Onlinehändler, so hört man aus dem Munde mancher Geschäftsinhaber, haben es leicht: einfach eine Website hochziehen, einen Zahlungsdienstleister anbinden und die Ware an den Kunden verschicken. Kein teures Ladengeschäft, kein teures Personal, keine Kunden, die nur zum Begutachten der Ware kommen und dann doch woanders kaufen. Dass auch der E-Commerce nicht immer ein Zuckerschlecken ist, wird vielen Händlern erst nach und nach klar. Ein Kostenfaktor ist dabei inzwischen das Abmahnungswesen geworden. Bei dieser Praxis gehen Mitbewerber außergerichtlich gegen Wettbewerbsverzerrung und unlauteren Wettbewerb vor.
Wenn aus einer Abmahnung hundert werden
Doch das an sich vernünftige Rechtsmittel ist in den vergangenen Jahren dank findiger Abmahnanwälte, die das Geschäft in großem Stil betreiben, zu einer Art Schutzgeld geworden, das jeden Onlinehändler treffen kann – oft wegen Nichtigkeiten und Wortklaubereien. Die Kosten dafür werden meist nach einem Streitwert berechnet, über dessen Höhe sich natürlich auch trefflich streiten lässt – und sollen nach der Honorarordnung für Anwälte dem Aufwand für eine individuelle Abmahnung gerecht werden. Rationalisiert man die Abmahnungen allerdings, ist das schnell verdientes Geld für einen Serienbrief – und teuer für den Onlinehändler. Denn wenn ein und derselbe Fehler bei verschiedenen Waren gemacht wird, flattern schnell Dutzende Abmahnungen ins Haus.
So berichten Anwälte und Shop-Betreiber gerade in den vergangenen Monaten wieder häufiger von Abmahnungen, die oftmals nur einzelne Wörter und Begriffe innerhalb der Produktbeschreibung oder -bezeichnung betreffen. „Es kommt dabei vor allem auf die genaue Formulierung an und es gibt bestimmte Bezeichnungen, die entweder geschützt sind oder als missverständlich ausgelegt werden können“, sagt Rechtsanwalt Christian Solmecke. Er berichtete beispielsweise anlässlich der Amzcon über Schlüsselwörter wie „bekömmlich“ oder „gesundheitsfördernd“ und zeigte anhand zahlreicher tagesaktueller Amazon-Angebote, wie leicht es für Verkäufer ist, ins Fadenkreuz von Abmahnanwälten zu geraten. Die Abmahner können gezielt nach bestimmten Schlüsselwörtern suchen und quasi als Serienbrief Abmahnungen mit entsprechender Kostennote und Unterlassungserklärung versenden. Unterzeichnet der Händler die Unterlassungserklärung, kann er im Folgefall auch außergerichtlich belangt werden. Schon deshalb sollten Shop-Betreiber zurückhaltend sein und prüfen lassen, ob und in welchem Umfang sie die Erklärung abgeben wollen.
Eine aktuelle Abmahnwelle betrifft Dawanda, den Marktplatz für Selbstgemachtes. Händler berichten über zahlreiche Abmahnungen durch den IDO, dem Interessenverband für das Rechts- und Finanzconsulting deutscher Online-Unternehmen. Es geht offenbar vermehrt um einzelne Formulierungen und Fehler in den Widerrufsbelehrungen. Dawanda hat jetzt angekündigt, die Händler im Kampf gegen die Abmahnungen zu unterstützen, beispielsweise durch vorgefertigte Rechtstexte, die die Händler verwenden können, aber noch einmal durch einen Anwalt prüfen lassen sollten. Außerdem hat der Marktplatz im März bei der Staatsanwaltschaft Köln selbst Strafanzeige beantragt, um das Verhalten des IDO einer strafrechtlichen Prüfung zu unterziehen. In diesem Zusammenhang gibt es auch eine aktuelle Petition, die den Gesetzgeber dazu animieren soll, die Anreize für Abmahnanwälte und entsprechende Vereine zu reduzieren und dafür zu sorgen, dass eine Abmahnung, wie in der heutigen Form möglich, nicht das gesamte Geschäft eines Onlinehändlers ruinieren kann.
