Was kommt nach dem 9-Euro-Ticket, Herr Wissing?

Volker Wissing (FDP), Bundesminister für Verkehr und Digitales, am 31.08.2022. (Foto: picture alliance/dpa | Kay Nietfeld)
1,8 Millionen Tonnen CO2, so viel soll durch die Einführung des Neun-Euro-Tickets in den drei Monaten zwischen Juni und August eingespart worden sein. Rund zehn Prozent der insgesamt 52 Millionen Neun-Euro-Ticket-Abonennt:innen ließen im Aktionszeitraum mindestens einmal am Tag ihr Auto stehen. Das kann als Erfolg verbucht werden. Dennoch ist bislang unklar, wie es nach dem 31. August weitergeht.
Dass es ein Anschlussangebot geben muss, ist auch Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) klar. Er kündigte eine Nachfolgeregelung für das Neun-Euro-Ticket an und sagte im Deutschlandfunk, dass er sich gemeinsam mit Bundesfinanzminister Christian Lindner dafür einsetzen werde, „dass es nicht wieder zum Rückfall in die alten Tarifstrukturen kommt, so wie jetzt kurzfristig zum 1. September“.
Kostenlos könne der öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) nicht werden, darüber seien sich Wissing und Lindner einig. Der Bundesfinanzminister sei aber für eine weitere Subventionierung des ÖPNV offen, um eine attraktive Preisgestaltung für die Bevölkerung gewährleisten zu können.
Das Neun-Euro-Ticket wurde vom Bund mit 2,5 Milliarden Euro zum Ausgleich von Einnahmeausfällen bei Verkehrsanbietern bezuschusst. Wann eine neue Ticketregelung eingeführt wird, ließ Wissing bislang offen.
DUH fordert 365-Euro-Klimaticket
Vorschläge, wie ein Folgeangebot des Neun-Euro-Tickets aussehen könnte, gibt es viele. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) setzt sich beispielsweise zusammen mit mehr als 200.000 Menschen in einer Petition für ein bundesweit gültiges 365-Euro-Klimaticket für Bahn, Bus und Tram ein.
Das Ticket würde als Anschlusslösung an das Neun-Euro-Ticket dringend gebraucht, um die überfällige Verkehrswende zu beschleunigen und zum Klimaschutz beizutragen, so die DUH. Die Unterschriften aus der Petition wurden dem Bundesverkehrsministerium am heutigen 31. August zusammen mit einer Protestmail übergeben. Die Deutsche Umwelthilfe setzt sich bereits seit drei Jahren für ein solches Klimaticket ein.
Über das Neun-Euro-Ticket sagt Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der DUH, in einem Statement: „Millionen Menschen haben Bahn und Bus wiederentdeckt. […] Vorteile und Notwenigkeit für Verkehrswende und Klimaschutz sind eindeutig.“ Er fordert ein „Ende der Gratismentalität bei Spitzenverdiener:innen und ihren Dienstwagen“. Dadurch ließe sich ihm zufolge das Ticket problemlos gegenfinanzieren.
Bislang hätten Finanzminister Lindner und Verkehrsminister Wissing allerdings nicht für einen Austausch zu dem Thema zur Verfügung gestanden, beklagt Resch.
Weitere Vorschläge: 29 bis 69 Euro pro Monat
Auch die Verbraucherzentralen kritisieren das zunächst ersatzlos scheinende Ende des Neun-Euro-Tickets. Sie werben für den Vorschlag eines 29-Euro-Monatstickets. Mit 348 Euro pro Jahr würde das dem Vorschlag der DUH nahekommen. „Die Bundesregierung muss aufhören zu streiten und ein dauerhaft günstiges ÖPNV-Ticket auf den Weg bringen“, sagt Ramona Pop, die Chefin des Bundesverbands der Verbraucherzentralen (vzbv).
Pop zufolge könnten sich schon jetzt viele Menschen mit geringem Einkommen keinen eigenen Pkw leisten und für manche sei selbst der ÖPNV zu teuer. Angesichts der aktuellen Energiepreiskrise dürfte sich die Lage noch verschärfen.
Etwas höher als die Vorschläge von DUH und Verbraucherzentralen liegen die Vorschläge der SPD (49-Euro-Ticket) und des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen (69-Euro-Ticket).
Kommt ein Tempolimit auf der Autobahn?
Neben dem 365-Euro-Klimaticket fordert die DUH ein Tempolimit auf den Autobahnen, um Energie zu sparen und Emissionen zu reduzieren. Berechnungen zufolge könnten mit einem 100/80/30-Tempolimit 9,1 Millionen Tonnen CO2 eingespart werden. Zusammen mit den hochgerechnet 7,2 Millionen Tonnen CO2-Einsparung durch das Klimaticket könnte so bereits knapp die Hälfte des aktuellen Fehlbetrages zur Einhaltung des Klimaschutzgesetzes im Verkehrsbereich erreicht werden.
Trotz der drohenden Energieknappheit sehe das Verkehrsminister Volker Wissing derzeit jedoch nicht als realistische Option an. In einem Interview mit Bloomberg TV am Montag sagte er, der Schritt würde die Gesellschaft spalten in einer Zeit, in der Deutschland Solidarität brauche.