich mit den Formaten der anvisierten Influencer auseinandersetzen und entsprechend vorbereitet sein. Welche Formate im Einzelfall dabei eine Rolle spielen können, diskutiert eine Blogreihe unter dem Titel „Stakeholder Release“.
Das Beispiel Zeiss
Ein schönes Beispiel lieferte Zeiss mit einer Kampagne für Brillengläser. Das Unternehmen stellte gute Content-Formate zum Thema „digitaler Sehstress“ bereit und band – abgestuft nach Relevanz und Einfluss – Premiumpartner, Blog-Partner und Tester ein. Die Tester gewann Zeiss dabei sogar über die Premiumpartner, vier namhafte Blogger aus den verwandten Themenbereichen Lifestyle, Mobile, Journalismus, Grafik und Design.
Interessant an diesem Fall: Zeiss hat die Premiumpartner nicht selbst angesprochen, sondern sich hierfür Mittelsleute gesucht. In der Tat ist dieser Weg die beste Option, selbst wenn am Ende Geld fließt und Werbung gebucht wird. Individuelle Vereinbarungen lassen sich dann immer noch direkt treffen.
Fazit
Influencer-Marketing gewinnt an Bedeutung. Doch allein kann es niemals funktionieren. Die Mischung aus Paid, Earned und Owned Media macht es. Wer gute Inhalte und Geschichten zu bieten hat, darf – ja muss – auch die klassischen Wege beschreiten. Unternehmen über Nacht bekannt zu machen, gelingt zudem nur in den seltensten Fällen – und schon gar nicht, wenn es nicht auch entsprechende Budgets gibt.
Letztlich ist das Phänomen Influencer-Marketing ein weiteres Indiz für den Paradigmenwechsel von der Aufmerksamkeits- zur Relationship-Ökonomie. Der digitale Vordenker Brian Solis beschreibt in seinem visuellen Manifest sehr schön, worum es dabei geht und was von Kommunikatoren – ob Marketern, PR-Verantwortlichen oder Sales-Mitarbeitern –in der digitalen Zeit erwartet wird. PR steht für ihn deshalb auch für „People & Relationships“, was der zunehmenden Bedeutung persönlicher Beziehungen zu Influencern Rechnung trägt.
Neben den hier genannten Lösungen existieren natürlich noch viele weitere. Welche Tools und Quellen nutzt ihr, um Influencer aufzuspüren? Schreibt es uns in die Kommentare.
Mein persönlicher Favorit ist http://buzzsumo.com. Sollte man eventuell in die Tool-Liste mit aufnehmen. Gerade zum aufspüren von Top-Content sortiert nach Shares ein super Tool.
Das Heischen um Aufmerksamkeit in den sozialen Medien nur um wieder irgendein Produkt an den Mann zu bringen, ekelt mich immer mehr an.
Eine gute Übersicht von Tools! Da ich mir besonders mit der Recherche von reichweitenstarken Blogs schwer tue (kenne kaum gute Tools), hat mir http://www.influencerdb.net schon das ein oder andere Mal weitergeholfen (auch für Instagram Channels sehr spannend).
Beste Grüße und danke für den Artikel!
Levke
Eine sehr interessante Auflistung wichtiger Tools. Influencer Marketing bringt auf jeden Fall großes Potential in die Werbelandschaft. Neben den genannten Werkzeugen gibt es noch eine weitere Suchmaschine, die populäre Artikel der Social Media listet und darüber Influencer anzeigt: http://www.influma.de
Eine wirklich sehr gute Übersicht von Tools! https://www.influencer-marketing.io/ hat auch sehr interessante Blogartikel falls ihr noch mehr Tools haben möchtet! Liebe Grüße und danke für den schönen Artikel!