Abmahnungen: Ohne Rechtschutz kann es teuer werden
Sich in allen Punkten rechtskonform zu verhalten, ist dabei gar nicht so einfach. Ein Shop-System-Plugin, das bei bestimmten Begriffen und Schlüsselwörtern auf deren Verfänglichkeit hinweist, kann eine praktikable Lösung sein. In einigen Punkten, so Solmecke, sei es jedoch gerade bei Portalen wie dem Amazon-Marketplace ohnehin nur schwer bis gar nicht möglich, allen Deklarations- und Rechtsvorschriften des deutschen Rechts korrekt nachzukommen, etwa beim Verkauf eines aus mehreren unterschiedlichen Flaschen bestehen Weinpakets.
Ein mittelgroßer Händler, der neben dem eigenen Webshop auch über Ebay und Amazon-Marketplace Waren anbietet, erklärt, er sei bereits mehrfach wegen absoluter Kleinigkeiten abgemahnt worden und rechne immer wieder mit unliebsamer Anwaltspost. Ohne umfassende Rechtschutzversicherung und die Unterstützung von Trusted Shops, die im Rahmen des größten Händlerpakets auch Service und Hilfe bei einer Abmahnung anbieten, ist das Betreiben eines Webshops offenbar kaum noch möglich.
Doch auch wer zum Zeitpunkt der Abmahnung nicht über eine Versicherung verfügt, sollte den Gang zum Anwalt nicht scheuen. Denn dieser kann oft die mitgeschickte Unterlassungserklärung im Sinne seines Mandanten anpassen und eine niedrigere Gebühr aushandeln, da ein Streitwert meist alles andere als offensichtlich ist. Besonders beliebt bei Anwälten sind übrigens Abmahnungen, die nach aktueller Rechtsprechung gar nicht mehr korrekt sind, vor Gericht also gar nicht standhalten würden. Ein Anwalt kommt in solchen Fällen gegebenenfalls auch ohne Zutun des abgemahnten Mandanten auf seine Kosten.
Unterzeichnet der Abgemahnte die Unterlassungserklärung nicht, kann der Gang vor Gericht drohen. Das abmahnende Unternehmen hat allerdings die Wahl und kann strategisch das Gericht wählen, von dem es sich eine günstige Entscheidung erhofft. Abgesehen davon wird ein versierter Anwalt aber auch einschätzen, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass ein bestimmter Fall überhaupt vor Gericht geht. Denn in vielen Fällen geht es, so berichten Fachanwälte, ausschließlich um das Erlösmodell der Abmahnung und eine gerichtliche Auseinandersetzung wird aus vielerlei Gründen gescheut.
Abmahnungen: Fast jeder dritte Händler im vergangenen Jahr betroffen
Auch der Händlerbund hat in einer Umfrage unter seinen Mitgliedern ermittelt, dass das Abmahnwesen im E-Commerce inzwischen mehr als nur ein Nischenphänomen ist: Während 2015 „nur“ jeder fünfte Händler eine oder mehrere Abmahnungen erhielt, waren es 2017 schon 28 Prozent. Einige der Dinge, die da bemängelt werden, können Händler indes gut vorab klären: die AGB, das Impressum, die generelle Aufmachung der Website. Wer keinen Ärger riskieren will, lässt einen Anwalt drauf schauen.
Recherchiert man die „Konkurrenten“, auf deren Geheiß Abmahnvereine oder Anwaltskanzleien die Abmahnungen versenden, wird manchmal deutlich, dass es oft gar nicht um den eigentlich abgemahnten Punkt gehen kann, da sie entweder ein ganz anderes Warensortiment führen oder der Shop eher als Alibi dient. Und so ernährt das im Prinzip sinnvolle Rechtsmittel der Abmahnung eine ganze Branche recht gut.
In wenigen Wochen wird es eher noch schlimmer werden, denn ab Mai dürften die Anwälte einiges zu tun bekommen: im Zusammenhang mit der DSGVO. So gerne Anwälte nämlich uneinig sind und sich hinter einem „kommt darauf an“ verschanzen, so einig sind sie sich in diesem Punkt: Die DSGVO enthält auch und gerade für Webshops eine Vielzahl von Stolperfallen. Deswegen sollten Onlinehändler zunächst prüfen, auf welche Weise sie ihren Webshop technisch optimieren können – fast alle Webshop-Systeme für den deutschen Markt bieten entsprechende Anpassungen und Handreichungen – und danach sollten Händler auch noch einmal einen Fachanwalt die wichtigsten Fragen überprüfen lassen.
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