Bis 1.000 km: Batterieexperte erwartet kurzfristig massive Reichweitensteigerungen bei E-Autos
Fichtner ist ein international renommierter Experte für Batterietechnologie und Professor für Festkörperchemie an der Universität Ulm. Seinen Erkenntnissen zufolge stehen uns in der Batterietechnologie zwei Entwicklungssprünge bevor. Die hat er in einem Interview-Format des Volkswagen-Konzerns erläutert.
Sprung #1: Mehr Speichermaterial
Zum einen werde sich beim Aufbau eines Batteriesystems Maßgebliches tun. Derzeit bestehe eine Batterie nur zu 25 bis 30 Prozent aus Speichermaterial. Der Rest entfalle auf Gehäuse, Verpackung und Zusatzstoffen.
Das Ziel bestehe nun darin, den Anteil des Speichermaterials am Gesamtsystem zu erhöhen, um so bei gleicher Größe mehr Reichweite oder bei gleicher Reichweite kompaktere Systeme bauen zu können. Fichtner geht davon aus, dass schon in naher Zukunft doppelt so viel Speichermaterial wie heutzutage in den Batterien eingesetzt werden kann. Das würde sich nicht nur günstig auf die Reichweite, sondern auch auf die Kosten auswirken.
Sprung #2: Höhere Speicherdichte
Der zweite Entwicklungssprung steht Fichtner zufolge bei den Speichermaterialien selbst bevor. Hier tue sich vor allem auf der Anodenseite viel, wo ein Komposit aus Graphit und Silizium schon bald das reine Graphit ablösen könnte. Da Silizium eine zehnmal höhere Speicherdichte habe als Graphit, würde der Energiegehalt der Batterien damit deutlich steigen, so der Batterieexperte.
Beide Faktoren zusammen könnten die Reichweite von Elektro-Autos mithin drastisch erweitern oder – wo das nicht erforderlich ist – den Raumbedarf und die Kosten für Batteriesysteme maßgeblich verringern. Entscheidend bei diesen Perspektiven ist, dass es sich nicht um experimentelle Ansätze, sondern um weitgehend ausentwickelte Konzepte handelt, die alsbald eingeführt werden können.
Festkörperbatterie: Interessant, aber noch nicht marktreif
Anders sehe es mit dem laut Fichtner „heiligen Gral der Batterieforschung“ – der Festkörperbatterie – aus. Die könnte zwar auch Reichweitensteigerungen im Bereich von 30 bis 40 Prozent bringen, könne aber bislang nicht in industriellem Maßstab produziert werden.
Ob und wann das gelingen könne, sei offen, und ob sich die Technologie von der Kostenseite her rechnen lasse, sei ebenfalls unklar. Bei Lithium-Ionen sehe das anders aus. Die hätten mit der Einführung nachhaltiger Kathodenmaterialien wie Lithium-Eisenphosphat die wichtige Marke von 100 US-Dollar pro Kilowattstunde Strom bereits unterschritten. Diese Marke definiere den Schwellwert, unterhalb dessen ein Elektro-Auto kostengünstiger werde als ein Verbrenner.
Wenig Sorge bereitet dem Experten die Problematik des Abbaus von Kobalt und Lithium. Er sieht Kobalt für Akkus in Elektro-Autos schon kurzfristig als entbehrlich an. Der Abbau von Lithium sei im Vergleich weit weniger kritisch und angesichts der weltweiten Reserven zumindest mittelfristig zu sichern.
Wichtigste Baustelle: Ladeinfrastruktur
Was ihm bei der Verkehrswende hin zur Elektromobilität Sorge bereite, seien entsprechend nicht die Fahrzeuge, so Fichtner. Vielmehr müsse auf der Seite der Ladeinfrastruktur deutlich mehr getan werden. Es brauche Konzepte für Stadtbewohner ohne eigene Ladesäule, ein flächendeckendes Schnellladenetz und eine einheitliche Preisstruktur für das Laden auf Reisen. Davon sind wir indes noch zu weit entfernt.
Reichweitensteigerung ist ein ziemlich unsinniger Wert im Zusammenhang mit Elektroautos. Steigern kann ich jederzeit, indem ich einen größeren Akku verbaue. Frage ist also eher, ob die Akkus pro kWh günstiger werden oder kleiner oder beides.
Es könnte ja auch sein, dass die Hersteller die Reichweite lassen und alles dafür günstiger anbieten. Gerade Stadtautos brauchen ja keine 1000 km und kommen mit ihren jetzigen Kapazitäten schon ganz gut hin.