
Diese kosmischen Radiowellen hat das ICRAR sichtbar gemacht. Sie stammen aus der Milchstraße. (Bild: ICRAR)
„Es gibt am Himmel nichts, das sich so verhält“, sagt die Astronomin Natasha Hurley-Walker über das Sendeverhalten eines unbekannten Objekts im All. An den Signalen sind nicht nur Länge und Periodizität merkwürdig, sondern auch die langen Pausen, in denen gar nichts von ihm zu „hören“ ist. Durch die Art der Impulse können die Wissenschaftler:innen bereits einige Aussage über die Beschaffenheit des Objekts treffen. Sie veröffentlichten ihre Ergebnisse in der Wissenschaftpublikation Nature.
Neuer Algorithmus macht auf Objekt aufmerksam
Der Arbeitgeber von Hurley-Walker, das International Centre for Radio Astronomy Research (ICRAR) in Australien, berichtete nun über das kuriose Objekt und seine Radiosignale. Das Institut kartiert das All nach Radiowellenspektrum. Dessen Murchinson Widefield Array (MWA) besteht aus 256 Antennenfeldern mit je 16 Ultrabreitbandantennen, die 2.000 Quadratmeter Fläche einnehmen. Das Team um die Astronomin hatte mit einem neuartigen Algorithmus mit dem MWA den Himmel nach transienten Radiosignalen durchsucht und wurde fündig. 2018 stieß die Gruppe auf 71 energiereiche Impulse, die von derselben Quelle zu stammen schienen. Sie liegt rund 4.000 Lichtjahre entfernt, also im „Hinterhof“ der Milchstraße.
Die Pulse besaßen eine Länge von weniger als einer Minute und hatten einen Abstand von 18 Minuten. Im Kosmos kennen die Wissenschaftler:innen eigentlich nur zwei Arten von Radiowellenschüben. Die transienten Signale von Pulsaren und Magnetaren sind extrem kurz. Sie dauern wenige Millisekunden bis zu zehn Sekunden lang an. Supernovas strahlen zwar plötzliche Radiowellen aus, sie halten aber über Tage bis Wochen an. Doch die energiereichen Impulse des mysteriösen Objekts haben eine Länge von 30 bis 60 Sekunden und wiederholen sich im exakten Abstand von 18,18 Minuten. Die Astronom:innen sagen: „Dies ist eine ungewöhnliche Periodizität, die unseres Wissens nach noch niemals zuvor beobachtet worden ist.“
Unheimlich: Plötzlich schweigt das „Uhrwerk“ tagelang
Ein weiteres Rätsel geben die Blöcke auf, in denen die Quelle sendete. In den 30 Tage langen Sendephasen kommen die Radioimpulse pünktlich wie ein Uhrwerk. Es habe keinen Ausfall eines einzigen Impulses gegeben, so die Wissenschaftler:innen. Nach 30 Tagen schweigt das Objekt plötzlich. 26 Tage lang „hören“ die Fachleute keinen Mucks. Dann arbeitet die Quelle wieder 30 Tage lang ohne einen Aussetzer. „Für einen Astronomen ist das schon fast unheimlich“, beschreibt die mehrfache Preisträgerin die Reaktion des Teams auf dieses bisher unbekannte Verhalten. Nach weiteren exakt 30 Tagen verstummt das Signal – bis heute.
Rätselhaftes Objekt mit starkem Magnetfeld
Die Astronom:innen haben über die Art der Signale weitere Informationen über ihre Quelle zusammengetragen. Da die Signale stark linear polarisiert sind, muss sie ein starkes Magnetfeld besitzen. Weitere Hinweise sprechen für ein kompaktes und im planetaren Maßstab eher kleines Objekt. Die Regelmäßigkeit der Impulse könnte auf eine Bewegung oder Rotation hindeuten. Ab diesem Punkt werden die Spekulationen wilder. Ein stark magnetisierter weißer Zwerg oder Neutronenstern wird genannt. Damit ließen sich zwar Magnetfeld und Rotation erklären, doch die Pulsperiode dieser Himmelskörper beträgt in der Regel weniger als zehn Sekunden. Langsam rotierende Neutronensterne kennt man nur aus der Theorie. Diese „Magnetare“ gelten jedoch als nicht besonders strahlungsintensiv und müssten demnach ihre magnetische Energie „auf besonders effiziente Weise“ in Radiosignale umwandeln.
Antennen auf Objekt gerichtet
Da die rätselhafte Quelle seit Februar 2018 verstummt ist, recherchieren Hurley-Walker und die Frauen und Männer in ihrem Team nun in den Archiven, ob es schon einmal ähnliche Aufzeichnungen gab. Parallel überwachen sie die Position des Objekts engmaschig. Wenn es wieder aktiv wird, seien mehrere Teleskope auf der südlichen Hemisphäre bereit, es sofort anzuvisieren, sagt Hurley-Walker. Dann erhofft sie sich weitere Daten, um der Ursache der mysteriösen Radiowellen auf die Spur zu kommen.