Amazon und Whole Foods: Warum die Übernahme in die Marketing-Lehrbücher Einzug finden wird
Es war ein Einstieg mit Bravour und einem knappen Timing, wie es kaum ein Unternehmen hinbekommt: Kaum hatten die amerikanischen Kartellwächter grünes Licht für die Übernahme von Whole Foods durch Amazon gegeben, veröffentlichte das Unternehmen eine detaillierte Roadmap mit den nächsten Schritten. Doch was Amazon mit diesen Schritten zeigt, ist alles andere als blinder Aktionismus, es ist eine Ansage an die gesamte Lebensmittelbranche, die beweist, dass dem Unternehmen in Sachen Marketing niemand etwas vormachen kann: Nahezu alle Medien berichten über die Veränderungen in den Stores, über die großflächigen Preissenkungen – und sorgen so dafür, dass auch der letzte US-Bürger das Thema auf dem Schirm hat.
Whole Foods bietet Amazon-Produkte zum Anfassen
Denn einerseits haben laut GfK 74 Prozent der Whole-Foods-Kunden in einem betrachteten Zeitraum mindestens einmal bei Amazon bestellt (bei den Nicht-Whole-Foods-Kunden lag die Quote bei gerade mal 49 Prozent), darunter ein Großteil Prime-Kunden. Das umgekehrte Verhältnis dürfte deutlich schlechter sein – schließlich sind rund 460 Filialen für ein großes Land wie die USA nicht gerade viel (verglichen mit den 4.700 Filialen des größten Konkurrenten Wal-Mart eher überschaubar).
Auch dass Whole Foods für Amazon eine Möglichkeit ist, die eigenen Produkte (beispielsweise die Alexa-Lautsprecher) prominent im Retail zu vermarkten und die Kundenbindungsprogramme der beiden Partner zu kombinieren, ist marketingtechnisch ein Glücksfall. Doch die beiden Unternehmen profitieren noch in anderer Form voneinander: durch eine Vielzahl an Eigenmarken mit etabliertem positiv besetzem Image, die man sich in anderen Fällen erst mühevoll aufbauen muss. Diese bringen Amazon die gewünschte Wertigkeit im Lebensmittelumfeld und ein Alleinstellungsmerkmal und Whole Foods mehr Bekanntheit auch bei Kunden, die keine Filiale des Bio-Supermarktes in der Nähe haben.
Marketing: Beide Partner bekommen durch die Übernahme das, was ihrem Image fehlt
Gleichzeitig sorgt Amazon dafür, dass auch Kunden Whole Foods wahrnehmen, die bisher nicht zur bio-orientierten, auf gesunde Ernährung bedachten Zielgruppe gehören. Denn bislang hatte der Bio-Supermarkt ein ähnliches Image wie hierzulande die Supermarktkette Basic: Produkte mit dem Bio-Anstrich, die sich nicht jeder leisten kann, die aber umgekehrt für manchen Bio-Fundamentalisten nicht ausreichend waren. Umgekehrt galt das Unternehmen vielen als Einkaufsmarkt im Umfeld der Gentrifizierung (und schaffte es damit sogar in eine South-Park-Folge). So profitieren auch hier wiederum beide Partner: Whole Foods verliert sein (aus Sicht vieler Amerikaner) etwas abgehobenes Image, Amazon profitiert von der Glaubwürdigkeit und Nachhaltigkeit im Lebensmittelumfeld, für die Whole Foods steht.
Doch die Ansage von Jeff Bezos, künftig sollen die Preise bei Whole Foods „kontinuierlich schrumpfen“, lässt auch darauf schließen, dass Amazon gewillt ist, den insbesondere durch die deutschen Ketten Aldi und Lidl entbrannten Preiskampf aufzunehmen. Jeder solle sich die Bio-Produkte von Whole Foods leisten können, wird Bezos zitiert – eine Botschaft, die nur zu gut in das Weltbild der amerikanischen Gesellschaft passt, gleichzeitig aber den Produzenten von Lebensmitteln wenig Spaß machen dürfte. Eine Ansage aber auch an den Mitbewerb und ein wohl dosiertes Marketing-Signal an die Kunden. Wahrscheinlich ist: Wir werden hier in nächster Zeit ein Best-Practice-Beispiel für einen Change-Prozess finden.